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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Rahtgens, Hugo: Ein Parlerzeichen in Köln
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0054

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1907. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

suche nicht gelungen ist, in stichhaltiger Weise
stilverwandtschaftliche Beziehungen zwischen
der Kölner und der Gmünder Schule nachzu-
weisen innerhalb der beiden natürlich gemein-
samen gotischen Formensprache. Im Gegen-
satz zu der streng akademischen regelrechten
Kölner Gotik ist bei den Gmünder Meistern
ein Suchen nach neuen Bildungen, nach Durch-
brechen der Regel zu konstatieren. Dies
zeigt sich in der Grundrißdisposition ihrer
Kirchen, namentlich
der Chorbildung —
einerlei, ob das Motiv
des Gmünder Chors
von ihnen stammt
oder von auswärts
entlehnt wurde — in
der Zeichnung der
Profile und des Maß-
werks, in dem engen
Anschluß an die
Plastik, den die Köl-
ner Gotik in dieser
Weise nicht kennt. Es
darf aber nicht außer
acht gelassen werden,
daß die uns bekann-
ten Parier in der Zeit
des Übergangs von
der Hoch- zur Spät-
gotik stehen, und
daß das Auftreten
neuer Formen und

Baugedanken bei

ihnen hinreichend
mit dem Wechsel der
ganzen Zeitströrnung
zu erklären ist. Wenn
Köln und der Nieder-
rhein zunächst nicht
an diesem Umschwung teilnahmen, so lag es
daran, daß gerade" in dieser Zeit, im Verlauf
des XIV. Jahrh. das Bauschanen in Köln
erlahmte und nicht mehr fähig war, eine
führende Rolle zu spielen. Nach Analogie
zahlreicher Künstlernaturen, die in ähnlichen
Übergangszeiten lebten, konnte Heinrich Par-
ier recht wohl im akademischen Normalstil
der Kölner Gotik ausgebildet sein und sich
doch später in bewußtem Gegensatz zu dieser
entwickelt und anderen Beeinflussungen über-
lassen haben, zumal wenn ihn eine auf-
strebende Kunstrichtung, wie er sie im Süden

Abbildung 1.

vorfand, hierin unterstützte. Auch der 1439
vollendete phantastische und völlig originelle
Helm des Straßburger Münsters ist das Werk
des Kölners Johannes Hültz. Überdies ist zu
berücksichtigen, daß der Gegensatz zu der älteren
Gotik sich erst entschieden im C h o r der Gmünder
Kreuzkirche äußert, während am Langhaus
ein Hinaustreten über den Rahmen des Herkömm-
lichen kaum wahrzunehmen ist, abgesehen etwa
von der Wahl der selteneren Hallenform.

Eine weitere Stütze
findet die Annahme
der Kölner Herkunft
der Parier in neben-
stehend abgebildeter
Steinkonsole, die sich
im Wallraf-Richartz-
Museum in Köln
(Inventarnummer 49)
befindet (Fig. 1). Sie
ist 45 cm hoch und
hat die Form einer
weiblichen Büste, die

ein spätgotisches
Laubkapitäl trägt. Die
Oberfläche des letz-
teren ist kreisrund
und ging in einen
achteckigen Sockel

über, der abge-
schlagen ist und wohl
eine Figur trug. Die
Rückseite der Büste
ist glatt abgerundet,
lehnte sich also an
einen Rundpfeiler
oder Dienst. Der
Kopf hat einen feinen,
noch etwas alter-
tümlich lächelnden
Ausdruck, schräg gestellte Augen, gerade Nase
und ein schmales Untergesicht mit vortreten-
dem Kinn. Besonders bemerkenswert sind die
gewellten, wie eine Haube enganliegenden Haare
(keine Flechten!). Auf dem Kopf ein Kranz
von geflochtenen Ästen, deren lebhaft bewegte
Blätter sich dem Kapital anschmiegen. Trotz
der naturalistischen Bildung des Ast- und Laub-
werks wird man die Konsole bei dem Cha-
rakter des Kopfes noch der ersten Hälfte des
XV. Jahrh, zurechnen müssen.8)

9) Die Bemalung (das Kapital bräunlich-schwarz,
der Kopf in dunklem Fleischton mit vergoldeten
 
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