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Zeitschrift für christliche Kunst — 16.1903

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Kleinschmidt, Beda: Das Rationale von Toul
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https://doi.org/10.11588/diglit.4075#0174

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277

1903. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

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wieder in Nancy-Toul eingeführt ist. Es ist
ein verziertes Schulterband mit zwei kürzeren
Pendants auf der Brust und auf dem Rücken,
die rechts und links herabhängen. Wir sehen
diese Form zuerst auf einem Siegel des
Bischofs Bourlemont (1330 bis 1353) vom
Jahre 1341.18) Wie das Rationale in Bam-
berg und Eichstätt bereits frühzeitig, so er-
hielt es auch zu Toul auf den Schultern
eine schildförmige Verzierung, aber erst viel
später und einfacher. Auf dem Grabmale des
Bischofs Henri de Ville (f 1436) ist das
Rationale auf den Schultern mit kostbaren
Steinen in Form eines X verziert;19) auf an-
dern Monumenten hat diese Verzierung eine
runde Gestalt, um endlich in eine Art Epau-
letten überzugehen, die an dem Schulterbande
befestigt sind.

Diese fünfte Form hatte Kanonikus Lesane
vor Augen, als er in den „Statuta" der Touler
Kirche20) das Rationale also beschrieb: „Est stola
larga, fimbriata, circuiens desuper humeros,
cum duobus manipulis dimissis ante et retro,
et circa spatulas21) ex utraque parte in modum
scuti rotundi lapidibus pretiosis cooperti, qui
significant honorem et onus pastoris".

Nach dieser Beschreibung war das Rationale
in Toul im XV. Jahrh. ein breites, mit Fransen
versehenes Schulterband, das vorn und hinten
mit zwei manipelartigen Ansätzen, auf den
Schultern aber mit runden Schilden, Epauletten,
versehen und aufserdem mit kostbaren Steinen

18) Hundert Jahre früher kommt eine ähnliche
Form auf einem Siegel des Bischofs Roger von Marcey
vor, aber als Pelerine mit zwei Pendants auf der Brust,
dazwischen hängen drei Glöckchen. Robert, Si-
gillographie pl. V, Fig. 11.

'•) Vergl. Demarge, De'couvertes ä la cath£drale
de Toul in dem Journal de la societd d'arch£o)ogie
lorraine XLl (Nancy 1892) 197 st. De"marge glaubt,
die einfachere Form auf dem Denkmal Henris de
Ville, wo es nur ein schlichtes Band ist, entspreche
mehr der Wirklichkeit als die spätem komplizierten
Formen. Indes erklärt sich die Verschiedenheit aus
der Entwickelung unseres Ornatstuckes. Abbild, bei
Martin 1. I, p. 4<>9.

20) Statutorum insignis ecclesiae cathedralis Tul-
lensis vetusta collectio, a venerabili Nicoiao le Sanei
adornata et in capitulo generali Cinerum a. 1497 con-
firmota. Jetzt in der Mationalbibliothek in Paris (Ms.
10. 1019 du Fonds latin) fol. 87.

tl) Spalulae = scapulae. Martin I.e. schreibt
den P. Benoit verbessernd: . . . ante et retro et circa
spatulas; den Monumenten zufolge ist indes zu lesen:
• •. ante et retro, et circa spatulas.

verziert war. Die hier beschriebene Form und
Ausstattung sehen wir auch auf Denkmälern
jener Zeit, so auf einem um 1500 entstandenen
Denkmale des hl. Mansuetus in der Krypta der
Kathedrale.21) Der Heilige, in liturgischer Ge-
wandung, trägt über der Kasel eine Art Pele-
rine, die bis über die Schultern hinabreicht;
sie besteht aus zwei konzentrischen Kolliers,
das untere ist mit Fransen und vorn mit zwei
Pendants verziert; das engere Kollier zeigt die
Worte: Pater et Filius et Spiritus sanetus; mit
dem breiteren Kollier hängt es durch zwei
Epauletten zusammen. Eine ganz ähnliche
Form hat das Grabdenkmal des Bischofs Hugo
(j 1517), doch besteht es hier anscheinend nur
aus einem breiten Schulterband, woran sich
auch die Epauletten befinden.22) Man sieht aus
dieser Zusammenstellung, wie verschiedene
Stufen der Entwickelung das Rationale in Toul
durchmachen mufste, bevor es seine endgültige
Gestalt erhielt. In der Geschichte des Ra-
tionale überhaupt nimmt daher die Touler In-
signie eine wichtigere Stelle ein, als man ihr
bisher angewiesen hat.

3. Die Zeit, wann die Bischöfe von Toul
ihr uraltes Vorrecht preisgaben, läfst sich
mit ziemlicher Sicherheit feststellen. Das 1700
gedruckte Caeremoniale von Toul erwähnt noch
ausdrücklich, dafs dem Bischöfe bei der feier-
lichen Messe das Superhumerale — so wird
unsere Insignie in Toul richtiger genannt —
angelegt werde.23) De Vert schreibt 1708, der
Bischof habe sich ehemals des Rationale be-
dient.24) Auch Calmet spricht in einem Brief
vom 14. Januar 1726 an Montfaucon von dem
ehemaligen Gebrauch des Rationale oder
Superhumerale seitens des Bischofs von Toul.26)

Nach diesen Angaben hat also der Ge-
brauch des Rationale in Toul bis zu Anfang
des XVIII. Jahrh. bestanden. 1801 wurde das
Bistum Toul unterdrückt, aber bereits 1817
neu errichtet, jedoch um sofort mit Nancy ver-
einigt zu werden. Im Jahre 1851 hielt Bischof

") Abbild, bei Martin 1. c. p. 470. Das Denkmal
befindet sich in der Kirche Blenod bei Toul. De Vert,
Explication des ceremonies de l'eglise, II. pl. I, Fig. T>
bietet eine Abbildung des Rationale, welche im wesent-
lichen mit dieser letzten Form tibereinstimmt.

°) Vergl. Barbier de Montault in Mömoires
de 1» soci€t£ d'archeol. lorraine (1887) p. 191.

**) Explications sur les ceremonies de l'Eglise II,
(1708) 158.

**) Vergl. Roh au lt de Fl eury 1. c. p. 73, wo
dsr Brief vollständig abgedruckt ist.
 
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