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1903.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.
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3. Seit den Kreuzzügen macht sich seitens
der kirchlichen Behörden das Bestreben geltend,
den Gebrauch des Portatile, allmählich einzu-
schränken. Nur die Bischöfe sollten sich des-
selben noch allgemein bedienen dürfen. Doch
erhielten die Regularpriester mit Rücksicht auf
ihre ausgedehnten Missionsreisen die weit-
gehendsten Privilegien. So gestattete bereits
1221 Honorius III. den Dominikanern und
später auch den Franziskanern auf ihren Mis-
sionsreisen den Gebrauch des Portatile. GregorIX.
dehnte dieses Privilegium soweit aus, dafs die
genannten Regularpriester an jedem (ehrbaren)
Orte die hl. Messe celebrieren durften. Cle-
mens VII. gestattete 1530 sogar den Carme-
litern, in ihrer Gegenwart es auch andern
Priestern zu erlauben.27)
Auch angesehene Laien erhielten das Pri-
vileg des Tragaltares. So konzedierte Papst
Clemens V. 1305 den beiden altern Söhnen
des Königs Philipp IV. von Frankreich einen
Tragaltar zum Gebrauche der Hofkapläne.
Bereits im folgenden Jahre wurde diese Kon-
zession für den altern Sohn dahin ausgedehnt,
dafs er durch jeden Regulär- und Säkular-
priester auf dem Tragaltare die hl. Messe lesen
lassen konnte. Johannes XXII. erlaubte 1322
dem Könige Karl IV. und seiner Gemahlin,
selbst vor Tagesanbruch durch jeden Priester
auf einem Tragaltar die Celebration der hl.
Messe vornehmen zu lassen.28)
Die Säkularpriester bedurften seit dem
XIV. Jahrh. zum Gebrauche des Portatile der
Erlaubnis des Bischofs. So verbot bereits
1313 Bischof Gottfried von Minden seinen
Priestern unter Androhung der Exkommuni-
kation den Gebrauch des Tragaltares ohne
seine — des Bischofs — Erlaubnis.29) Auch
die Synode von Prag 1340 gestattete das
Portatile nur nach erlangter Erlaubnis des
Bischofs und dann müsse der Ort der Cele-
bration „windstill und sonst ungefährlich"
sein.30) Mancher, der den Tragaltar nur un-
*8) Vergl. Ducange •Glossarium* s. v. capella
(ed. Herschel) II, 125.
") Vergl. Gattico >De usu altaris portatilis,«
Romae (1746), c. 7, p. 392ss (als Anhang zu dem
Werke desselben Verfassers »De oratoriis privatis«).
Siehe auch Benedictus XIV. »De sacros. sacrificio
Missae«, 1. 3, c. 6, n. 3ss.
») »Annales archeologiques« XVI. (1856) 87.
») Hartzheim »Concilia« IV, 594.
W) He feie a. a. O., VI, 594.
gern entbehrte, erbat und erhielt in Rom durch
ein Privileg, was die Bischöfe allmählich ein-
schränken wollten. Dieses Privileg mufs sehr
oft nachgesucht und nicht immer mit Klugheit
benutzt worden sein. Wenigstens beschlofs die
Bischofsversammlung zu Burgos 1511, das
12. allgemeine Laterankonzil um Einschränkung
dieser häufigen Indulte zu ersuchen.81) Das
Konzil von Trient sah sich wegen einge-
schlichener Mifsbräuche veranlafst, die Bischöfe
zu ermahnen,32) in Privathäusern fortan die hl.
Messe nicht mehr zu gestatten. Durch diese
Anordnung wurde natürlich der Gebrauch
des Portatile sehr eingeschränkt; zudem wurde
auch für Privatoratorien die Ersetzung des Trag-
altares durch fi x e Altäre von den Synoden
vielfach angeordnet,34) z. B. Mecheln (1570),
Trient (1520), Brixen (1603).35)
Paderborn. Beda Kleinschmidt, O.F.M.
