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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Effmann, Wilhelm: Frühmittelalterliche Inschriftensteine zu Dottendorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0219

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335

1901.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTUCHE KUNST — Nr. 11.

336

an den Seiten in Abständen angeordnet und
unter sich durch eine fortlaufende Doppel-
schlinge verbunden sind. Die Vertheilung der
Blätter ist eine ungleichmäfsige; während auf
der oberen Langseite ihrer vier angeordnet
sind, zeigen sich unten nur drei. Es hat dies
in dem unteren Streifen eine starke Unregel-
mäfsigkeit zur Folge, die besonders in dem
breiteren Dreiblatte und des weiteren darin
zum Ausdruck kommt, dafs das rechte Eck-
blatt nicht drei, sondern fünf Blatttheile aufweist.
Die Inschrift besteht gegenwärtig noch aus
sieben Zeilen; von diesen zeichnen sich die
erste, vierte und fünfte durch eine beträcht-
lichere Buchstabengröfse aus und darin werden
sie durch die Schlufszeile wiederum bedeu-
tend übertroffen. Die Inschrift besteht aus fünf
Distichen von denen der dem dritten Hexa-
meter folgende Pentameter jedoch aus dem
angeführten Grunde weggefallen ist. Hierdurch
und durch das Fehlen der Abkürzungszeichen
ist die sichere Lesung des die Datirung ent-
haltenden vierten Hexameters erschwert. Nach
Versen getheilt, ergibt sich folgender Wortlaut:
QVISQVIS SIS LECTOR SVMME PIE-

TATIS AMATOR
CERNERE QV(I)D DOLE AS TE MONEA1

PIETAS
NAM TENET EXIG VAM2b) MVL1ER PIA

PVLVERIS H(A)STV(M)2«)
MORIB(VS) INSIGNISAC VENER ANDA

BONIS
CORPORE TV(M)V) VIXIT GERLINT

HEC NOMEN UfABEBAT/0-8)

lANV(ARIIS) NEMPE
S(E)P(ELIVI) 29)

K(A)L[ENDIS]

36) Richtig exiguum, weil abhängig von kaustitm.

26) Pulveris haustum = „eine Hand voll Asche."
In diesem Sinne bei Ovid, Metamorph. XIII 526:
kaustus arenae.

21) Tum für dum.

28) Wenn man für habebat nicht eine starke Ab-
kürzung annehmen will, mufs ein Theil des Wortes
in die nachfolgende fehlende Zeile hinüber gereicht
haben.

29) Die Lesung dieses Verses kann aus den oben
angegebenen Gründen nur unter Vorbehalt gegeben
werden. Es läge nahe, die beiden Buchstaben SP in
stpulta aufzulösen. Es mülste dann aber vor sepulta
aus metrischen Gründen ein ganzer Versfufs einge-
schoben werden, für den es in der Inschrift aber an
einem bestimmten Anhalte mangelt.

IL(L)IVI(S) PLACIDA{M) POSCERE3°)

T[V] VENIA(M)
INTIMA SI CORDTS MISERANT (TEJul)

PORTE DOLORIS
HAVD PRECIB(VS) CESSES QVOD PE-

TO TE SVP(P)LEX.W)

In ihrpm Inhalte ist die Inschrift voll-
kommen klar; sie enthält neben der Angabe
des Beerdigungstages in Wiederholungen die
an die fromme Gesinnung und das Mitleid
des Lesers gerichtete Bitte, der verstorbenen
Frau Gerlint zu gedenken.

Die allgemeine Annahme geht dahin, dafs
in den Inschriftsteinen, wie sie in den Figuren
1—3 dargestellt sind, Arbeiten ^des IX. oder
X. Jahrh. zu erblicken sind. Für diese Da-
tirung ist von bestimmender Bedeutung die von
aus'mWeerth gemachte Feststellung gewesen,
dafs die Bonner Steine in der im ersten Viertel
des XL Jahrh. errichteten Krypta der Bonner
Münsterkirche als Baumaterial verwendet worden
sind. Wenn aus'm Weerth daraus den Schlufs
zieht, dafs „die Entstehung von im XI. Jahrh.
verworfenen christlichen Gedenksteinen min-
destens in's X. oder IX. Jahrh. zurückgehen"
müsse,33) so wird man ihm darin auch bei ab-
weichender Meinung über den Charakter der
Steine im Wesentlichen beistimmen dürfen. Für
die Datirung der Dottendorfer Steine mangelt
es nun auch nicht ganz an ähnlichen, wenn
auch nicht gleich bestimmten Anhaltspunkten.
Dafs die Gründung der Pfarre Dottendorf auf
die karolingische Zeit zurückgeht, wie Maafsen
angibt, wird wohl ernstlich nicht in Zweifel zu
ziehen sein, aber unter den Beweismomenten
hierfür kann nicht der Umstand angeführt wer-
den, dafs die 1895 abgebrochene Kirche in ein-
zelnen Bestandtheilen auf die fränkische oder
karolingische Epoche zurückgewiesen hätte.34;
Was wir über dieselbe wissen,85) berechtigt nicht,

ao) In dem poscere liegt ein Fehler vor, indem
ein e statt des c gesetzt ist.

31) Das durch Vers und Satzbau bedingte Wort
te fehlt auf dem Stein.

82) Der Schlufs des Wortes supplex fexj ist auf
dem Stein am Ende der vorletzten Zeile, durch einen
Punkt abgetrennt, enthalten.

33) aus'm Weerth »Bonner Jahrbücher« a.a.O.
S. 118; Festschrift S. 7.

34) Maafsen a. a. O. S. 145.

30) Gut zusammengestellt bei Maafsen a. a. O.
S. 155 f.
 
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