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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Rahtgens, Hugo: Ein Parlerzeichen in Köln
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0056

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1907. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

74

Leistungen der damaligen Kölner Holzplastik
sind die Marienfigur in S. Maria-Lyskirchen, eine
ähnliche im Bonner Museum, die Figuren des
h. Georg in S. Andreas und S. Aposteln und
das Chorgestühl in S. Andreas.

Allein die weiblichen Köpfe haben bei
diesen Arbeiten einen von der Büste im Mu-
seum abweichenden Typus, der sich als spezi-
fisch kölnisch bis ins XVI. Jahrh. erhalten hat.
Das Oval des Kopfes ist mehr gerundet, und
allen gemeinsam ist ein volles Untergesicht.
Eine ähnliche Haartracht findet sich nirgends.
Auch für die Kompostion der Büste und des
Laubkapitäls zu einer Konsole ist mir in Köln
und Umgegend kein Beispiel aus der in Frage
kommenden Zeit bekannt.

Ganz analoge Beispiele von Konsolen findet
man aber an den Pfeilern des Mittelschiffs im
Ulmer Münster.14) Nach den Untersuchungen
Dr. Hartmanns über schwäbische Plastik ge-
hören diese Konsolen der Zeit von ca. 1430
bis 1440 an.1B) Auch das Laubwerk dieser
Konsolen trägt ähnlichen Charakter wie das
des Kölner Kapitals, nur ist dieses niedriger,
dagegen die Büste kräftiger entwickelt und,
der tragenden Funktion besser entsprechend
mehr aufgerichtet als bei den Ulmer Bei-
spielen. Wie weit auch der Typus der Köpfe
hier und dort übereinstimmt, ist mir nach den
kleinen Abbildungen in Pfleiderers Monographie
nicht möglich festzustellen. Es scheint, daß
man in dem Ausdruck des Kölner Kopfes
einen archaisierenden Zug, der mehr den
französisch beeinflußten Bildwerken des XIV.
Jahrh. eignet, erkennen muß. Vielleicht ist es
nicht nur eine äußerliche Zufälligkeit, son-
dern Stilverwandtschaft, wenn der Kopf der
Kölner Konsole eine auffallende Ähnlichkeit
mit den im Gegensatz zu den charaktervollen
männlichen, jedenfalls typisch aufzufassenden
weiblichen Büsten der Prager Triforiumsgalerie
hat, die in Peter Parlers Werkstatt entstanden,
also mittelbar auch der schwäbischen Schule

figuren im Portal des südlichen Domturms wohl eher
der Zeit um 1400 als erst (wie nach Merlo, »Köl-
nische Künstler«, Sp. 510) dem von 1445 bis 1469
tätigen Dombaumeister Konrad Kuyn zuschreiben
dürfen

14) Pfleiderer, »Das Münster zu Ulm«, Taf. 12.

16) Pfleiderer, (»Das Münster zu Ulm«,
Sp. 33) rückt ihre Entstehungszeit noch ins 1. Viertel
des XV. Jahrh.

angehören, nur erscheint der Kölner Kopf der
vorgeschritteneren Zeit entsprechend verfeinert.
Die mehrfach erwähnte Haartracht muß aller-
dings als eine Besonderheit der Kölner Büste
gelten.

Durch alles dies wird nun zwar die Zu-
gehörigkeit der Konsole zum Kölner Kunst-
kreis sehr in Frage gestellt, und man könnte
meinen, sie sei durch irgend einen Zufall von
Süddeutschland nach Köln gekommen. Da sie
sich aber bereits seit Eröffnung des Museums
(1861) in dessen Besitz befindet und vor dieser
Zeit eine weite Verschleppung mittelalterlicher
Steinskulpturen dekorativer Art nur selten vor-
kam16), so möchte ich trotzdem an dem Kölner
Ursprung festhalten, dagegen annehmen, dieKon-
sole sei von einem aus Süddeutschland stam-
menden und dort ausgebildeten Mitgliede der
Parierfamilie hier in Köln angefertigt.

Gerade im XV. Jahrh. lassen sich wiederholt
Beziehungen von Kölner Malern zu Süddeutsch-
land nachweisen17); so Hans von Memmingen
und Stephan Lochner aus Meersburg; auch der
Meister des Bartholomäusaltars zeigt ober-
rheinische Einflüsse. Es hat also nichts Be-
fremdendes, in dieser Zeit auch ein süddeutsch
beeinflußtes Bildwerk in Köln zu finden. Da
es aber auf einen Parier zurückzuführen ist, so
liegt die Vermutung nahe, daß diesen die alten
Familienbeziehungen der Parier nach Köln ge-
führt hatten, wenn er auch selbst kein Kölner war.
So liefert die Konsole eine interessante
Illustration und Ergänzung der urkundlich be-
zeugten Beziehungen der Parier zu Köln. Die
uns bekannten Werke der Parier fallen —
abgesehen von dem unbedeutenden Fortbau
am Prager Dom unter Peters Sohn Johann —
ganz ins XIV. Jahrh. Zu Beginn des XV. Jahrh.
verschwinden auch die urkundlichen Nach-
richten über die Familie. Mit der Kölner Kon-
sole ist jedoch eine Parierarbeit aus noch
jüngerer Zeit, anscheinend dem zweiten Viertel
des XV. Jahrh. nachgewiesen.

16) Im Inventarverzeichnis des Museums ist über
die Herkunft der Konsole nichts bemerkt.

17) Vgl. Probst, „Über Verbindungen zwischen
Oberschwaben und Köln im XV. Jahrh.": »Schriften
des Vereins f. Gesch. des Bodensees u. s. Umgebung«
33. Bd. S. 87 ff.

Köln.

Hugo Rahtgens.
 
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