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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Graus, Johann: Die Doppelkapelle im Schloß Tirol bei Meran
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0022

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1907. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

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statue der Gotik vom Beginne des XV. Säkulums.
Weit wertvoller und wahrhaft schön ist ein
erst in neuerer Zeit eingebrachter und aus
einem Tiroler Bauernhause erkaufter Schrein
eines alten Flu gel alt ar es (Fig. 4), der nach
semer Restaurierung auf einem der zwei Seiten-
altäre des Untergeschosses aufgestellt wurde.
Drei Statuen füllen den von zarten Laubranken
umwobenen Schrein, die der hl. Barbara mitten
zwischen denen zweier hl. Bischöfe, Martinus
und Vigilius, edle Gestalten, umwallt von
reichfaltigen Gewän-
dern. Der Titelheili-
gen des Altares zu
Füßen halten zwei
kniende Engelchen die
Attribute, Turm und
den Kelch mit der
Hostie, empor; zwei
weitere Brustbilder
werden in einer Ni-
schenvertiefung hinter
Ar sichtbar, ihren Hof-
staat zu bilden. Die
architektonischen Glie-
^r der Krönung über
der Schreingruppe sind
'Vle ^ Fluß und
Schwung geraten, und
dichtes vegetabilisches
Gesprosse schmiegt
sich daran und erfüllt
ihre Intervalle. Das
Altärchen, freilich nicht
komplett, da Flügel,
Predella und Hoch-
gestänge fehlen, wird
kaum vor 1510 ent-
standen sein und ist jedenfalls eine Leistung
der besten unter den Bozener Werkstätten, die
nach Michel Pacher für die weiten Kreise der
Umgebung arbeiteten. In Hinsicht aufs Orna-
ment und auf das Figurale sind Überein-
stimmungen mit den südtirolerischen Altären
der Franziskanerkirche in Bozen, von Pinzon,
yon St. Valentin zu Vilnöß unverkennbar.

Endlich haben die Restaurationsunterneh-
mungen hier auch zur Entdeckung von Wand-
malereien geführt, und diese wurden nach
T«nlichkeit freigelegt und wieder belebt. Sie
erfüllen die Wände der beiden Apsiden und
Zeigen in der unteren gemalte gotische Nischen

mit Heiligen-Figuren. In langer Reihe sieht
man eine hl. Jungfrau, einen Apostel mit Schwert
und Buch, zwei Bischöfe und Propheten. Der
Kreis über diesen Nischen und unter der Decke
besteht aus Halbkreisfeldern, dem Rundbogen-
fries ähnlich gezeichnet und schreitende Tier-
gestalten darin. Nicht sehr verschieden ist die
Malerei der oberen Apsis, in deren Nischen-
feldern drei hl. Jungfrauen mit Lampen in den
Händen, eine Kreuzgruppe, Maria mit dem
Christkind und ein König zu sehen sind.
Auch im Schiff gibt
es derlei Malfelder,
wie in einer viereckigen
ornamentalen Umrah-
mung hinter einem
SeitenaltareeineKreuz-
gruppe und einen gro-
ßen St Christoforus
an der Schlußwand.
Sämtliche Malereien
dürften im Laufe des
XIV. Jahrh. entstanden
sein; neben den goti-
schen sind auch Motive
des romanischen Stils
in dem Ornamentalen
noch mitverwendet
worden. In dieser Ka-
pelle aber, welche dem
hl. Pankratius geweiht
ist, wird regelmäßig
durch einen eigens hier
angestellten Kuratbe-
nefiziatpriester die hl.
Messe gefeiert; das
Patronat der Pfründe

Abbildung 4. Schlofskapelle Tirol, Barbaraaltar. steht dem Landes-

fürsten zu, der Pfarreinteilung nach ist sie
zuständig zum Dorf Tirol, dessen hübsche
Kirche nahe liegt am selben üppig mit Wein
bepflanzten Hügelzuge. — Weiter geht's von hier
ins Etschtal hinab zum Stadtbezirk Meran,
dein glücklichen Boden, ergiebig für die Kultur,
fruchtbar auch fürs Kunstleben vergangener
Zeiten. Kirchen und Schlösser und auch das
neugegründete Museum bewahren alte gotische
Altar-Statuen treuherziger, religiöser Weise in"
erquickender Menge, Zeugen heimischer Tätig-
keit, die von Süddeutschland herüber Charakter
und Hebung gewann.

Graz. Johann Graus.
 
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