31) Ebend. VIII, 467. ■
32) Wie weit einzelne Bischöfe in der Erteilung
des Privilegs gingen, zeigt die Erlaubnis des Bischofs
Johann von Leslau an die Katsfamilien von Danzig
im Jahre 1456, sich überall des Tragaltars bedienen
zu dürfen, selbst an Orten, die mit dem Kirchen-
banne belegt waren. Vergl. Hinz »Marienkirche zu
Danzig«. (1870) 8. 41 '.
m) Concil. Trident. Sess. 22.
3i) Hartzheim 1. c. VII, 616. VIII, 413. 51<*.
3'') Im kirchlichen Sprachgebrauch versteht man
in striktem Sinne unter fixem Altar nur jenen, dessen
Aufbau und Platte aus Stein angefertigt und zu einer
Einheit verbunden sind; derselbe mufs ferner unbeweg-
lich an seinem Platze stehen bleiben und die Weihe
durch den Bischof erhalten haben. Wo eins von
diesen Requisiten fehlt, haben wir nicht einen fixen,
sondern einen tragbaren Altar. In diesem Sinne wären
selbst die Altarkolosse des Barock und Rokoko, wenn
sie die Weihe nicht erhalten haben, als Tragaltäre
(in weiterem Sinne) zu bezeichnen. Wir nehmen in
unserer Abhandlung das Wort Tragaltar im engeren
Sinne. Vergl. Schwarz im »Archiv für christliche
Kunst« I (1883), 18 ff. Kleinerer tragbarer Altäre be-
dienen sich bekanntlich auch jetzt noch die Missionäre.
Am 30. März 1902 wurden dem Papste Leo XIII. 32
Reisealtäre für orientalische Riten überreicht (50 X
32 cm). Es sind dies kleine Koffer mit allen für die
Celebration der Messe notwendigen Utensilien (auch
Paramente), die in wenigen Minuten zu Altären ein-
gerichtet werden können. — Abbildungen s. in der
„Welt" V (1902') 66. — Die griechische Kirche be-
dient sich statt des Tragaltares des sog. Antimen-
siums, d. h. eines viereckigen, vom Bischof ge-
weihten Seidentuches. In der Mitte des Tuches ist
die Grablegung Christi, in den vier Ecken sind die
Evangelisten dargestellt, auch werden wohl Heiligen-
reliquien in dasselbe eingenäht.
1903.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.
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3. Seit den Kreuzzügen macht sich seitens
der kirchlichen Behörden das Bestreben geltend,
den Gebrauch des Portatile, allmählich einzu-
schränken. Nur die Bischöfe sollten sich des-
selben noch allgemein bedienen dürfen. Doch
erhielten die Regularpriester mit Rücksicht auf
ihre ausgedehnten Missionsreisen die weit-
gehendsten Privilegien. So gestattete bereits
1221 Honorius III. den Dominikanern und
später auch den Franziskanern auf ihren Mis-
sionsreisen den Gebrauch des Portatile. GregorIX.
dehnte dieses Privilegium soweit aus, dafs die
genannten Regularpriester an jedem (ehrbaren)
Orte die hl. Messe celebrieren durften. Cle-
mens VII. gestattete 1530 sogar den Carme-
litern, in ihrer Gegenwart es auch andern
Priestern zu erlauben.27)
Auch angesehene Laien erhielten das Pri-
vileg des Tragaltares. So konzedierte Papst
Clemens V. 1305 den beiden altern Söhnen
des Königs Philipp IV. von Frankreich einen
Tragaltar zum Gebrauche der Hofkapläne.
Bereits im folgenden Jahre wurde diese Kon-
zession für den altern Sohn dahin ausgedehnt,
dafs er durch jeden Regulär- und Säkular-
priester auf dem Tragaltare die hl. Messe lesen
lassen konnte. Johannes XXII. erlaubte 1322
dem Könige Karl IV. und seiner Gemahlin,
selbst vor Tagesanbruch durch jeden Priester
auf einem Tragaltar die Celebration der hl.
Messe vornehmen zu lassen.28)
Die Säkularpriester bedurften seit dem
XIV. Jahrh. zum Gebrauche des Portatile der
Erlaubnis des Bischofs. So verbot bereits
1313 Bischof Gottfried von Minden seinen
Priestern unter Androhung der Exkommuni-
kation den Gebrauch des Tragaltares ohne
seine — des Bischofs — Erlaubnis.29) Auch
die Synode von Prag 1340 gestattete das
Portatile nur nach erlangter Erlaubnis des
Bischofs und dann müsse der Ort der Cele-
bration „windstill und sonst ungefährlich"
sein.30) Mancher, der den Tragaltar nur un-
*8) Vergl. Ducange •Glossarium* s. v. capella
(ed. Herschel) II, 125.
