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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Effmann, Wilhelm: Frühmittelalterliche Inschriftensteine zu Dottendorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0215

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327

1901.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 11.

328

man bald weiter dazu, in ihnen Steinurkunden
zu erblicken, die kirchliche Jahrgedächtnisse
festhalten sollten. In diesem Sinne sprach sich
Braun aus. „Diese Steine wollten", so er-
erklärte er, „den Namen und den Todestag
eines Wohlthäters der Kirche bewahren, damit
die Gemeinde, namentlich am Sterbetage,
Gebete für ihn spreche. Demgemäfs ist der
Sterbetag die Hauptsache oder doch das erste,
worauf es ankommt, und deshalb steht das
Datum gleich an der Spitze der Inschrift.
Dort aber, wo die Inschrift in die Kreuzesform
eingeschrieben ist, liest man das Datum auf
dem Querbalken des Kreuzes, also an erster
und am meisten in die Augen fallender Stelle.
Nach dem Datum folgt erst der Name. Bei
den Grabschriften ist das Jahr des Todes
von besonderer Bedeutung; bei unseren In-
schriften kommt nur der Tag und nicht das
Jahr des Todes in Betracht, und deshalb wird
das Sterbejahr nicht einmal angeführt." „Diese
Art der Aufzeichnung hatte", so fährt Braun
fort, „vor der gewöhnlichen in den Diptychen
oder den geschriebenen Memorienbüchern einen
doppelten Vorzug. In unruhigen, kriege-
rischen Zeiten wurden die Kirchen von wilden
Horden geplündert, die heiligen Bücher und
Schriften zerstreut und vernichtet, während die
bescheidene Steininschrift geeignet war, diese
Stürme und Verwüstungen zu überdauern.
Diese Steininschriften brauchten auch nicht
vorgelesen zu werden, sie waren wie ein auf-
geschlagenes Buch, das von Jedermann in der
Gemeinde gelesen wurde. Die Benefactores
hielten sich als Bedingung für ihre
Leistungen an die Kirche ein Jahr-
gedächtnifs aus12) und damit dieses so lange
wie möglich gehalten wurde, dafür konnten
sie kaum besser als durch solche Steinschriften
sorgen. Oft waren Spenden mit diesen Jahr-
gedächtnissen verbunden, und die Armen, welche
die Empfänger dieser Spenden waren, erhielten
in diesen offenen Urkunden eine Aufforderung

geringen Gröfse er folgerte, dafs dieselben nicht auf
dem Grabe gelegen, sondern an der Wand befestigt
waren. „Das Begraben in den Kirchen", so sagt er,
„war damals ein nur noch selten gewährtes Vorrecht;
dennoch wollte man das Gedächtnifs der Verstor-
benen in und neben der Kirche gern allen Gläu-
bigen in's Gedächtnifs rufen. Deshalb diese kleinen
Grabsteine an den Wänden." Vgl. Annalen am eben
angegebenen Orte. S. 261.
la) Von mir gesperrt.

zur christlichen Fürbitte für den verstorbenen
Wohlthäter."13) In ähnlicher Weise wie Braun,
der auch auf die im gleichen Stile abgefafsten
Memorienbücher hinwies, hat sich auch aus'm
Weerth geäufsert. „Von vornherein", so sagte
er, „kann man sie wohl für Grabsteine halten;
bei eingehender Erwägung der charakteristischen
Eigenschaften mufs man indefs wieder davon
abgehen." Die Weise, dafs der aufrechte Kreuz-
balken den Namen des Verstorbenen, der
Querbalken den Todestag anzeigt, würde, so
meint er nämlich, „für das Wesen der ein-
fachsten Grabsteine ungenügend erscheinen.
Wer auf den Grabsteinen den Todestag so
sorgfältig der Zukunft zu erhalten sucht, wird,
wenn nicht des Todesjahres, was seltener, aber
doch zuweilen geschieht, so doch des Alters
des Verstorbenen gedenken. Wer als Nach-
lebender dem Heimgegangenen ein Denkmal,
sei es auch so einfach wie unsere Steine, er-
richtet, wird sich wahrlich, besonders als Christ,
nicht mit der trockenen Angabe von Namen
und Todestag begnügen, sondern dem Wieder-
sehen und der Ewigkeit ein Wort widmen.
Die schlichtesten Grabsteine der Katakomben
besitzen ihr requiescat in pace. Wenn somit
die beiden charakteristischen Eigenschaften
unserer Inschriften, nämlich die Beschränkung
auf Todestag und Namen, ihren Zweck als
Grabsteine unwahrscheinlich erscheinen lassen,
so werden wir ihre wirkliche Bestimmung auch
gerade aus diesen beiden Eigenschaften er-
spähen müssen. Namen und Todestag, und
zwar nur diese, sind im kirchlichen Leben von
denjenigen Verstorbenen wichtig, deren Jahr-
gedächtnifs am Sterbetag durch eine Todten-
messe gefeiert werden soll. Dazu ist das Jahr
gleichgültig und nur der Sterbetag erforderlich.
An diese Jahrgedächtnisse für Ver-
storbene erinnert zu werden, sie be-
sonders dann durch ein Dokument zu
sichern, wenn sie durch eine ausdrück-
liche Stiftung fundirt waren,14) dürften
unsere Inschrifttafeln gedient haben".16)

Trotz der allseitigen Zustimmung, welche
diese Erklärung der Inschriftsteine gefunden

I3) Braun „Christliche Inschriften am Nieder-
rhein"; >Annalen des historischen Vereins für den
Niederrhein« 11. und 12. Heft (Köln 1862) S. 192.

u) Von mir gesperrt.

ls) aus'm Weerth »Bonner Jahrbücher« a.a.O.,
S. 119 f.
 
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