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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Effmann, Wilhelm: Frühmittelalterliche Inschriftensteine zu Dottendorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0217

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331

1901.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

332

im engeren Sinne anzusehen.19) Er wird darin
bestärkt durch einen weiteren Fund, der bei
Gelegenheit eines Kanalbaues aufserhalb der
Münsterkirche, auf ihrer Ostseite, gemacht
worden ist. Es kam dabei ein Steinsarg zum
Vorschein, der noch mit seiner ursprünglichen
Deckplatte versehen war. Dieselbe ist eben-
falls trapezförmig, sie zeigt die gleichen Eck-
ornamente, ferner in eingeritzten Linien in der
Mitte das Kreuz und endlich die Inschrift:
X. KL NOVEMBR'JS) BILO OB/IT.
Auf einem noch jetzt mit dem zugehörigen
Sarge fest verbundenen Sargdeckel begegnet
hier also eine Inschrift in jener Form, die in
ihrer Beschränkung auf Namen und Todestag
den entscheidenden Anhalt dafür bilden soll,
um den damit versehenen Inschriftsteinen den
Charakter der Memoriensteine zuzuschreiben.
Einen weiteren Beleg dafür, dafs diese Art der
Inschrift in keiner Weise den daraus gezogenen
Schlufs bedingt, finden wir dann in Fulda, wo
solche Inschriften in anderer Anordnung zwar,
aber im gleichen Wortlaute erscheinen. In
seiner Geschichte des Domes von Fulda hat
Schlereth in Abbildungen neun Inschriften
mitgetheilt, die theils im Halbkreis, theils im
Kreise disponirt sind.20) Die Steine, auf denen
sich die Inschriften befanden, werden von
Schlereth als Grabsteine bezeichnet und aus-
drücklich hebt er im Texte noch hervor, dafs

19) Humann „Einige kunstgeschichüich merk-
würdige Einzelheiten im Münster zu Essen" »Bonner
Jahrbücher«, LXXX.Heft (1885) S. 184ff.,Taf.V,Fig. 5.
Vgl. dazu Kraus »Christliche Inschriften der Rhein-
lande« II, Nr. 636, S. 293, der den Stein auch als
Grabsteinplatte bezeichnet, ihn aber ebenso wie Clemen
(»Kunstdenkmäler des Kreises Essen« S. 34) auf das
IX. oder X. Jahrh. datirt.

20) Schlereth „Der Dom und die vorigen
Hauptkirchen in Fulda", 1824—1826, Seite 89.
Taf. XX, Manuskript in der hessischen Landesbibliothek
zu Fulda. Ich verzeichne hier die von Schi, mitge-
theilten Inschriften und füge aufserdem die ebendort
angegebenen Todesjahre in Klammern bei:

///. Kalend. . . . o(biit) Rohingus abbas (1047).
XVII. Kalend. Augusti o(biil) Wider adus abbas (1075).
III. Kalcnd.Deccmbris o(biit) Wol/Aelmus abbas (llld).
VIT. Kalend. Aprilis o(biit) Berthous abbas (1134).

Nono Juni o(liiit) Ruggerus abbas (1148).
VII. Kalend. Maii o(biit) Herimannus abbas (1163).
XVII. Kalend.Novembris o(biii) Cunradusabbas(1192).
.... o(biit) Henricui abbas de Willenuve (1313).
.... o(biit)Eberhardus abbas de Rodestein(1315).
Die sechs ersten Inschriften sind in einem Halb-
kreise, die drei letzten im Kreise angeordnet.

die Inschriften sämmtlich nur Todestag, Namen
und Stand der Verstorbenen angeben. Die
Richtigkeit dieser Angaben sind wir in der
Lage, durch einen Grabstein zu kontroliren,
der in der Fulda gegenüberliegenden Propstei-
ktrche zu Neuenberg noch jetzt im Fufs-
boden liegt. Die Inschrift (Fig. 5) ist am Fufs-
ende der Platte angebracht, und zwar befindet
sich, ebenso wie dies bei den von Schlereth
mitgetheilten Steinen mit halbkreisförmig an-
geordneter Inschrift der Fall ist, die Datums-
angabe auf dem Halbkreise, die Angabe von
Stand und Namen auf dem unteren geraden
Streifen. Die Inschrift lautet:

4- VI. KAL(ENDAS) IVLII O(BIIT)
HILDEBOLDVS PR(AEPOSITVS).

Wie bei den Fuldaer Steinen, so ist also
auch hier die Inschrift durchaus konform mit
der der angeblichen Memoriensteine. Dabei hat
der Stein eine Länge von 2,34 m bei einer
Breite von 0,79 m, also Abmessungen, bei
denen schlechterdings nicht an einen vorher in
die Kirchenwand eingelassenen Memorienstein ge-
dacht werden kann. Die Annahme einer solchen
Anordnung findet auch weiter ein Hindernifs
in der ganzen Gestaltung des Steines. Auf-
gerichtet an der Wand würde die Inschrift
kaum lesbar sein, die hohe kahle Fläche aber
um so mehr in die Erscheinung treten. Durch
die Steine von Essen und Fulda werden so alle
Bedenken hinfällig, die aus'm Weerth hatte,
die Inschriften mit Grabsteinen in Verbindung
zu bringen. Fulda und Essen bekunden, dafs
man auch als Christ sich mit der trockenen
Angabe von Namen und Todestag begnügte,
ohne dem Wiedersehen in der Ewigkeit ein
Wort zu widmen.

Es fällt damit aller Zwang dahin, in den
Dottendorfer Tafeln Memoriensteine zu erblicken.
Ganz ausgeschlossen erscheint eine solche jeden-
falls bei den Steinen Fig. 1 und 2. Der an eistet
Stelle beschriebene ist nach Gröfse und Aus-
führung vielleicht als Sargdeckel, wahrschein-
licher aber als eine Grabplatte anzusehen, die
ihren Platz entweder auf dem Grabe selbst ge-
habt hat, oder auch bei demselben, an der
Aufsenmauer der Kirche angebracht gewesen
sein mag.

Bei dem zweiten Steine weisen alle Mo-
mente darauf hin, dafs in ihm ein Sargdeckel,
nicht aber ein Grabstein und jedenfalls kein
 
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