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Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

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Buchner, Otto: Die metallenen Grabplatten des Erfurter Domes
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https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0113

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177

1903.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 0.

wandtschaft wirken. Mufsten die Bischöfe ent-
sprechend ihrer Würde in mehr repräsentativer
Haltung dargestellt werden, so bedeuten die
Platten der Domherren eine künstlerische Be-
freiung, indem Vischer stärkere Bewegungs-
und Betätigungsmotive, wie das Lesen, einführte.
Das Denkmal des Stein zu Erfurt zeigt dies
Bestreben, die Figur persönlich zu gestalten,
sogar unter völligem Verzicht auf eingehendere
Behandlung des Stofflichen, wie sie die andern
Denkmale zeigen, ohne aber deren künstle-
rischen Inhalt zu stei-
gern. Deshalb wirkt
das Werk reifer und
bedeutender als jene
durch die ganz be-

wufst angewendete
Knappheit der Dar-
stellung und das Stre-
ben nach Abklärung

des Formalen, ein
Streben, das fast zu
weit geht, indem es
ans Nüchterne streift.

Und gerade dies
spricht- mit für Vi-
schersche Provenienz.
Somit darf das
Denkmaldes Stein
ohne Bedenken in
das Lebenswerk
Peter Vischers ein-
gereiht werden als
eine zwar nicht

hervorragende,
aber doch beach-
tenswerte Arbeit
von unzweifelhaft
monumentaler Wir-
kung. Letztere wird zu Erfurt dadurch ver-
stärkt, dafs die Platte nicht, wie es in Würz-
burg und Bamberg der Fall ist, durch eng
verwandte Nachbarn zur Dutzendware degra-
diert wird. Um so merkwürdiger erscheint
es, dafs man sie nicht gewürdigt und in ihrem
Wert als Erzeugnis der berühmtesten deutschen
Giefserhütte erkannt hat.

Bemerkt sei noch, dafs die Evangelisten-
symbole unter Benutzung der gleichen Gufs-
form vorkommen am Denkmal des Bischofs
Siegismund von Würzburg zu Meifsen,
f 1457, des Bischofs Dietrich IV., f 1476,

Abb. 6. Johannes von Laspbe.

ebendort, und dem des Kanonikus Bernhard
Lubranski (Kothe »Kunstdenkmäler des
Stadtkreises Posen« 1896, Taf. 4.) im Dom zu
Posen. Alle diese Denkmale sind reich ausge-
stattet durch Baldachine und Brokatmusterung.
Dadurch, dafs das Denkmal des Lubranski
durch das Brokatmuster von Justi für Vischer
mit Sicherheit in Anspruch genommen werden
konnte, was mit gröfster Wahrscheinlichkeit
aus der Stilvergleichung bereits geschlossen
worden war, ist aufser jenen Meifsener Platten
das Denkmal des Stein
zu Erfurt ohne jegli-
chen Zweifel als Werk
der Vischerhütte ge-
sichert.

Zeigt das Monu-
ment des Stein be-
reits die formale Ab-
klärung der Renais-
sance, so bietet das
später als jenes datierte
desTitularbischofs von
Sidon, Johannes von
Lasphe, noch An-
klänge an die späte
Gotik. Das Denkmal
(Abb. 5) an der Süd-
wand des Domes neben
dem vorbesprochenen
stehend, mifst 2,50 zu
1,61 cm. Es ist leider
nur unvollständig er-
halten, denn der Bal-
dachin oder das Ran-
kenwerk über des Bi-
schofs Haupt ist aus-
gebrochen ebenso der
Bischofstab und das

einst von derMitra überragte Wappen. Der In-
schriftrand zeigt einfache Rosetten in Vierpässen.
Die Minuskelinschrift weicht vom typischen
Wortlaut ab, indem sie aufsergewöhnlich mit
dem sonst den Inschriftschlufs bildenden Segens-
wunsch: „requiescat in sancta pace" beginnt;
es folgen Name und Titel des Bischofs, dann
heifst es: hie sepultus und nochmals: requiescat
in pace, amen. Daran erst schliefst sich auf-
fallenderweise die Angabe des Todesdatums:
ly. Oktober I5I0. Da der Bischof 1508 zurück-
trat und seine Ämter niederlegte, ist möglich,
dafs die Figur selbst — in Gufs und Patina
 
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