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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Schubring, Paul: Die primitiven Italiener im Louvre
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0232

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355

1901.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 12.

356

der gegenwärtige Bestand ein kasernenartiges
Dasein fuhren mufs. Es wird nicht eher Ab-
hülfe geschafft werden können, bis die italie-
nischen Säle ebenso umgebaut werden, wie
die dei Nieder- und Holländer, bis man
sich vor Allem entschliefst, die grande galerie
trotz aller Bedenken durch Scheerwände zu
theilen , ;d. h.

wohnlich zu
machen und vor
Allem mit mu-
thiger Hand zu

magaziniren.
Wenn dann den

Trecentisten
zwei Sonderka-
binette zugewie-
sen werden, mufs
ihre Bedeutung
ganz anders zu
Tage treten als
heute, wo sie am
Ende der über-
vollen galerie de
sept metres als
Annex des so
viel bestechen-
deren Quattro-
cento ein durch-
aus verhängtes
Dasein führt.

Wir beginnen
wie billig mit
der grofsen Ma-
donnaCimabues,
(Abb. 1) an Um-
fang das gröfste,
an Bedeutung
sicher ein einzig-
artiges Bild. Die
Cimabuefrage ist kürzlich neu aufgerollt worden.
Es scheint sich immer klarer herauszustellen,
dafs die berühmte Madonna Rucellai in Sa.
Maria novella in Florenz nicht das Werk Cima-
bues ist, von dem Vasari anekdotisch breit be-
richtet, um es gewissermafsen zum Gegenstücke
von Duccios Hauptaltar im Dom von Siena zu
stempeln; sondern — Brown wird in seinem
Buch über Sa. Maria novella hoffentlich die
letzte Klarheit bringen — die von Vasari
hochgefeierte Cimabue - Madonna ist ver-

Abb. i. Cimabue: Madonna. (Louvre.)

scliwunden; das lange für sie angesprochene
Bild ist von Duccio gemalt, von dem wir ur-
kundlich wissen, dafs er 1285 eine Madonna
für diese Kirche in Auftrag bekam. Mit der
Rucellai - Madonna steht und fällt aber die
Londoner Madonna (Nr. 565 der National-
gallery.) Auch diese hat zwar die glänzendste

Provenienz, sie
stammt aus Sa.
Croce und wird
von Vasari aus-
drücklich Cima-
bue zugewiesen,
worin ihm Boc-
chi-Cinelli, le
bellezze di Fi-
renze p. 153
folgen. Dennoch
mufs hier ein
Irrthum Vasaris

angenommen
werden; schon
Jean Paul Rich-
ter hat in seinem
lectures in the
National Gallery
Duccios Namen
vorgeschlagen,
und diese These
ist durch die
neuesten Unter-
suchungen be-
festigt worden.
Uns bleiben
nach diesem
doppelten Ab-
strich nur drei
Madonnen Ci-
mabues: Das
Fresko in Assisi,
die Madonna aus
Sa. Trinitä, heute in der Florentiner Akademie
und das Louvrebild.

Die Pariser Madonna ist die späteste. Sie
stammt aus San Francesco in Pisa und jeden-
falls aus der Zeit, in der Cimabue für den
Pisaner Dom das Kuppelmosaik der Apsis
arbeitete. Während die Trinitä-Madonna für
die früheste Arbeit gilt1) und das Fresko in
Assisi, das leider sehr übermalt ist, zwischen

l) Zimmermann, Giotto S. 202.
 
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