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Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

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Ewald, W.: Der Lettner von St. Maria im Kapitol zu Köln
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https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0170

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269

1903. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

270

sammenstellung der beiden Flügelstücke der
heutigen Orgelbühne würde man daher auch
hier in der Mitte vier Nischen erwarten. Da-
von sind jedoch nur mehr die Ansätze der
beiden äufseren vorhanden, während die beiden
mittleren bei der Umsetzung untergegangen
sind.

Von jenen zerstörten Nischen erblickt man
heute nicht unbedeutende Reste in der Para-
mentenkammer wie im Kirchgarten von St.
Maria im Kapitol.10) Aufserdem gehörte die
Figur der hl. Elisabeth im nörd-
lichen Seitenschiffe (neben dem
Eingange zur Paramentenkam-
mer) früher zum Lettner.

In welcher Folge die Reliefs
und Figuren am Lettner ur-
sprünglich geordnet waren, läfst
sich mit Sicherheit nicht mehr
ermitteln. Wahrscheinlich waren
in den zehn westlichen Nischen
die zehn Prophetenfiguren mit
ihren Schriftrollen aufgestellt,
gleichsam dem Volke die Heils-
lehre verkündigend. In den 14
östlichen Nischen standen die
Heiligenfiguren, von denen nun
eine verschollen ist. Als Pa-
trone der Hackenays erflehten
sie am Altare Gnade für die
freigebigen Stifter.

Aus Gelenius S. 329 erfah-
ren wir einiges Interessante über
die nähere Umgebung des Lett-
ners. Er berichtet uns, dafs
unter dem Lettner ein Altar ge-
standen habe, den ein vielbe-
wundertes Bild zierte.

Auf unserem Plane A (vergl.
Abb. 4) wird der Altar als Kreuzaltar näher
bestimmt. Eine Rechnung17) des „Franciscus
Funk subsenioris Diakoni und Baumeisters"
aus den Jahren 1630/31 enthält folgende Ein-
tragung: „Item in der heiligtumbfart gehabt
und verbrandt auff dem Creutzaltar vor unser
lieber Frawen bilt !» Waxkertzen."

Demnach stand auf dem Kreuzaltar ein
Marienbild. Es liegt nahe, hier an das herr-
liche Gemälde des Todes Mariens zu denken,
das der bereits oben erwähnte niederländische

") Auf einem Säulenstumpfe ein Zeichen M-
") Im Pfarrarchiv von St. Maria im Kapitol.

Abb. 5. Mutmafsliches Epitaph

der Familien Hackenay, später zur

Station umgeändert.

Maler zirka 1519 im Auftrage der Familien
Hackenay, Salm, Merle und Hardenrath für die
Kirche St. Maria im Kapitol anfertigte (jetzt in
der Pinakothek in München). Hinter jenem
Gemälde ragte das von Gelen seiner vielen
Wunder wegen hochgefeierte Kruzifix empor,
welches heute über dem Altare am nördlichen
Vierungspfeiler hängt.18) Weiterhin entnehmen
wir der Chronik des Hermann Weinsberg, dafs
Georg und Nicasius Hackenay in der Nähe
ihrer grofsartigen Stiftung zur letzten Ruhe be-
stattet waren.19)

Obgleich die Kunstwerke, die
im Auftrage der Familie Hacke-
nay entstanden, meistens Ar-
beiten aufserkölnischer Meister
sind, nehmen sie trotzdem eine
nicht zu unterschätzende Stel-
lung auch in der Kölner Kunst-
geschichte ein. Durch jene Ar-
beiten nämlich wurden vielfach
die kölnischen Meister mit
neuen Motiven bekannt ge-
macht, ihr künstlerisches Schaf-
fen bisweilen merkbar beein-
flufst.

Zum Beispiel darf der Mei-
ster vom Tode Mariens, den
wir bereits mehrfach erwähnten,
eigentlich nicht unter die Köl-
ner Maler gezählt werden. Er
ist nur kurze Zeit in Köln
geblieben; darauf ging er nach

Antwerpen zurück; später
scheint er in Italien gearbeitet
zu haben.

Für die Kölner Malerschule
ist er nur deshalb von Bedeu-
tung, weil er einen entschie-
denen Einflufs auf den tüchtigen Kölner Meister
Bartholomäus de Bruyn ausübte.20)

Am Hackenay'schen Palaste, dessen Plan
am kaiserlichen Hofe in Innsbruck entworfen
wurde, nehmen wir zum ersten Male in Köln
jenen zierlichen Treppenturm wahr, der für

18) Noch heute erblickt man am MittelslUck der
Orgelbuhne die Klammern, an denen die Kreuzbalken
befestigt waren.

"') Aus den bereits oben zitierten Stellen Weins-
berg 4, S. 23.

n) Karl Aldenhoven «Geschichte der Kölner
Malerschule« (Lübeck 1902) S. 309.
 
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