Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

DOI Artikel:
Firmenich-Richartz, Eduard: Passionsbilder des Quinten Massys
DOI Artikel:
Graus, Johann: Die Doppelkapelle im Schloß Tirol bei Meran
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0017

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1907. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

Die Flügelbilder in ihrer köstlichen Fein-
heit der Detailmalerei, der sinnigen Anmut
ein wenig befangener Gestalten erinnern da-
neben an die zierlichen Halbfiguren, St. Johan-
nes Ev. und Sta. Agnes in der Sammlung von
Carstanjen zu Berlin. Der milde Greis St.
Hieronymus als Kardinal im Purpurornat emp-
fiehlt mit aufwärts zum Kreuze hingewandtem
bärtigen Haupte den inbrünstig betenden
Donator in schwarzem Habit. Hinter der
knienden, freundlich-behäbigen Stifterin steht
seltsam wie eine Wundererscheinung Maria
Aegyptiaca, die Freundin einsamer Wildnis,
nur von ihrem herabwallenden Haupthaar um-
hüllt, in der Hand drei Brote. Die reizvollen
malerischen Einzelheiten im Hintergrund bei-
der Tafeln, das weithin sich dehnende wellige
Hügelland, der dunkle Wald, Triften mit
Schafherden, ein ragendes Felsentor und die
Stadt an der belebten Flußwindung gereichen
dem vielseitigen Maler zur hohen Ehre, aber
es ist diesmal nicht der Landschafter Joachim
Patinir, mit dem sich Massys sonst gelegent-
lich verband, auch scheint es ungewiß, ob eine
Arbeitsteilung vorliegt. Eine letzte eigenhän-
dige Umbildung der Kreuzigung-Komp osition
wesentlich verändert, mit umgestellten Figuren
besitzt die Londoner National-Gallery Nr. 715.

Alle übrigen Varianten, die ich untersuchte,
haben keinen Anspruch auf Originalität. Das
Altarwerk in der Galerie Harrach in Wien
Nr. 51,6) aus der Kirche zu Rohrau stammend,
in der Sammlung des Erzherzogs Leopold

6) Gustav Glück: „Beiträge zur Gesch. Antwerpner
Malerei im XVI. Jahrh." — »Jahrbuch der kunsth.
Samml. d. A. H. Kaisershauses« XXII. (1901) S. 6.

Wilhelm 1659 als „Holbein" bezeichnet,
ist die Arbeit eines Nachahmers, kräftig und
hell in den Farben, kühl-graulich im Ton der
Fernen. Die Figurengruppe im Mittelbild er-
scheint allzu gedrängt und gleichwertig. Zu
den Gestalten des Triptychon Mayer van den
Bergh kommen noch die verrenkten Körper
der Schacher an den Kreuzen, rechts zwei
Reiter im Gespräch und links sich anschließend
eine weitere klagende Frau. Die Flügel nehmen
rechts Sta. Helena in hellblauem Mantel, das
heilige Kreuz hochhaltend, vor offener Küsten-
landschaft, links die Gruppe Annaselbdritt
unter einem Baum vor einem Bauerngehöft
ein. Ebenso rührt das stark übermalte Altar-
werk in der Brüsseler Galerie Nr. 583 (85)
von fremder Hand her; das Bild der Münchener
Pinakothek Nr. 140 ist nur eine fleißige, hart-
umrissene Schulkopie nach dem Exemplar der
Liechtensteiner Galerie. Der Eindruck dieser
Erfindung läßt sich noch weiterhin verfolgen,
auch Joos van Cleef und selbst Barthel Bruyn
standen im Schatten des gewaltigen Quinten
Massys, als sie es unternahmen, aufs neue die
Kreuzigung Christi zu schildern.7)

Bonn. E. Firme nich-R ichartz.

7) Auf Richtung und Vorbild des Q. Massys gehen
ferner an Passionsszenen noch zurück: das Bild des
„Ecce homo" in Halbfiguren im Dogenpalast zu Vene-
dig, Kopien ebendort im Museo Correr Nr. 67 und
der Münchener Pinakothek Nr. 135, „die Beweinung
des Leichnams Jesu" in der Sammlung Dr. Virnich zu
Bonn, die Pietä in Antwerpen Nr. 565, Loewen, im
Dom zu Krakau, die Schmerzensmutter umgeben von
sechs Medaillons mit bibl. Szenen in der Kgl. Gemälde-
Galerie zu Brüssel Nr. 300 (48) und die Kreuzabnahme
im "Wallraf-Richartz-Museum zu Köln Nr. 433.

Die Doppelkapelle im Schlote Tirol bei Meran.

(Mit 4 Abbildungen.)

u den beliebtesten Ausflugszielen des
weltbekannten Kurortes der Tiroler
Bergwelt zählt wohl das Schloß
Tirol, dessen schlichtes Gemäuer
vom hohen Felsenriff hinabschaut ins üppige
Weingelände und die überaus reiche Vegetation
des herrlichen Talgrundes. Das trutzende Wesen,
das ihm als ritterlicher Wehrburg einst eigen
war, ist nun im Wechsel der Zeiten seinem
Äußern entschwunden zugunsten einer harm-
losen, behäbigen Wohnlichkeit, und der Wart-
turm welcnen neuestens seine jetzige Inhabung

an ihm in die Höhe baut, wird hier kaum mehr
viel mittelalterliches Gepräge zuwege bringen.
Die Ehrwürdigkeit eines hohen Alters kann dem
Schlosse nicht streitig gemacht werden. Zum
Jahre 1080 erscheint urkundlich ein Adalbert L,
Graf zu Tirol. Hier residierten der Reihe alle
die Landesfürsten, bis 1363 der Habsburger
Herzog Rudolf IV. die Herrschaft antrat und
das Schloß auch weiter noch landesfürstlicher
Besitz verblieb. Nach dem kurzen Intermezzo
der bayrischen Herrschaft über Tirol, welche
dieses Stammschloß verschacherte, fand die
 
Annotationen