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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Oidtmann, Heinrich: Die Schweizer Glasmalerei vom Ausgange des XV. bis zum Beginn des XVIII. Jahrh., [4]: Nach ihren Denkmälern und den neuesten Forschungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0175

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263

1901.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 9.

264

rechnet wurden, „Zins- und Stürurbar" zu
Rapperswyl und Wyl, während sie in Zürich
als Ausgaben „von Eeren wegen" oder unter
„allerlei Gelts" verzeichnet sind. Hinfällig
war natürlich jener Zweck, wenn der Bauherr
nach Fertigstellung des Hauses einen üppigen
Fensterschmaus veranstaltete, bei welchem der
ganze Vortheil, wenn nicht noch etwas mehr,
verzehrt wurde, z. B. 1690 bei dem von Meyer
erwähnten Neubau der Gemeindestube zu Hirs-
landen: „Und obschon die Fenster mehrentheils
verehrt worden laut der darin stehenden Schute,
so hat man mit einem köstlichen Fenstermahl
eben so viele Kosten gehabt, als sie werth
waren".

Ein ähnlicher Brauch, der sich durch das XVII.
und XVIII. Jahrh. hinzog, hier und da sogar bis tief in
das XIX. erhallen hatte, herrschte im Norden Deutsch-
lands. Baute der Dithmarscher ein Haus, so lud er
Verwandte, Freunde und Nachbarn ein zur „Fenster-
köst" oder zum „Fensterbier". Als Gegenleistung
schenkte jeder Gast dem Gastgeber eine bemalte
Fensterscheibe; falls der Stifter ein Familienwappen
oder eine Hausmarke besafs, so liefs er dieses nebst
Namen und Jahrzahl auf der Scheibe einbrennen.
Sonst begnügte man sich damit, das Glas nur mit
einem Bild oder blofs mit dem Namen des Schenkers
zu bemalen. Bei Bedürftigen trat an die Stelle der
Scheibe ein Geldgeschenk. In Westphalen soll die
gleiche Gepflogenheit bis weit in's XVI. Jahrh. hinauf-
gereicht haben; hier spendeten Verwandte und Be-
kannte sich gegenseitig bei Neubauten, Hochzeiten
und sonstigen frohen Anlässen, gemalte Fensterscheiben
mit Heiligenbildern, Namen und Hausmarken. Die-
selbe Sitte bestand in Dänemark und Schweden ;
Scheiben aus norwegischen Bauernhäusern bewahrt
das Museum zu Bergen.

In anderen Gesuchen wird der Verzicht
auf jegliche Unterstützung klar ausgedrückt,
indem man nichts weiter als ein Wappen be-
gehrt. Hier lehnt ein Gesuchsteller „als hab-
licher Mann" jeden Gedanken einer Geldspende
ab, denn er „bewerbe sich um die Schenkung
von Ehren, nicht von Armuth wegen", dort
vermerkt der verständnifsvolle Rechnungssteller
am Rande: „der vermag allerdings seine Fenster
selbst zu zahlen, gottlob".

Neben der Ehrung des Beschenkten war
die Wappenstiftung je nach den Verhältnissen
nicht minder ein ehrendes Denkmal für den
freundlichen Geber, ja oft genug bildete der
Ehrgeiz des letzteren die Haupttriebfeder seiner
Freigebigkeit. Will schon der eine es dem
andern an Zahl der geschenkten Wappen und
an Ansehen der in den Schildern vertretenen
Personen zuvorthun, so möchte umgekehrt

keiner vernachlässigt erscheinen, vielmehr war
es für Persönlichkeiten von Stand Ehrensache,
an gewissen Orten nicht übergangen zu werden,
sondern sein Andenken im Wappen verewigt
zu sehen. Nicht vergeblich suchte man im
Hinblick hierauf zuweilen den Ehrgeiz des
Gebers zu reizen, und wohl überlegt waren
Bittgesuche, z. B. 1572 von Zurzach, an die
Herrschaft mit der schmeichelhaften Begründung,
„die Fremden sollen sehen, wem wir gehören".
So mufste sich nothwendiger Weise eine die
Sache fördernde Eifersucht im Geben und
Nehmen entwickeln, um so eher, als es dem
gutwilligen Stifter bequem gemacht wurde; er
brauchte eben nur Geld herauszurücken, ohne
sich um das Weitere zu kümmern.

Leider stellte sich bald als Kehrseite jener
Sitte der Uebelstand ein, dafs einzelne aus
reiner Gewinnsucht mit dem guten Brauch
groben Unfug trieben. Gegen derartigen Mifs-
b rauch richtete sich eine strenge Rechts-
verordnung, gemäfs welcher die Beschenkten,
falls ihnen die Ausführung vertrauensvoll über-
lassen ward, den Stiftern nicht geradezu das
halbe Haus unter dem Titel der Fenster an-
rechnen möchten. In Aarau wurden 1548 und
1554 bestimmte Sätze festgestellt, desgleichen
1607 zu Zürich, wo der Rath verordnete, „wie
man verehrte Fenster und Wappen zahlen soll":

„Als dann ein alter Bruch und Gewohnheit, dafs
erliche Herren und Gesellen einander in ihre Hüser
Fenster und Wappen verehrend und aber damit je
länger, je grösserer Kosten ufgeht und man etwan
einem sonderlichen für die Fensler gar vill abfordert
und nit nur das Glaswerch, wie einist der Bruch gsin,
sondern auch die Ramen und Beschlächt sammt dem
Steinwerch zum Gsichten, alles zum köstlichsten ge-
macht, gaben läfst und also je einer den andern zu
grofsen Kosten bringt, dessen mancher wol entbehren
möchte, harumb und zur Abstellung desselbigen so
habent unsere g. Herren diesere gemeine durchgehende
Ordnung gemachet: nemüch wellicher dem andern
sin Wappen und Fenster verehren will, der solle nit
mehr zahlen, denn was das Wappen für sich selbs
kostet, und für das Fenster mehr nit, denn 3 Gulden
by gebührender Straf, so alle diejenigen so mehr
fordernd oder zalend verfallen sin sollend". Weitere
beglaubigte Mifsbräuche und Auswüchse über leicht-
fertiges Pumpen u, s. w. berichtet Meyer S. 48.

Eben jene schnelle Entfaltung und ge-
waltige Ausdehnung der Sitte in Verbindung
mit der Uebertreibung und Entartung mufste
nach einer gewissen Dauer als unausbleibliche
Rückwirkung Uebersättigung bringen. Infolge
des raschen Aufschwunges waren die zum
 
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