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Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

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Braun, Joseph: Das Rationale
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https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0076

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115

1903. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr 4.

116

Auch auf den Regensburger Siegeln, Glas-
gemälden und Grabmälern läfst sich der Wandel
in der Form des Ornatstückes gut, vielleicht
sogar noch besser, wie auf den Miniaturen des
Gundekarpontifikales verfolgen. Bis Konrad V.
von Luppurg (1296—1313) hat das Rationale
eine dem Pallium durchaus verwandte Gestalt.
Fast der einzige Unterschied zwischen beiden
besteht darin, dafs der Behang beim Rationale
ungleich kürzer ist, als beim Pallium. Scheiben
auf den Schultern kommen erst seit der Mitte
des XIII. Jahrh. beim Rationale vor. Doppel-
behänge treten zuerst bei Nikolaus von Stacho-
witz (1313—1340) und Friedrich von Nürnberg
(1341-1368) auf. Auf den Grabmälern er-
scheint es dann als förm-
licher mit Doppelbehän-
gen ausgestatteter Kragen
(Abb. 4).

Keine besondere Ent-
wicklung hat das Ra-
tionale zu Würzburg und
zu Bamberg erfahren;
zu Würzburg erscheint
es von seinem ersten
Auftreten unter Eme-
hard bis zum Augen-
blick, da es durch das Pal-
lium ersetzt wird, auf den
Monumenten, Siegeln wie
Grabmälern, als pallium-
artiges Ornatstück. Es
sind im ganzen vielleicht
etwa drei Siegel,40) welche
eine etwas abweichende
Form zeigen. Sie sind
jedoch um so weniger
von Bedeutung, als andere Siegel derselben
Bischöfe die normale Form zeigen.

Ungemein glänzende Beispiele dieser Form
bieten in grofser Fülle die Grabmonumente der
Würzburger Bischöfe (Abb. 3 u. 5).

In Bamberg ist umgekehrt schon im XI.
Jahrh. das Rationale ein Ornatstück, das in keiner
Weise an das Pallium erinnert(Abb. 6). Es besteht
aus einem unten rechts und links in Ausläufern
endenden, durch ein scheibenförmiges Schulter-
stück verbundenen Brust- und Rückenteil. Von
Bamberg scheint sich dieser Typus dann

\bb. 8. Büste des hl. Lambert in der Kathedrale
zu Lüttich.

40) Es sind zwei Siegel Embrichos von Leiningen
(t 1146) und ein Siegel Herolds von Höchheim
(t H72).

später nach Eichstätt und Regensburg verpflanzt
zu haben. Das in der Kathedrale zu Regens-
burg noch vorhandene Rationale stammt ohne
allen Zweifel aus Bamberg, wo es etwa in der
ersten Hälfte des XIII. Jahrh. entstanden sein
dürfte. Es ist sowohl der Form wie dem
Gegenstand der Darstellung nach eine genaue
Kopie des zu Bamberg befindlichen Rationales.
Verschieden ist es von demselben nur durch
gröfsere Länge und Breite der Behänge, durch
das Stickmaterial und den Stil.

Das Bamberger Rationale ist ganz in unge-
mein zarter Goldstickerei ausgeführt. Der dabei
gebrauchte äufserst feine Goldfaden ist mittelst
eines aus reinem Gold bestehenden Lahnes
hergestellt. Der rotseidene
Abheftfaden ist so tief in
den Stoff eingezogen, dafs
er fast verschwindet und
die Arbeit den Eindruck
eines Goldgewebes macht.
Technisch ist die Stickerei
vorzüglich, dagegen sind
die Darstellungen ziem-
lich unbeholfen und steif.
Beim Regensburger Ra-
tionale ist aufser Gold-
stickerei auch Seiden-
stickerei zur Anwendung
gekommen. In Seide sind
gestickt die Fleischpartien,
das Haar, die Inschriften,
die Konturen und einiges
andere. Der Lahn des
Goldfadens besteht aus ver-
goldetem Silber. Die Tech-
nik ist sehr entwickelt;
die Hand, welche das Rationale schuf, hat es
meisterlich verstanden, durch Wechsel im Ab-
heften und in der Lagerung der Goldfäden die
verschiedensten Effekte zu erzielen. Sie hat
überall nach Mafsgabe des Gegenstandes ge-
arbeitet. Auch zeichnerisch betrachtet sind
die Darstellungen ausgezeichnet, sie sind ebenso
ausdrucksvoll wie edel in der Form.

Wann diese Kopie nach Regensburg ge-
kommen, ist nicht festzustellen. Für Regens-
burg angefertigt ist sie jedenfalls nicht, da erst
in der ersten Hälfte des XIV. Jahrh. das Ra-
tionale daselbst eine dem Bamberger verwandte
Form annahm. Sighart behauptet, es sei das
Regensburger Rationale durch Berthold von
Nürnberg (1351—1365), Bischof von Eichstätt,
 
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