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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Bergner, Heinrich: Befestigte Kirchen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0157

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237

1901.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. — Nr. 8.

238

Aelter und interessanter noch ist die Kirche
von Chazelles in Lothringen (Fig. 16), welche
dem XH.Jahrh. zugeschrieben wird. Hier finden
wir die oben berührte Dreitheilung mit cen-
tralem Thurm, welcher ebenso wie die Apsis
mit Schiefslöchern versehen ist. Das Langhaus
ist ein unförmlicher Steinblock, der nur durch
einige spätere Rechteckfenster belichtet ist.
Ein wohlerhaltener Zinnenkranz umgiebt die
Plattform des flachen Daches. Eine breite, mit
gepaarten Rundbögen überdeckte Thür ist hier
wie in Reinstädt durch eine ziemlich hoch dar-
über' angebrachte Pechnase gesichert. Die
Wasserspeier sind ebenfalls noch wohlerhalten.
In Lorry-Mardigny ist gerade das Schiff
durch eine barocke Erneuerung zerstört, aber
Thurm und Osttheile sind zur Vertheidigung
eingerichtet und an der nördlichen Seitenapsis
findet sich eine Pechnase. Und an St. Petri
zu Mey ist ein frühromanisches Seitenportal
ebenfalls durch eine Pechnase gesichert. An
die beiden bekanntesten französischen Festungs-
kirchen, zu Royat (Puy de Dome) aus dem

XI. und zu Esnandes (Charente inf.) aus dem

XII. Jahrb.., beide mit gewaltigen Zinnenkränzen.
Thürmchen und Machicoulis, sei nur im Vor-
übergehen erinnert.

Fast wieder zum Ausgangspunkt unsrer
Untersuchung führt uns die Michaelskapelle
am Kloster Neu s t if t beiBrixen.38) (Fig. 17.) Hier
finden wir nämlich eine doppelgeschossige Rund-
kirche mit doppeltem Zinnenkranz und vor-
liegendem Wehrthurm. Man fühlt sich sogleich
an die nordischen Rundkirchen erinnert. Aber
das Zusammentreffen ist ganz äufserlich und
zufällig. Der Kern der Anlage ist eine Fried-
hofskapelle wie
St. Michael in
Fulda aus dem
Xlll.Jahrh. Da-
her stammt die
innere Einrich-
tung und die ge-
kuppelten Fen-
ster des äufseren
Umgangs. Als
jedoch Abt Le-
onhard (1470 bis
1479) das Klo-
FiE. 16. Kirche in Chazelles. ster mit einer

38) Rieh], »Die Kunst an der Brennerstrafse« ,110.

Fig. 17. St; Michael in Neustifc.

Tonart ausklingen

Ringmauer umgab, be-
festigte er auch die
Michaelskapelle, wel-
che sich vorzüglich als
Thalsperre eignete. Er
führte den Eingangs-
thurm auf, dessen Thür
noch durch das zier-
liche Erkerchen mit
Schiefsscharten und
den Zinnenkranz ge-
schützt wurde, umzog
den äufsern Umgang
und die Kuppel mit
einem gezinnten Wehr-
gang und setzte den
kleinen Viereckthurm
auf, dessen Zinnen-
giebel nur mehr de-
korativ die kriegerische
lassen.

Noch sind zwei Spielarten des festen Kirchen-
schiffes zu erwähnen. Einmal ist ein ganzes
Obergeschofs durch Schiefslöcher zur Vertheidi-
gung eingerichtet, welches nur von aufsen und
mittelst Leitern zugänglich ist, so in Bruensen
bei Naensen in Braunschweig, in Nienhagen
und Oldenrode bei Moringen.36) Anderer-
seits finden sich im Ordensland Preufsen bei
Schlofskirchen und wirklich zur Vertheidigung
eingerichteten Kathedralen (Frauenburg, Königs-
berg, Marienwerder) Wehrgänge in der Dicke
der Umfassungsmauern vor. (Otte IL 437.)
Die Zinnen über dem Dachsimse sind hier wie
überhaupt im Backsteingebiet nur dekorativ
gemeint.

Schliefslich drängt sich doch die Frage nach
dem praktischen Werthe all der verschiedenen
wehrhaften Anlagen auf. Dohme bemerkt
nämlich über Münstermaifeld, dafs hier die
Verquickung von Motiven des Festungsbaues
mit den Kirchthürmen als Kuriosität aufträte,
an die alte Benutzung als „Luginsland" sei
dabei nicht zu denken. Die von uns beige-
brachten Nachrichten und die Art der Denk-
mäler belehren leicht eines anderen. Der wehr-
hafte Zustand der Kirche ist den Gemeinden
nicht nur zur Zeit der Wickinger und Raub-
ritter, sondern noch im XVI. und XVII. Jahrh.
voller Ernst gewesen. Gleichwohl kann man

6) O.tte,"»Handbuch« I. 19.
 
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