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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Schnütgen, Alexander: Hochgotische silbervergoldete Ciborium-Monstranz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0052

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Abhandlungen.

CA-

Hochgotische silbervergoldete
Ciborium-Monstranz.

(Mit 2 Abbildungen.)

Ii m antiquarischen Tausch Verhältnis
erwarb ich für meine Sammlung
vor mehr als 20 Jahren dieses
durch die ursprüngliche Verbindung
von Ciborium und Monstranz
höchst merkwürdige silbervergol-
dete Gefäß, zu dem mir aus dem
Mittelalter keinerlei Parallele be-
kannt ist. Im Unterschiede von
zwei entfernt ähnlichen Barock-
monstranzen in Belgien besteht
das hier abgebildete 57 cm hohe,
1170 Gramm wiegende Gefäß zu-
nächst in einem (44 cm hohen)
sechseckigen Ciborium mit reich
~L/ verzierter Kuppa und konstruktiv
*~* V durchgebildetem, überaus elegan-
tem Pyramidendeckel, so daß diesem Hostien-
behältnis (vergl. Abb. a) ein ungewöhnlicher
Reichtum architektonischer Metallbehandlung
nachgerühmt werden darf. — Zwischen Kuppa
und Deckel fügt sich, auf die denkbar ein-
fachste Weise, eine von drei Strebepfeilern
und zwei schlanken Ringsäulchen gebildete
sechseckige Laube ein als die Fassung des
unten und oben in die rundliche Vertiefung
mündenden Glaszylinders. Die 13 72 cm hohe
Laube mit ihrer durch ein weggelassenes Ring-
säulchen vollkommen sichtbar gemachte Lu-
nula beruht auf ursprünglicher Anordnung,
und daß sie von vornherein beabsichtigt war,
beweist die an der Kuppa weitausladende,
nur durch die Fialenhäufung so zierlich ge-
staltete Widerlags-Eckverstärkung, in welche
die Pfeiler des offenen Thrones ganz genau
hineinpassen, wie sie in der Konstruktion des
Deckels ihre Fortsetzung und Ausmündung
finden (vergl. Abb. b). Bis in die kleinsten
Einzelheiten stimmt hier alles zusammen, und
sogar die einfache Lunula hat sich aus der
Ursprungszeit erhalten an dem vorzüglich mon-
tierten, offenbar nicht viel benutzten, trotz seiner
Zierlichkeit fast unverletzten Gefäße. — Aus

dessen glattem Sechspaßfuß vermittelt eine durch
brochene Büchse mit Eckpfeilerchen den Über-
gang zu dem ebenfalls unverzierten Ständer mit
seinem Pastenknauf. Der glatte Trichter läuft
in den Zinnenhängefries aus, vor den, mit einer
Schnecke anhebend, die Eckpfeiler in feinster
Gliederung vortreten. Die von ihnen flankier-
ten glatten Flächen zeigen in nur durch vor-
gelegte Säulchen mit Eselsrückenbogen ge-
bildeten Nischen die Standfiguren der Gottes-
mutter, von zwei Engeln mit Stab, bezw.
Kranz, den Heiligen Petrus, Paulus, Johannes,
Ev. — Ein subtiler Lilienfries schließt die
Kuppa ab, die im Inneren noch vollständig
die ursprüngliche Montierung zeigt. — Der
Deckel bildet ein sechseckiger doppelge-
schossiger, mit fensterartigen, abwechselnd
blau und rot hinterlegten Durchbrechungen
versehener Turm nebst Schuppenhelm, zu
dessen Füßen durch Fialen mit Wasserspeiern
geschiedene Bogenstellungen. Ein Knäufchen
mit Lilienkreuz und Kruzifixus bekrönt das
Ganze. Die an die sechs Turmecken an-
stoßenden Durchbrechungen mit ihren vor-
gelegten Pfeilern und diesen sich vorlagernden
Zierstreben geben dem Aufsatze eine eminente
perspektivische Gliederung, die den Gold-
schmied auf der ganzen Höhe seines kon-
struktiven und technischen Könnens zeigt. —
Die eigentümliche Zusammenstellung dieses
Gefäßes dürfte durch das Bedürfnis veranlaßt
sein, auf dem einfachsten Wege eine Monstranz
zu erhalten, die bekanntlich erst in der zweiten
Hälfte des XIII. Jahrh. entstand, und zu-
nächst nur selten (zumal in Nonnenklöstern)
gebraucht wurde. — Als Entstehungszeit er-
gibt sich aus dem Ornament, namentlich des
Fenstermaßwerks, zumeist aus dem Gefält
der Figuren der Anfang des XV. Jahrh. —
Mit mehreren kirchlichen Metallgefäßen, die
ich in der Münsterschen Altertümer-Aus-
stellung 1879 sah, liegt hier in den Details
eine derartige Übereinstimmung vor, daß der
Gedanke an den westfälischen Ursprung am
nächsten liegt. — Unter dem Fuß befindet
sich aus dem Beginn des XV. Jahrh. die ein-
geritzte Schrift: Item Vmarck sulvers unde VTI
lot unde en verdel vecht desse monstrancige.

Schnütgen.
 
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