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Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

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Braun, Joseph: Das Rationale
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https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0077

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117

1903. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

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nach Regensburg gekommen, der Administrator
von Regensburg gewesen.41) Es ist das indessen
nur eine Vermutung, für die ein Anhalt nicht
vorliegt. Es weist vielmehr die Beschaffenheit
des Rationales im Dom zu Regensburg durch-
aus auf Bamberg als Herkunftsort hin. Es
dürfte nicht so unwahrscheinlich sein, dafs es in
der ersten Hälfte des XVII. Jahrh. nach Regens-
burg gebracht wurde, um als Vorlage für die
nach seinem Muster angefertigte Nachbildung
zu dienen, welche sich jetzt im Nationalmuseum
zu München befindet (Abb. 7). Bei dieser Ge-
legenheit mag dann das Bamberger Rationale
in Regensburg geblieben sein.

Die Münchener Kopie ist nicht ungeschickt
gearbeitet, ziemlich getreu
und fast blofs hinsicht-
lich der Inschriften ver-
einfacht. Sie kam von

Regensburg, wie es
scheint, im Nachlafs des
BischofsFranzWilhelmvon
Wartenberg(1649—1661),
der es mag haben anferti-
gen lassen, nach Schlofs
Tiefsling bei Mühldorf,
von wo es dem Bayri-
schen Nationalmuseum
übermittelt wurde.

Zu Toul erscheint das
Rationale zuerst auf dem
Siegel Roberts von Mar-
cey (1230—1253) und
zwar ist es hier schon mit
zwei Behängen versehen. Abb. o. Rationale im Ke\
Bei den folgenden Bischö-
fen fehlt das Ornatstück. Es dauert bis gegen die
Mitte d. XIV. Jahrh., d.i. bis auf Bischof Thomas
von Bourlemont (1330—1353), ehe es wieder
auftritt.42) Auch jetzt ist es mit einem Doppel-
behang geschmückt. Die Form, welche das
Rationale später zu Toul hatte, erhellt aus
einer, freilich mangelhaften Abbildung bei de
Vert. Es ist hier ein Schulterkleid mit runden
Schilden auf den Schultern und zwei Behängen
am Saum.43) Im Beginn des XVIII. Jahrh. war
das Ornatstück bereits eine Weile aufser Ge-

4I) »Geschichte der bildenden Künste in Bayern«
S. 287.

4a) Robert »Sigillographie de Toul« bei Rohault
de Kleury, La messe VIII, p. 72.

**) De Vert »Explication des ce>emonies« (Paris
1708) T. II, pl. 1 etp. 155.

brauch, wie aus einem Brief Don Calmets an
Montfaucon hervorgeht.44)

Die Entwicklung des Lütticher Rationales
läfst sich nicht verfolgen. Gegen Ausgang des
Mittelalters war es, wie fast allenthalben, ein
förmliches Schultergewand (Abb. 8). Es ist auf
den Bildwerken über den Schultern meist mit
Scheiben ausgestattet, nur selten entbehrt es
derselben. Dagegen endet es am Saum regel-
mäfsig in drei Behängen.

Eigentümlicher Art ist das Krakauer Ra-
tionale. Es besteht aus zwei den Schultern auf-
liegenden Streifen, welche sich vor der Brust
und im Rücken kreuzen. Über den Kreuzungs-
stellen ist ein in Gold gesticktes Rundmedaillon
angebracht, welches das
Lamm Gottes enthält. Den
Schulterstreifen sind dieln-
schriften, doctrina, verilas,
prudentia und simplicitas
aufgestickt. Auf den Be-
hängen findet sich der
Name der Geschenkge-
berin: Iledwigis Regina,
filia regt's Ludovici ange-
bracht. Die mit Fransen
verzierten Endstücke wei-
sen die Wappen von Po-
len, Ungarn und Anjou
auf.

Von Rationalien in der
Art eines Schultergewan-
des haben sich aus dem
Mittelalter vier erhalten,
das Bamberger Rationale,
das Rationale im Dom
zu Regensburg und im Bayrischen National-
museum und endlich ein Rationale in Eich-
stätt. Das Eichstätter ist wiederholt beschrie-
ben und abgebildet worden.46) Es stammt
gemäfs dem ihm eingestickten Wappen von
Bischof Johann von Eich (1445 — 1464) her
und ist reich in Perlen und Gold gestickt.
Auf den Schulterstücken sind der hl. Bonifazius
mit dem Mainzer und der hl. Willibald mit dem

Bayrischen Nationalmuseum
(Vorderseite.)

44) Rohault deFleuryl. c.p 73: Les eveques
de Toul se servaient autrefois d'une espece d'ephod
ou de superhumeral. Der Brief datiert vom 14. Ja-
nuar 1726.

ib) Abbild, bei Bock »Geschichte der liturgi-
schen Gewänder« Bd. II, Taf. XXVII; Gallier »Nou-
veaux melanges«, ivoires p. 184 svtes. und neuestens
in »Eichstätts Kunst« S. 5.
 
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