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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Derix, Heinrich: Spätgotisches Glasgemälde in der alten Sakristei des Domes zu Xanten
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0194

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291

1901. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 10.

292

sonders schön ist der Ausdruck des Kopfes.
Nicht minder vortrefflich in Zeichnung sind
die beiden Figuren Maria und Johannes. Der
schmerzhafte Ausdruck der Muttergottes, die
mit etwas geneigtem Kopfe und gefaltenen
Händen zur Rechten des Kreuzes steht, ist
besonders gut gelungen. Vor ihr kniet der
Donator, ein Xantener Kanoniker. Der Kopf
der etwas zu klein gerathen ist, scheint ein
Porträt zu sein. An der rechten Hand trägt
der Donator sechs Ringe. Johannes schaut
mit erhobenem Haupte zum leidenden Heiland
empor. Auch in seinem Gesicht, das von
wallendem Haar umgeben, ist der Ausdruck
des Schmerzes sehr schön zur Darstellung ge-
bracht. Die Arme sind gesenkt und die Hände
leicht gefalten. Sehr gut gezeichnet sind die
Gewandmotive derselben Figur. Maria Magda-
lena ist in der Zeichnung weniger geglückt,
wenigstens in Bezug auf ihre Stellung. Sehr gut
sind auch die Engel, welche das hl. Blut aus
den fünf Wunden auffangen. Auch die Per-
spektive der Landschaft ist schön und in ihren
Einzelheiten sehr interessant.

Mehr noch als durch die Zeichnung ragt
das Fenster durch seine vorzügliche Farben-
gebung hervor. Drei Viertel der ganzen Bild-
fläche sind in Weifs gehalten. Das Weifs zeigt,
wie bei den meisten Fenstern dieser Epoche,
eine leicht gelbliche Tönung. Der tiefblaue
Hintergrund geht bis zur Schulter des Johannes
hinab und wird nach unten heller. In seinen
einzelnen Stücken schattirt das Blau sehr schön
ab und zeigt an den hellen Stellen einen in's
Violett spielenden Schimmer, während es in den
dunkelen Parthien fast ultramarinblau ist. Durch
diese Abwechselung im Glasschnitt wirkt der
Hintergrund, der vollständig ohne Ueberzug
ist und eigentlich etwas zu viel Blau hat, den-
noch interessant und harmonisch. Das Blau
des Hintergrundes kehrt noch einmal, aller-
dings in einer etwas helleren Nuance, im Unter-
gewand der Madonna wieder. Bei Johannes
ist das Untergewand saftig tief dunkelroth und
ganz wenig im Glasschnitt abschattirt. Dies
Roth wiederholt sich in dem Schulterkragen
des Kanonikers sowie, jedoch ein wenig heller,
im Mantel des fliegenden Engels oben links, und
auf der Aufsenseite der Flügel des Engels im
rechten Theil. Der Mantel der Maria Magda-
lena zeigt ein herrliches röthliches Violett im Ton.
Von gleicher Farbe ist der Mantel des Engels

im rechten Theil oben. Die Innenseiten der
Flügel desselben Engels sind hell stahlblau,
und einzelne Federn daran mit Silbergelb leicht
grün gefärbt. Auch der Kragen am Unter-
gewand des Johannes ist von gleichem stahl-
blau. Die schönste Farbe des ganzen Fensters
ist offenbar das Grün der Innenseite der Flügel
des Engels neben der Maria Magdalena. Im
Lichten fast hellgrau, flaschengrün, ist dasselbe
im Schatten saftig dunkel-bläulich-grün. Die
xnneren Flügelseiten des Engels oben links
sind ebenso. Einen so schönen und so
merkwürdig im Glas abschattirten Ton findet
man, trotz des bedeutenden Fortschrittes, den
die heutige Antikglasfabrikation aufweist, bei
in der Masse gefärbten jetzigen Gläsern nicht.
Es ist interessant zu beobachten, wie sich jede
einzelne Farbe mehrmals und räumlich in ent-
sprechenden Abständen wiederholt. Dies ist
auch das einzig richtige Prinzip bei Vertheilung
der Farben, welch' letztere bei den Alten stets
nur in einer beschränkten Anzahl verwandt wur-
den. Gerade durch diesen Rhythmus der Farben
entsteht die prächtige teppichartige Wirkung.
Ein schönes klares Silbergelb, welches sich an
einigen wenigen Stellen bis zum Orange steigert,
ist in dem Bilde ziemlich reichlich angebracht.
Das Kreuz ist dunkelgelb. Gleichfalls gelb
sind die Gewandsäume, die Bordüren der Hei-
ligenscheine, die Kelche, Sonne und Mond,
sowie die Haare bei Johannes, Maria Magdalena
und den Engeln. Auch die Landschaft ist
hier und dort durch meist helles Silbergelb
belebt. Merkwürdiger Weise ist die Landschaft
nach oben auf dem Blau der Luft unvermittelt
weiter gemalt, wie es in dieser Art wohl selten
vorkommt. Auf der Abbildung merkt man
den Unterschied nicht, weil das Blau in der
Photographie hell wird, in Wirklichkeit ist
die Trennung aber sehr scharf. Gebäude und
Bäume sind mittels Silbergelb auf dem Blau
grün gemacht.

Was die Technik anbelangt, so ist zu be-
merken, dafs der Grisailüberzug einen röthlich
grauen Ton zeigt, wie er den meisten Fenstern
der Spälgothik eignet. Das Grisail ist ganz
leicht körnig getupft und sehr dünn aufge-
tragen. Auch die Schatten sind körnig hinein-
getupft, um so auch in den dunkelen Schatten
das durchsichtige Leuchten zu erzielen, welches
dem Glase erst den eigenartigen Reiz verleiht.
Die Lichter sind meist bestimmt mit dem
 
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