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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Schnütgen, Alexander: Zwei Monstranz-Entwürfe romanischen Stils
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0023

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19

1907. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

20

Zwei Monstranz-Entwürfe romanischen Stils.

(Mit 2 Abbildungen.)

\ls es sich vor kurzem um
\ die Beschaffung einer
Monstranz romanischen
\ Stils für die neue Sions-
kirche in Jerusalem
\handelte, wurden mir
mehrere Pläne zur
Ijjf^j^JBegutachtung vor-
gelegt. Mit kei-
nem derselben konnte ich mich befreunden,
weder vom Aufbau noch von der Ornamentation
befriedigt, aber betonend, daß die Lösung be-
sondere Schwierigkeiten biete.

Als mich bald darauf Wilhelm Mengel-
berg besuchte, besprach ich mit ihm diese
Angelegenheit, und wir verständigten uns über
folgende für die Entwürfe sich ergebenden
Gesichtspunkte.

Die vielfach übliche Verwendung der den
Rokokomonstranzen entlehnten runden oder
paßartigen Scheibenformen dürfte sich
für Reliquiare, denen bei ihrer liturgischen
Gebrauchsart die flache Vorderseite genügt,
empfehlen, aber nicht für eine Monstranz, die
eine Art von Thron darstellen, daher mit
Baldachin geschmückt sein sollte.

Aus demselben Grunde würde auch die flache
Kreuzform zu beanstanden sein; ihre Mittel-
kapsel würde wohl für eine Kreuzpartikel aus-
reichen, aber nicht recht für die hl. Hostie. Die
Anwendung dieser Form würde nach der einen
oder nach der anderen Seite — als Kreuz
oder als Scheibe — eine Verkümmerung zur
Folge haben.

Die durch die Gotik und ihr überfließendes
Bedürfnis nach architektonischen Gliederungen
für die Monstranz fast zur Regel gewordene
(dem Ciborium entnommene) Zylinderform
hat zu den mannigfaltigsten Gestaltungen ge-
führt, die trotz aller Reize des Aufbaues, als
durchaus befriedigend nicht bezeichnet werden
können, etwa mit Ausnahme der seltneren
Fälle, in denen eine runde Kapsel als Behältnis
für die hl. Eucharistie in das architektonische
System Aufnahme gefunden hat, wie bei den
hier Bd. XII, Sp. 225 ff. und Bd. XV, Sp. 23 ff.
abgebildeten und beschriebenen Exemplaren,

In den schweren Formen der ro-
manischen Architektur, die vornehmlich

in der Gruppenbildung ihre Wirkung zu suchen
hat,- würde aber eine Monstranz (ganz abge-
sehen von der Gewichtsgrenze, in der sie
zu halten ist) kaum zur Lösung gebracht, der
hl. Hostie der ihr gebührende Mittel- und
Kernpunkt nicht verschafft werden können. —
Die Lösung dürfte daher zunächst zu erstreben
sein auf dem Wege des von einem Fuße ge-
tragenen Behältnisses oder Schreines, um den,
als den Mittelpunkt, als den Thron, der Dekor
sich zu entfalten hätte, in der Gestalt seit-
lichen Anhängsels und baldachinartiger Be-
krönung.

Als schaugefäßliche Konstruktion
könnte vielleicht dieser Lösungsversuch be-
zeichnet werden, von dem ich hier als Abb. 1.
eine mit der Feder hingestrichene Skizze vor-
lege, zunächst bemerkend, daß für die Höhe
62 cm, für die Breite 21 cm vorgesehen sind,
für die Kapsel 10 cm als Durchmesser, 4 bis 6 cm
als Tiefe.

Aus dem etwas schweren, runden Fuß ent-
wickelt sich der Ständer, über dem Knauf in
Quadronen allmählich den Übergang zur Fläche
findend für den rechteckigen konsolenartigen
Träger, den in der Mitte ein kniender Engel
mit dem dreimal Heilig schmückt, auf den
Ecken eine herunterhängende Konsole als die
seitliche Stütze für das quadratische Schau-
gefäß. Dieses ist ringsum kräftig eingefaßt
von abwechselnd filigranierten und emaillierten
Streifen. Die Mittelkapsel mit der von einem
Seraphim als dem privilegierten himmlischen
Thronwächter gehaltenen Lunula ist von einer
Emailborte (Gold auf blauem Grunde) um-
kreist, und niellierte Evahgelistensymbole ver-
zieren die Zwickel. Den seitlichen Abschluß
bilden die mächtigen Standfiguren der beiden
Apostelfürsten, die mit ihrer sehr dekorativ
auslaufenden baldachinartigen Bekrönung eine
vorzügliche Silhouette abgeben, ohne das Mittel-
glied abzuschwächen. — Über diesem wölbt
sich, als Zierbaldachin für den Thron,, ein
schlanker Kleeblattbogen mit der emaillierten
Umschrift: COR-IESV- CAR]TATIS- VIC-
TIM AM- VENITE- ADOREMVS, wie mit
kräftigem Blattfries. Seine Füllung besteht in
energisch gravierten Niellen, die das heiligste
Herz, den auf dem Regenbogen in der Strahlen-
mandorla sitzenden Heiland darstellen, mit
Engelbildern: — QVIS ■ NON■ REDAMET
 
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