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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Schönermark, Gustav: Das Fußbrett am Kreuze Christi
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0058

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77

1907. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

78

Das Fufsbrett am Kreuze Christi.

(Mit 7 Abbildungen.)

ie in Band III, Sp. 197/200 dieser
Zeitschrift dargelegt ist, bedeutet
das Fußbrett am Kreuze Christi
ursprünglich dasselbe, was es auch
sonst unter den Füßen bildlich dargestellter
Personen um 600, welcher Zeit die ersten
Kruzifixe angehören, zu bedeuten hat, näm-
lich eine Auszeichnung, Hervorhebung, sicht-
bare Würdigung des darauf Stehenden. Den
ältesten Kreuzi-
gungs b il dern
fehlt es; sie wol-
len'unserer Ansicht
nach — Band XIX,
Sp. 98 — den ge-
schichtlichen Vor-
gang der Hinrich-
tung Christi mög-
lichst geschichts-
treu wiedergeben,
aber noch nicht
das Dogma von
der Erlösung der
Menschen formal
ausdrücken; sie sind
also eigentlich noch
keine Kruzifixe.

Unseres Wis-
sens befindet sich
das Fußbrett zu-
erst auf jenem jetzt
noch in Monza auf-
bewahrten Brust-
kreuze, welches ein
Stück vom Kreuze
Christi birgt und

vom Papste Gregor dem Großen der Longobar-
denfürstin Theodolinde geschenkt wurde. Auf
der Vorderseite des Kreuzes sieht man die erste
Darstellung Christi am Kreuze, welche das Er-
lösungsdogma bedeutet, also den ersten wirk-
lichen Kruzifixus bildet. Das Fußbrett hat die
Form einer an den Seitenflächen mit Ranken-
werk gezierten Fußbank (Abb. 1). Auf ihr
steht der Heiland vor dem Kreuze zwar mit
ausgebreiteten Armen und mit Nägeln in
Händen und Füßen, aber seine Haltung und
seine offenen Augen lassen ihn nicht leidend
erscheinen. Durch seine Bekleidung mit einem
langen, ärmellosen Gewände scheint geradezu

mit Absicht vermieden, die Widerlichkeit des
eigentlichen Vorganges in Erinnerung zu
bringen, während solche Erinnerung bei den
ältesten Kreuzigungsbildern mit Absicht ge-
schehen ist durch einen bis auf ein schmales
Lendentuch unbekleideten Körper Christi, ent-
sprechend der Art, die bei Kreuzigungen üblich
war. Das Fußbrett dient im besonderen mit da-
zu, den Eindruck der bildlichen Wiedergabe eines

leidenden oder gar
am Kreuze gestor-
benen Gottes zu
mildern, gegen wel-
che sich die aus
der Antike herrüh-
rende Abneigung
noch immer nicht

verloren hatte.
Noch am Kreuze
suchte man den
Heiland auszu-
zeichnen. Je mehr
der noch im Hei-
dentum wurzelnde
Gottesbegriff im
Laufe der Zeit
schwand, um so
mehr geriet auch
der ursprüngliche
Sinn des Fußbret-
tes in Vergessenheit
oder erfuhr doch
Wandel. Diesen
Wandel können wir

freilich nicht
schrittweise ver-
folgen, denn es haben sich nicht genügend
viele Beispiele erhalten, woran zum Teil wohl
auch die Ikonoklasten schuld sind. Wir müssen
uns bescheiden, ihn an einigen weiter auseinander
liegenden Beispielen darzulegen.1) Der Gedan-
kengang wird dennoch klar genug hervortreten.

Abb. 4.

1) Nicht jedes spätere Beispiel zeigt gegenüber
einem früheren eine Neuerung. Die Verfertiger sind
nicht immer geistreiche Leute gewesen, sondern haben,
wie es auch heute noch geschieht, gar oft wieder-
holt, was die geistreichen vor ihnen dargestellt hatten.
Wir geben also nur solche Beispiele, an denen sich
der Fortschritt zeigt. Der aus unseren Beispielen
hervorgehende Gedankengang wird durch alle anderen
im einzelnen nur noch mehr bestätigt werden.
 
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