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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Rahtgens, Hugo: Ein Parlerzeichen in Köln
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0053

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67

1907. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

68

Ein Parier zeichen in Köln.

(Mit 3 Abbildungen.)

u den wichtigsten und deshalb am
meisten umstrittenen Quellen der
gotischen Baukunst in Deutschland
gehören die Nachrichten über die
Gmünder Meister, die Familie der Parier; denn
sie ermöglichen es uns, diese Meisterfamilie in
ihrer weiten. Verbreitung von Straßburg bis
Prag und Brunn und ihren Einfluß auf die
Entwicklung der deutschen Gotik im XIV. Jahrh.
zu verfolgen.

Leider lassen diese Quellen nun gerade in der
wichtigsten Frage, der nach der Herkunft der
Familie, an Klarheit zu wünschen, denn die
allein hierüber Auskunft gebende Inschrift über
der Büste Peter Parlers auf der Triforiumsgalerie
des Prager Domes ist nicht in unberührtem
Zustande auf uns gekommen. Peter war der
Sohn Heinrichs, des Erbauers der Kreuzkirche
in Schwäbisch-Gmünd, und 1356 mit der Lei-
tung des Prager Dombaues betraut. Die er-
wähnte Inschrift, die dieses mitteilt, beginnt:
Petrus Henrici arleri de Polonia magistri de
Gemunden in Suevia.....

Wie schon Ambros festgestellt hat,1) ist
zwischen Henrici und Arleri ein merklicher
Zwischenraum, und die einwandfreien Unter-
suchungen Neuwirths haben ergeben, daß
Parleri statt Arleri zu lesen ist. Aber auch
das P in Polonia ist allem Anscheine nach
später übermalt,2) wie denn schon an sich die
Annahme, Heinrich, der Meister der Gmünder
Kreuzkirche in Schwaben, stamme aus Polen,
eine arge Zumutung bedeutet. Nun wird von
der einen Seite, namentlich von Gurlitt,3) die
Lesart Bolonia — Boulogne (sur mer) ver-
treten nach Analogie mit dem ersten Prager
Dombaumeister Matthias von Arras und wegen
verschiedenerarchitektonischer Verwandtschaften
zwischen französischen Kirchenanlagen des

') Ambros, »Dom zu Prag«, S. 227; vergl.
Neuwirth in »Zeitsem-, f. Bauwesen« 1893 Sp. 29.

2) Grueber, »Württemberg. Vierteljahrshefte«,
1878 S. 9: „Das Wort polonia ließ (bei der von
Grueber angestellten Untersuchung) :n unzweideutigster
Weise eine Renovierung erkennen." Gerade die
böhmische Kunstgeschichte weiß ja auch auf dem Ge-
biete der Bilderhandschriften von Korrekturen und
Fälschungen zu berichten (vgl. Woltman, „Zur Gesch.
d. böhm. Miniaturmalerei": »Repert. f. Kunstwiss.« II
S. 1 ff.)-

3) Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Gotik:
»Zeitschr. f. Bauwesen« 1892 Sp. 307.

XIV.Jahrh. und der Kreuzkirche zu Schwäbisch-
Gmünd. Demgegenüber tritt Neuwirth4) ent-
schieden dafür ein, daß das P korrumpiert ist
aus C und Colonia statt Polonia zu lesen ist,
während Dehio5) unter den obwaltenden Um-
ständen die Frage unentschieden läßt, wegen
baulicher Beziehungen zwischen der Zisterzien-
serkirche zu Zwettl in Österreich und der
Kreuzkirche zu Gmünd die Herkunft Heinrichs
aus dem Osten aber für wahrscheinlich hält.
Was Neuwirth vor allem dazu bestimmt,
sich für Köln zu entscheiden, sind neben der
hervorragenden Bedeutung dieser Stadt im
Mittelalter folgende verwandtschaftliche Be-
ziehungen der Parier zu Köln:

1. Peter Parier heiratete Gertrud (Druda),
die Tochter des Meisters Bartholomäus van
Hamme, der 1335 in Köln nachweisbar ist und
hier 1370 starb.6)

2. Eine Tochter aus dieser Ehe heiratete
den Steinmetzen Michael aus Köln, der in der
Prager Dombauhütte arbeitete.7)

3. Heinrich von Gmünd, 1381—1387,
Baumeister des Markgrafen Jodok von Mähren
und vermutlich identisch mit Heinrich Parier,
der 1378 unter Peter in Prag arbeitete, hei-
ratete Drutginis, filia magistri Michaelis lapi-
eide ecclesie Coloniensis opificis, also die
Tochter des (fünften) Dombaumeisters Michael
von Köln.8)

Nun sind auch nach meiner Überzeugung
dieseverwandtschaftlichen Beziehungen der Parier
zu Köln Grund genug, um die Annahme der
Herkunft Heinrichs aus Köln, zum mindesten
eines längeren Aufenthaltes daselbst, also die
Verbesserung des überarbeiteten Polonia der
Triforiumsinschrift in Colonia zu rechtfertigen.
Über die Tatsache kommt man freilich nicht
hinweg, daß es bisher trotz gegenseitiger Ver-

4) Neuwirth, »Peter Parier von Gmünd«, S. 11 ;
»Zeitschr. f. Bauwesen« 1893 Sp. 50.

8) Dehio, „Zur Parierfrage" : »Rep. f. Kunstwiss.c
1899 S. 386.

°) Neuwirth, „Peter Parier von Gmünd", S. 118
»Urkundl. Nachweis«. Nr. 7; Merlou. Firmenich-
Richartz, »Kölnische Künstler«, Sp. 323.

7) Neuwirth, a. a. O., »Urkundl. Nachweis«,
Nr. 21.

8) Neuwirth, a. a. O., »Urkundl. Nachweis«,
Nr. 26. Ob dieser Heinrich ein Sohn des Erbauers
der Kreuzkirche in Schwab. Gmünd war, wie Neu-
wirth annimmt, mag dahingestellt bleiben.
 
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