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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Schnütgen, Alexander: Ein neues Glasgemälde in der St. Joseph-Kapelle des Domes zu Paderborn
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0040

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1907.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

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Aufmerksamkeit lenken, da ich Beifall zollen
mußte ihrer ganzen Behandlungsart, insoweit
sie mir durch die Photographie und deren
sachverständige Erläuterung zur Kenntnis ge-
bracht wurde.

Gemäß den mir vorliegenden gefälligen Noti-
zen des Herrn Baumeisters Mündelein wurde
diese (urkundlich bereits 1306 und 1403 er-
wähnte) Kapelle, die auf der Südseite die
Reihe eröffnet, durch den Domherrn Mathias
von Recke 1688 gründlich erneuert und (natür-
lich im Geiste seiner Zeit) ausgestattet, d. h. vor-
nehmlich mit einem reichen Spätrenaissance-
Portal versehen, dessen schmiedeeisernes Gitter
die in Eisen ausgehauene bezw. ausgefeilte
Majuskelinschrift trägt:

Domine dilexi decorem domus tuae,
Et locum habitationis gloriae tuae,
sowie mit einem holzgeschnitzten, in üppigem
Dekor auch das Stifterwappen zeigenden Altar-
aufsatz. — Diese dreijochig angelegte, mit
Pilastern, Rippen und Schlußsteinen ge-
schmückte Kapelle war dem hl. Hippolytus ge-
weiht, sollte aber jetzt den hl. Joseph als den
Beschützer der Kirche, namentlich als den Bei-
stand der christlichen Familie, besonders der
arbeitenden Klasse, zugleich als den Fürbitter
in der Sterbestunde zum Patron erhalten. —
Das Glasgemälde hatte die Aufgabe, diese alte
Erinnerung und neue Bestimmung sinnbild-
lich zum Ausdruck zu bringen. — Diese Auf-
gabe erscheint vortrefflich gelöst durch die
sinnige Komposition, durch die geschickte
Behandlung der architektonischen Fassung und
Bekrönung, durch die, wie mir zuverlässig ge-
meldet wird, durchaus passende Farbenstim-
mung. — Die korrekten Formen der Spät-
renaissance-Architektur, die mit außerordent-
lichem Geschick auf die beiden Seitenfenster
im Sinn zusammenfassender Wirkung ausge-
dehnt sind, wahren wie den Zusammenhang
der Gruppe, die durch die Dreiteiligkeit des
Fensters wesentlich erschwert war, so die
Einheitlichkeit der stilistischen Wirkung des
Kapellenraumes. Um der Architektur ihre
Schwere zu nehmen, mußte sie ganz licht,
weiß-goldig gestimmt werden, und roter Damast
war für ihre Bekrönung der dankbarste Hinter-
grund. — Nur spärlich hat in der Gruppe die
Farbe Verwendung gefunden, die im ganzen
beschränkt blieb auf die Heiligenscheine und
auf einige Gewandpartien wie den tiefblauen,

geblich gefütterten Mantel der Gottesmutter,
die gelbe Tunika des Jesusknaben, den rot-
violetten, von brauner Schürze bedeckten Leib-
rock des hl. Joseph, den damaszierten Orange-
mantel des Engels. Dem letzteren ist eine
Funktion zugeteilt, die der ganzen Szene etwas
sehr Sinniges und Idyllisches verleiht; der Engel
zieht nämlich, während die Schwalben zum
Nest heimfliegen, die Angelusglocke, auf deren
Schall der hl. Joseph sein Werkzeug nieder-
gelegt, seine Mütze abgenommen hat zu
frommem Abendgebet. In dieses stimmt die
neben ihm sitzende Gottesmutter ein, die, das
Erbauungsbuch auf dem Schöße, den Blick
ahnungsvoll weithin richtend, den mitbetenden
Christusknaben zu sich herangezogen hat.
Zu seinen Füßen liegt ein kleines Kreuz als
das Denkzeichen seiner Bestimmung. Die
durch ihre Neuheit frappante, aber dem alt-
kirchlichen Bilderkreise mit seinen mancher-
lei naiven Anachrorismen konforme Szene,
die als Feierabend bezeichnet werden darf,
paßt vollkommen in das mehrfache Patronat,
welches durch dieses neue Bild symbolisiert
werden soll.

Die beiden Flankierfenster mit den Stand-
figuren des hl. Hippolytus und seines Täufers,
des hl. Diakons Laurentius, ergänzen, auch in
koloristischer Beziehung, die Mittelgruppe, mit
ihr zu ästhetischer und erbaulicher Wirkung
sich vereinend und einen schätzenswerten
Beitrag liefernd zur Lösung der Frage, wie in
den Kirchen späterer Stilarten der figürliche
Fensterschmuck zu behandeln ist, für den es
bekanntlich an alten Vorbildern fehlt.

Eine etwas andere Art der Behandlung hat
Glasmaler W. H. Jansen von Trier auf der
gegenüberliegenden Seite in der Kapelle ver-
sucht, die der allerheiligsten Dreifaltigkeit
geweiht ist. Hier ist, gemäß einer mir vor-
liegenden Photographie die Einfassung viel orna-
mentaler und in früheren Renaissanceformen
gehalten, mehr im Einklang mit den im Geist
Dürers recht gut gezeichneten Figuren. Noch
lichter scheint die Färbung, die dunklere
Tönung fast ganz auf den .Hintergrund be-
schränkt, wie bei der auf einer Zierarchitektur
mit Wolkenbekrönung thronenden Trinität, bei
den in schwerer Pilasterfassung sie flankieren-
den Standfiguren der beiden Apostelfürsten
Petrus und Paulus. Schnütgen.
 
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