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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Cremer, Franz Gerhard: Erwägungen bei Betrachtung der "Deutsch-nationalen Kunstausstellung zu Düsseldorf": Ein Beitrag zur staatlichen "Haushaltungskunst"
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0080

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115

1907.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

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noch Schafertändeleien, die nirgend existieren,
wollen wir, sie mögen verschwinden wie ab-
gekommene Galanterien; der ganze Kram
einer uns fremden Bilderwelt, von dem unsere
Phantasie so wenig als unsere Empfindung
weiß, verschwinde. Dagegen trete unsere
Welt nach jedes Weise und Sitte in den
schönen Glanz einer neuen Schöpfung; Geist
und Herz, Liebe, Großmut, Fleiß, Tapferkeit,
Sanftmut mögen sich ein Arkadien in ihrer
Welt schaffen und in ihrem Stande es ord-
nend, genießend gebrauchen lehren. — Doch
wehe aber denen, die durch unselige Künste
unser Unglück nur vergrößern, anstatt durch
den Zauberspiegel der Ahnung unsere Hoffnung
auf eine beglückende Zukunft zu beleben!
Unglückliche, wenn ihr durch Irrtum und
Unwissenheit die Menschheit auf dunkele
Abwege zu Unmäßigkeit und Schwelgerei, zu
Unersättlichkeit und Schmeichelei führt, wo
statt des Siegeskranzes, der der Beharrlichkeit
und Selbstbeherrschung, der Tapferkeit und
Erkenntnis verheißen ist, Pein und Trauer,
Schmerz und Verzweiflung der Getäuschten
harren."

Hierhin führt jene Afterkunst, die das
Sittengesetz nicht kennt und es vernachlässigt,
das zu beobachten aber die Alten — und alle,
die ihnen gefolgt — zu empfehlen nicht müde
wurden. Vornehmlich verletzen diesen Anstand
alle, die mit wollüstigen Gemälden das Herz
der Zuschauer frevelhaft zu schändlichen Be-
gierden verleiten. Aelius Donatus (350 n. Chr.)
sagt bei dem Zitate einer Stelle (Eunuch.
Act. III. sc. 5): „Terenz hat jetzt philoso-
phisch bewiesen, welches Verderben die Er-
dichtungen der Poeten Menschen und Städten
bringen, indem sie den zukünftigen Sündern
Beispiele von Lastern darstellen." — Dies spricht
auch warnend Jean Paul in dem Worte aus:
„Vom Dichten kommt man leicht aufs Lieben,
und indem man ideale Charaktere kritisiert,
produziert man leicht den eigenen, und ein
gedruckter Roman wird das Getriebe und
Leitzeug eines lebendigen".

Soll en wir nun wohl noch lange fragen müssen,
was da zu tun bleibt? Ich denke, die Frage
ist mit dem flüchtigsten Rückblicke in die
Geschichte schnell beantwortet. Wir leben —
Gott sei's gedankt — in einer christlichen
Ära, unter einem christlichen Herrscherhause,
und wenn uns schon Xenophon in seiner
Cyropädie (Bd. I, 2) sagt: „Die persischen

Gesetze sorgen im voraus dafür, den Bürgern
die Möglichkeit, nach Schlechtem und Schänd-
lichem zu trachten, abzuschneiden.....",

dann ist es unschwer zu wissen, was die von
Gott gesetzte Obrigkeit dem einzelnen wie
der Gesamtheit schuldet! Ist sie es ja doch,
die da berufen ist, die Pflichten gegen Gott
und die Eltern nicht freventlich verkümmern
zu lassen, damit nicht die im Gefolge der
Undankbarkeit sich breit machende Scham-
losigkeit zu Schändlichem führe und dem
verwüsteten Altare der Sturz aller Ordnung
folge.

Diesen idealen Pflichten kann der Staat
aber nicht besser gerecht werden, als durch
Förderung eines geeigneten Kunstunterrichtes,
und zwar eines solchen, der neben der Theorie
und Praxis eine wahre Geistes- und Herzens-
bildung zu begünstigen vermag. Die Not-
wendigkeit solchen Beginnens bestätigt uns
schon Simonides, indem er die Malerei eine
„stumme Dichtkunst" nennt, die wiederum,
wie Aristophanes den Aeschylos in den
»Fröschen« (V. 1053 u. w.) sagen läßt: die
Erwachsenen zu verständigen, zu belehren
die Bestimmung hat. Daraus erklärt sich
auch, daß Johann Winckelmann in seiner Ab-
handlung über die Allegorie in der Kunst
§ 37 sagen durfte: „Bilder von Lastern finden
sich auf übrig gebliebenen alten Denkmalen
gar keine, weil die Werke der Kunst der
Tugend, nicht dem Laster geweihet sind
und weil sonderlich der höchste Grad des
Lasters der Vorstellung in edlen Bildern,
welche allzeit die Kunst suchen soll, wider-
spricht."

Die Künste gehören somit zu den kost-
barsten Werten, die der Staat unter die Aktiven
seiner großen Haushaltungsrechnung als ein
nutzbringendes Hab und Gut einsetzen kann.
Doch dafür bleibt ihm wiederum die verant-
wortungsvolle Pflicht, es als nutzbringendes
Besitztum zu verwalten und zu erhalten, da-
mit — beim Zeus — ruft Sokrates wieder-
holt und mit Nachdruck aus, damit dieser
an sich kaum abschätzbare Bestand nicht zu
einem schwerwiegenden, belastenden Posten
werde. Auch die Künste verlangen eine
strenge, weise Leitung und Anordnung, sollen
sie für den einzelnen wie für die Gesamtheit
glückbringend und tugendmehrend werden. —
Bedürfen wir doch insgesamt der Erhebung:
der Minderbeglückte und Gedrückte, damit
 
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