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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Kleinschmidt, Beda: Zwei mittelalterliche Elfenbeinkämme
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0035

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1907. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

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unnatürlich ausgefallen ist. Zwischen Maria
und Johannes knien unmittelbar neben dem
Kreuze links Longinus, rechts Stephaton mit
Lanze und Schwamm, beide mit hochgeschürz-
ter Tunika und Sagum bekleidet. Das Sagum
ist in gefällige Falten gelegt, die Tunika des
Stephaton unten ausgezackt. Einen Unter-
schied hat der Schnitzer auch in der Haar-
und Barttracht gemacht. Während Stephaton
perückenartiges, gestricheltes Haupthaar und
glatten Bart trägt, ist das Haar des Longinus
gelockt oder gekräuselt, der Bart in kurzen
Strähnen gebildet, wie
es auch später noch
in der französischen
Großplastik uns häu-
figer begegnet. Den
seitlichen Abschluß
dieser ganzen Gruppe
bildet je ein Baum mit
akanthusartigen Blät-
tern. Darüber und
neben den Sonnen-
und Mondbildern ist
eine achtblätterige,
durchbrochene Ver-
zierung in Form der
Rose angebracht, über
welcher auf jeder Seite
ein Engel steht und
sich mit dem Gestus
und Ausdrucke des
Schmerzes und der
Verehrung tief zum Ge-
kreuzigten hernieder-
beugt. In antiker Ge-
wandung, mit bloßen

Füßen, sind sie verhältnismäßig groß, ihre
mächtigen Flügel ragen nach oben in das schön
verzierte Laubwerk hinein, das an dem rechten
Teile eine Beschädigung erlitten hat. Auch
bei den Engeln hat der Schnitzer einen Unter-
schied in der Haartrach t gemacht. Als Seitenab-
schluß des Kammes ist das Akanthusblatt be-
nutzt, das sich auch auf den beiden dicken
Eckzähnen fortsetzt. Die hier zum erstenmale
abgebildete Rückseite zeigt das gleiche Blatt-
motiv. Mit kräftigen Stengeln und großzügigen
Blättern ist die ganze Rückseite in schönster
Weise ausgefüllt.

Was nun die Provenienz und das Alter
des Kammes anlangt, so glaubte Bock, der
ihn zuerst genauer beschrieb, es sei eine

Abbildung 1.

italienische Arbeit, und Erzbischof Heribert
habe ihn auf einem seiner Züge aus Italien
in die Heimat mitgebracht. Zu dieser An-
sicht bestimmte ihn wohl nur der von der
Tradition mit dem Kamme verknüpfte Name
des großen Kölner Erzbischofes (t 1021). Tat-
sächlich war damals wohl kaum ein italie-
nischer Schnitzer befähigt, eine so feine Arbeit
zu liefern. Wir haben hier also dieselbe Er-
scheinung, die auch einzelne andere Kämme
ganz falsch datieren ließ, am auffallendsten
den Kamm des hl. Lupus von Sens (f 623),
der in Wirklichkeit
erst dem XII. Jahrh.
angehört. Es ist nicht
' ausgeschlossen, viel-
mehr wahrscheinlich,
daß auch Heribert
sich unseres Kammes
bediente, zumal er
unter den Reliquien
des Heiligen aufbe-
wahrt wurde und von
Deutz nach Köln her-
überkam.4)

Bode und in An-
schluß an ihn Fr. X.
Kraus haben ihn der
sächsischen Schule zu-
geschrieben, zu der
nach letzterem auch
die beiden Weihwas-
sergefäße zu Aachen
und Petersburg sowie
der Deckel desEchter-
nacher Kodex5) ge-
hören. Indes auch
in Sachsen dürfte der Ursprung unseres
Monumentes wohl kaum zu suchen sein. Mit
den „kräftigen ausdrucksvollen Gestalten, der
energischen Wiedergabe des Vorwurfs, der
ungesuchten Faltengebung"6) dieser Schule
haben die Gestalten unserer Arbeit keine
Ähnlichkeit. Sie bekunden eher das Gegen-
teil. Dieses Relief mutet uns fast an als

*) Gelenius, „De Coloniae magnitudine" (1645)
p. 383 spricht von einem Kamme Heriberts in der
Pfarrkirche zu Deutz.

5) Über die Zuweisung dieser Arbeit an einem
westdeutschen Schnitzer vgl. Voge in »Jahrb. der
Kgl. Preuß. Kunstsammlungen«, (1899), Heft 2 (Sep.-
Abd. S. 3).

6) Bode, „Gesch. der deutschen Plastik", S. 15.
Kraus, „Gesch. der christl. Kunst" II, 1, 38.
 
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