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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Schnütgen, Alexander: Spätgotisches Medaillon-Glasgemälde vom Niederrhein
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0033

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Abhandlungen.

der Konturen,
der Jungfrau

Spätgotisches Medaillon-Glasgemälde
vom Niederrhein.

U-n£) (Mit Abbildung, Tafel II.)

is altem Werdener Privat-
besitz ist vor etwa 15
Jahren das hier abgebil-
dete Glasgemälde von
24 cm Durchm. in meine
Sammlung übergegangen.
Die weißliche Scheibe
hat zahlreiche Bläschen
und mehrere Wärzchen.
Die Zeichnung ist mit
dunkelgrauem Schwarz-
1 o t aufgetragen; die Linien
die'tieferen Schatten im Mantel
und in dem anschließenden
schweren Gefält, namentlich der Schlagschatten
zu Füßen des Engels zeigen denselben, das
Ganze beherrschenden und die Einheitlichkeit
der Wirkung vorwiegend verursachenden Ton,
mit dem die hellen Lichter vortrefflich kontra-
stieren. Die Karnationsteile haben eine etwas
wärmere, entfernt ins Rötliche anklingende
Färbung, die Lippen intensiv rotes Kolorit.
Im übrigen wird die Scheibe, von den Eisen-
rotpartien oben links abgesehen, ausschließlich
vom Silbergelb beherrscht. In den ver-
schiedensten Nüancierungen vom hellsten Gelb
bis zum satten Braun reichlichst vertreten, ver-
leiht es dem anmutigen Medaillon neben dem
Silberton, den dieses ausstrahlt, einen mannig-
faltigen Goldschimmer. Ganz hell leuchten die
quadratischen Fliesen des Fußbodens, ebenso
die zarten, schwach konturierten Lilienstengel,
wie die Haare der Jungfrau, deren Wellen-
züge, durch Schwarzlot gebildet, vorzüglich
wirken, ähnlich dem Lockenkopfe des Engels.
In wärmerem Goldton ist der ganz schwach
dessinierte Nimbus gehalten, ebenso der Schnitt
des Buches, wie das Bortenwerk an den Ge-
wändern und an der sonstigen Draperie. Noch
etwas tiefer ist das Ornament an der Blumen-
vase gestimmt, sowie der rautenförmig ge-
musterte Innenbehang am Bett, von dem sich
die Inschrifttafel durch ihre ganz lichte Gold-
fassung um so besser abhebt. Die oben schwe-

bende Taube verdankt dem ganz hellen Kopf-
nimbus und der dunkleren, dazu strahlen-
förmigen Aureole ihren starken und doch
durchaus harmonischen Eindruck, ähnlich den
plastisch wirkenden Engelsflügeln. — Die Ziegel-
architektur, die als Abschlußmauer den Hinter-
grund bildet, ist durch die als schwaches,
weil dünn aufgetragenes Eisenrot aufgeschmol-
zene Schicht bewirkt. Diese neue Schmelzfarbe
taucht bekanntlich, als erster Emailton in der
Glasmalerei, gegen Schluß des XV. Jahrh. auf,
so daß das vorliegende Scheibchen zu den
frühesten Vertretern dieser Technik zählen
dürfte, die mit den bald ihr folgenden Skala
von Blau, Grün, Violett der Glasmalerei des
XVI. und XVII. Jahrh. einen ganz anderen
Charakter verleiht, nicht nur im engeren Rah-
men der Kabinettsbilder, sondern noch mehr
auf dem weiteren Felde des Appretur Verfahrens.
Die Heimat dieser Scheibe ist wohl am
Niederrhein zu suchen, worauf die auf flan-
drischen Einfluß zurückzuführende Zeichnung
bestimmt hinweist. Stark ist ihre Verwandt-'
schaft mit dem (von Lützow: „Der deutsche
Kupferstich und Holzschnitt" Seite 50 abgebil-
deten) Kupferstich der Verkündigung, dessen
Chiffre F V B gewöhnlich als Franz von Bocholt
gedeutet wird. Hier eine sehr ähnliche An-
ordnung des Interieurs und der beiden Figuren,
die namentlich in der Faltengebung der reich
flottierenden Gewänder manche Analogien
zeigen, aber auch in den Bewegungen, dem
Gesichtsausdruck, den Händen. Daß derKupfer-
stich einen etwas herberen, altertümlicheren
Charakter hat, daß auf ihm die Schraffuren
stärker vorwiegen, die Details mehr betont sind,
liegt in der Verschiedenheit der Techniken
begründet, wie in dem etwas späteren Ur-
sprung der Scheibe. Dieselbe könnte auch
unter dem Einflüsse des Jan Joest von Kaikar
entstanden sein, der für Werden einen, leider
verloren gegangenen, Altar malte. Da auf diesen
Altären die Verkündigungsszene mit Vorliebe
dargestellt wurde, so mag eine solche einem
Werdener Klosterbruder als unmittelbares Vor-
bild willkommen gewesen sein in einer Zeit, in
der die Glasmalerei aus dem klösterlichen
Kunstbetrieb noch nicht ganz verschwunden war.

S chnütgen.
 
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