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Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

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Buchner, Otto: Die metallenen Grabplatten des Erfurter Domes
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https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0116

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183

1903.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 6.

184

und fest gegenüber steht, wie der
Meister der Hütte, Peter Vischer,
selbst.

Besser erhalten ist das Grabdenkmal des
1505 gestorbenen Johann von Heringen.
In eine 2,23 X 1,27 m grofse Steinplatte ist das
Brustbild des Verstorbenen (Abb. 7) einge-
lassen. Ein Inschriftrand mit Wappen an den
Ecken umzieht den Stein. Auffallend ist die
Beschränkung auf das Brustbild; es ist mög-
lich, dafs Billigkeitsgründe hierbei mitgesprochen
haben. Denn dafs eine Reihe schlechter Platten
um die Jahrhundertwende sich in Erfurt mit der
Einlage von metallenen gravierten und plasti-
schen Köpfen, Kelchen und allenfalls auch
Händen begnügte, kann schwerlich auf die
Anlage des Denkmals eingewirkt haben. Die
Erzplatte selbst mifst 73 zu 58 cm, sie ist bei
Creeny (S. 59) abgebildet unter Verzicht auf
kunsthistorische Würdigung.

Dargestellt ist in Lebensgröfse der Kano-
nikus, der mit der Rechten den Stiel des Mefs-
kelchs hält, den die Linke am Fufs stützt.
Hinter dem Kopf ist ein Brokatteppich mit
Granatapfelmuster ausgespannt. Rankenwerk
füllt die oberen Zwickel und bildet eine Art
Nische für den Kopf. Die Komposition ist
unendlich einfach und selbstverständlich, der
gegebene Raum ist mit fabelhafter Sicherheit
ausgefüllt. Diese Klarheit läfst die liebevolle
Einzelbehandlung der Ranken, des Vorhangs
und der schweren Sammetmozetta zurücktreten;
im Gegenteil lenkt dies alles nur um so ein-
drucksvoller den Blick auf das edle, ruhige
Gesicht des Kanonikus und dessen Kelch. Die
hoheitsvolle Gelassenheit des Geistlichen, dessen
Augen, scharf beobachtend, leicht nach der
Seite schauen, während der Kopf sonst völlig
von vorn gesehen ist, strahlt aus auf den Be-
schauer, der, je länger er vor dem Werk steht,
um so mehr gefesselt wird.

Kein Geringerer als Lübke hat es bisher
als einziger Kunsthistoriker gewürdigt; in seiner
Geschichte der Plastik spricht er von der
„überaus geistreich behandelten Platte mit dem
herrlichen, ausdrucksvollen Kopfe", der sich an-
scheinend als hochbedeutsames Porträt dar-
stellt. Und doch ist es kein Porträt trotz
der guten und doch scharfblickenden Augen, trotz
der energischen Nase, trotz der hochgezogenen
Augenbrauen und des wohlgebildeten Mundes,
trotz des kräftigen, durch das Alter gemilderten

Kinnes. Es ist ein Idealbild von reifster,
innerer Abgewogenheit.

Vor der Beantwortung, welcher Künstler die
der Platte zu Grunde liegende Zeichnung ge-
fertigt haben könne, scheint der Versuch an-
gebracht, des Werkes Herkunft zu ergründen.
Aus Erfurt kann es wegen seiner hervorragenden
Qualitäten nicht stammen, es mufs aus der
ersten Giefserhütte der Zeit, der Peter Vischers
zu Nürnberg kommen. Dafs Vischer nach Er-
furt Werke lieferte, ist in Vorstehendem dar-
gelegt worden, auch hat er später das Epitaph
des Rechtsgelehrten Henning Goden, f 1521,
gefertigt. In Weimar, Naumburg, Merseburg,
d. h. in benachbarten thüringisch-sächsischen
Landen finden sich Erzeugnisse der Vischer-
Hütte. Es wäre geradezu unwahrscheinlich,
stamme das Denkmal des Heringen — man
vergleiche, um ein bekanntes Beispiel herauszu-
greifen, das Rankenwerk mit dem der Meifse-
ner Platte der Herzogin Amalie zu Meifsen,
-j- 1502 — nicht von dort, weist es doch seine
ganze Technik, vor allem die Verwendung des
Teppichs mit dem Brokatmuster, dorthin.

Diese Annahme verdichtet sich zur Gewifs-
heit beim Vergleich mit der Grabplatte des
Eberhard von Rabenstein zu Bamberg,
f 1505. Bedauerlich ist zwar, dafs diese Platte
sehr an Schärfe eingebüfst hat. Die feineren
Partien sind abgeschliffen und die Patina ist
ungleichmäfsig. Trotzdem ist die Technik
völlig gleich auf beiden Denkmalen, zu welcher
Erkenntnis ich schon kam, ehe mir das Werk
Creenys, der die Identität der Mache fest-
stellte, bekannt war. Doch ist das Bamberger
Werk reicher im Gerank durch Hinzufügung
einer etwas plumpen Blume und je eines Putto
in den oberen Zwickeln. In Kopf- und Hand-
haltung sind zeichnerische Ähnlichkeiten vor-
handen, wie auch in der Behandlung des De-
tails. Doch ist das Denkmal Rabensteins flüch-
tiger und liederlicher ziseliert. Die Schatten-
lagen sind durch Kreuz- und Querlagen härter
angegeben als bei Heringen, woselbst die
Querlagen kaum durchgeführt sind. Die Haar-
behandlung ist in Bamberg schematischer und
schulmäfsiger, die Augen durch starkes Aus-
bohren der Pupillen starrer und weniger lebens-
voll. Und doch gibt eingehende Vergleichung
die Gewifsheit, dafs beide Werke von einander
abhängig sind, dafs die Platte des Rabenstein
nur eine erweiterte (Ganzfigur), jedoch künstle-
 
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