") Vergl. Gattico >De usu altaris portatilis,«
Romae (1746), c. 7, p. 392ss (als Anhang zu dem
Werke desselben Verfassers »De oratoriis privatis«).
Siehe auch Benedictus XIV. »De sacros. sacrificio
Missae«, 1. 3, c. 6, n. 3ss.
») »Annales archeologiques« XVI. (1856) 87.
») Hartzheim »Concilia« IV, 594.
W) He feie a. a. O., VI, 594.
gern entbehrte, erbat und erhielt in Rom durch
ein Privileg, was die Bischöfe allmählich ein-
schränken wollten. Dieses Privileg mufs sehr
oft nachgesucht und nicht immer mit Klugheit
benutzt worden sein. Wenigstens beschlofs die
Bischofsversammlung zu Burgos 1511, das
12. allgemeine Laterankonzil um Einschränkung
dieser häufigen Indulte zu ersuchen.81) Das
Konzil von Trient sah sich wegen einge-
schlichener Mifsbräuche veranlafst, die Bischöfe
zu ermahnen,32) in Privathäusern fortan die hl.
Messe nicht mehr zu gestatten. Durch diese
Anordnung wurde natürlich der Gebrauch
des Portatile sehr eingeschränkt; zudem wurde
auch für Privatoratorien die Ersetzung des Trag-
altares durch fi x e Altäre von den Synoden
vielfach angeordnet,34) z. B. Mecheln (1570),
Trient (1520), Brixen (1603).35)
Paderborn. Beda Kleinschmidt, O.F.M.
31) Ebend. VIII, 467. ■
32) Wie weit einzelne Bischöfe in der Erteilung
des Privilegs gingen, zeigt die Erlaubnis des Bischofs
Johann von Leslau an die Katsfamilien von Danzig
im Jahre 1456, sich überall des Tragaltars bedienen
zu dürfen, selbst an Orten, die mit dem Kirchen-
banne belegt waren. Vergl. Hinz »Marienkirche zu
Danzig«. (1870) 8. 41 '.
m) Concil. Trident. Sess. 22.
3i) Hartzheim 1. c. VII, 616. VIII, 413. 51<*.
3'') Im kirchlichen Sprachgebrauch versteht man
in striktem Sinne unter fixem Altar nur jenen, dessen
Aufbau und Platte aus Stein angefertigt und zu einer
Einheit verbunden sind; derselbe mufs ferner unbeweg-
lich an seinem Platze stehen bleiben und die Weihe
durch den Bischof erhalten haben. Wo eins von
diesen Requisiten fehlt, haben wir nicht einen fixen,
sondern einen tragbaren Altar. In diesem Sinne wären
selbst die Altarkolosse des Barock und Rokoko, wenn
sie die Weihe nicht erhalten haben, als Tragaltäre
(in weiterem Sinne) zu bezeichnen. Wir nehmen in
unserer Abhandlung das Wort Tragaltar im engeren
Sinne. Vergl. Schwarz im »Archiv für christliche
Kunst« I (1883), 18 ff. Kleinerer tragbarer Altäre be-
dienen sich bekanntlich auch jetzt noch die Missionäre.
Am 30. März 1902 wurden dem Papste Leo XIII. 32
Reisealtäre für orientalische Riten überreicht (50 X
32 cm). Es sind dies kleine Koffer mit allen für die
Celebration der Messe notwendigen Utensilien (auch
Paramente), die in wenigen Minuten zu Altären ein-
gerichtet werden können. — Abbildungen s. in der
„Welt" V (1902') 66. — Die griechische Kirche be-
dient sich statt des Tragaltares des sog. Antimen-
siums, d. h. eines viereckigen, vom Bischof ge-
weihten Seidentuches. In der Mitte des Tuches ist
die Grablegung Christi, in den vier Ecken sind die
Evangelisten dargestellt, auch werden wohl Heiligen-
reliquien in dasselbe eingenäht.