Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

DOI Artikel:
Beissel, Stephan: Zur Geschichte der Tiersymbolik in der Kunst des Abendlandes
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0182

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
die symbolischen Zeichen der Evangelisten (4,7),
das Lamm Gottes und dessen Feind, der Drache
mit sieben Köpfen und Kronen und mit zehn
Hörnern (12, 3), eine wichtige Rolle.

Die Menschen können eben nicht umhin,
die geistigen Dinge in Bildern auszudrücken,
sehen dieselben nur wie im Spiegel und in
Räthseln. (1. Kor. 13, 2.) Gottes unsichtbare
Grösse erkennen sie aus den Geschöpfen, wie
man aus dem Werk auf den Meister schliefst.
(Rom. 1, 20.) Die sinnbildliche Auffassung der
Natur liegt ihnen so nahe, dass sie begannen,
Vögel, Vierfüssler und Schlangen (Rom. 1, 23)
als Symbole Gottes hinzustellen, und damit
endeten, sie zu Götzen zu machen. Abgesehen
von Aegypten, wo der Thierdienst eine so
traurige Rolle spielte und Gestalten von Thieren
oder Halbwesen die Kunstdenkmäler füllen,
sah man in Athen wie in Rom neben Cybele
Löwen und neben Jupiter Adler, bei Juno den
Pfau und bei Venus eine Taube. Minerva
ward begleitet von einer Eule, Diana von einem
Hirsch, Apollo von einem Raben, Aeskulap
von einer Schlange. Das Sinnbild der Ceres
war der Drache, des Neptun der Delphin, des
Herkules die Hydra. Den Bachus umgaben
Tiger und Panther,1) den Wagen des Helios
zogen vier Rosse, den der Selene Kühe. Alles
gewann Leben in der Dichtung. Quellen und
Haine, Berg und Thal füllten sich mit wunder-
samen Mischwesen. Sirenen und Centauren,
Tritonen und Nymphen bevölkerten Land und
Meer. Der Himmel erhielt seinen Thierkreis
und viele Sterne wurden in die Gestalt der
Thiere und Fabelwesen eingezeichnet.

Als die christliche Kunst in eine mit
solchen fabelhaften Gestalten überfüllte Um-
gebung eintrat, verhielt sie sich derselben gegen-
über nicht unbedingt ablehnend. Sie wählte vor-
sichtig aus, weil der Götzendienst sich in die
Gebilde der Phantasie eingenistet hatte, nahm
vorderhand nur das auf, was noch unverdorben
war, und reinigte allmählich vieles aus dem
Reste. Fische, Tauben und Lämmer, Hirsche
und Löwen begegnen uns in den ältesten Denk-
mälern altchristlicher Künstler. Wie lieb ihnen
die Symbolik war, beweist besonders das Ge-
mälde einer römischen Katakombe, worin Su-
sanna als Lamm dargestellt ist zwischen zwei
Wölfen, welche die Bosheit jener beiden Alten

') Pitra »Spicilegium Solesmense«, Paris, Didot
(1855) III p. LVI.

darstellen sollen, von denen sie mit dem Tode
bedroht wurde. Auf südfranzösischen Sarko-
phagen erscheint sie neben einem Baum, an
dem eine Schlange aufsteigt, um Tauben nach-
zustellen, welche bei ihren Jungen im Neste
ruhen.2) Neben der hl. Agnes zeigen Gold-
gläser zwei Tauben mit Siegeskränzen; die
Mosaiken von S. Apollinare in Ravenna stellen
ein Lamm neben sie. Die hl. Eufemia stand
im Mosaik ihrer Kirche zu Rom zwischen zwei
Schlangen, wie Daniel zwischen zwei Löwen
immer wieder uns entgegentritt. Diese Thiere
erinnern dann ebenso sehr an die Art des
Leidens der Märtyrer wie an die Bosheit der
Verfolger.

Bereits auf einer werthvollen altchristlichen
Lampe des VI, Jahrh. zertritt Christus als Sieger
eine Schlange und einen Basilisken, einen Löwen
und einen Drachen (Ps. 90, 13)8) und schon
um 400 schweben die geflügelten Symbole der
Evangelisten in der Apsis der Kirche der
hl. Pudenziana zu Rom. Die häufig vorkom-
menden Darstellungen des Phönix haben be-
sondere Wichtigkeit, weil sie den Unterschied
zwischen der altchristlichen und mittelalter-
lichen Kunst darthun. Tacitus und Clemens
von Rom erzählen, dieser Vogel lebe 500
Jahre, baue sich dann ein Grab in Form
eines Nestes oder Sarges und verscheide darin.
Aus diesem Grabe erstehe dann ein neuer
Phönix, der jenen Sarg seines Vaters mit
dessen Ueberresten nach Heliopolis bringe.
Der Vogel trägt in den altchristlichen Denk-
mälern meist einen Nimbus und einen Palm-
zweig, oft sitzt er auf einem Palmbaume. Wie
er selbst das Symbol der Auferstehung und der
Unsterblichkeit ist, gilt die Palme, womit er so
fest verbunden wird, als Sinnbild des Sieges-
preises im jenseitigen Leben.4)

-') Kraus »Real-Encyklopädie«. II, 600 f.

s) Garrucci »Storia dell'arte Cristiana« VI.
Tav. 473. Das Bild ist häufig in alten Miniaturen.
Vergl. Goldschmidt »Der Alhanipsalter in Hildes-
heim«, Berlin, Siemens (1895) S. 8, 52 f.

4) Kraus a. a. O. 622 f., Laudiert »Ge-
schichte des Physiologus«. Strafsburg, Trübner (1889)
S. 10 f., 46 f., 96, 158, 212 f. Job sagt im Text
der Vulgata 29, 18 Dicebam: In nido meo moriar,
et sicut palma multiplicabo dies. Die Palme heilst
nun im Griechischen r/,otn2;. Nach einer Uebersetzuug
der Rabiner, der sich Tertullian und Beda anschlössen,
las man in einigen Handschriflen: et sicut phoenix
multiplicabo dies. Ob nicht in jenen altchristlichen
Denkmälern der Vogel und der Baum auch darum so
 
Annotationen