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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Schnütgen, Alexander: Kupfervergoldetes Krankenversehgefäß aus 1499
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0128

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Abhandlungen.

Kupfervergoldetes

Krankenversehgefäfs aus

1499.

(Mit Abbildung, Tafel VII, aus dem
XVI. Kölner Jahresbericht Abb. 13.)

n Herford soll vor mehreren Jahr-
zehnten dieses merkwürdige Gefäß
ausgegraben worden sein, das vor
etwa 25 Jahren in meinen Besitz
gelangte und bereits 1884 in der
Revue de l'art chretien, T. II,
P. 452—462 unter dem Titel:
„Materiaux pour servir ä l'histoire
des vases aux saintes huiles" mit
12 verwandten Gegenständen von
mir abgebildet und beschrieben
wurde. — Die Spuren der Ver-
grabung zeigt deutlich der etwas
angefressene und verrostete Fuß,
*-" J wie die Rückseite des Aufsatzes,
C dessen Vorderteil, dank der un-

gewöhnlich starken Feuervergoldung, vorzüglich
erhalten ist. — Das 31 cm hohe Gefäß setzt
sich aus dem rechteckigen Fuß mit Ständer
und aus dem kreuzförmigen Aufsatz zusammen.
Aus dem in die Breite entwickelten sechs-
seitigen flachen Fuße entwickelt sich in
kräftigen Profilen, durch einen kleinen Pasten-
nodus unterbrochen, in eine Art von Kapital
auslaufend, der Ständer, aus dessen sechs-
eckiger Öffnung ein viereckiger Dorn heraus-
agt, durch seine auffällige Vergoldung den
Beweis liefernd für seine ursprüngliche Be-
stimmung, den Aufsatz zu tragen für die
Dauer seiner Ruhe. — Dieser Aufsatz, 1 St cm
im Durchm., setzt sich zusammen aus einer
runden Mittelkapsel von 5Y2 cm Tiefe, die
kreuzförmig besetzt ist mit 4 dreipaßförmigen
Behältern von je 472 cm Tiefe. Die Mittel-
kapsel schmückt als Türchen das gegossene
Reliefbild des Schmerzensmannes, der von
den Hüften an aus dem Grabe hervorsteht
mit der Rute in der Rechten und der Geißel
in der Linken, auf quadratisch graviertem
Grunde; Modellierung wie Ziselierung verraten
den tüchtigen (westfälischen) Goldschmied.
Der perlschnurverzierte flache Rahmen, aus
dem die Halbfigur hervortritt, setzt sich auf

den 4 Dreipässen fort, die mit den, ebenfall
gegossenen, Evangelistensymbolen geschmückt
sind. Diesen vorzüglich geformten und zise-
lierten Hochreliefs sind (mit Ausnahme des
Adlers) die ausgeschnittenen Flügel angesetzt,
jedem derselben ein mit dem eingravierten
Namen versehenes Spruchband beigegeben,
dessen höchst geschickte Windung mit den
Flügeln den Zweck, die etwas unbequeme
Fläche auszufüllen, in vollkommener Weise
erreicht. Das Vor- und Zurücktreten der
Reliefs, die Gleichartigkeit ihrer Einfassung
schaffen ein überaus günstig wirkendes Ge-
samtbild, das durch die Einfachheit der an-
gewandten Mittel um so mehr zur Nach-
ahmung locken dürfte. — Der Zweck dieses
seltenen Gefäßes kann nicht zweifelhaft sein:
die auch im Innern ganz vergoldete Mittel-
kapsel hatte für den Versehgang in besonderer
Hülle die hl. Eucharistie aufzunehmen, während
die Dreipaßkapsel zur Linken, mit dem Löwen-
symbol, als die einzige, deren Deckel sich
öffnet, die kleinen Krankenöl-Behälter zu
bergen hatte, eine Verbindung, die mit den
späteren liturgischen Bestimmungen nicht mehr
vereinbar erscheint. Für den Zweck der
Krankenprovision trug der Priester das kreuz-
förmige Gefäß vor der Brust an einer in den
beiden Ösen der Rückseite zu befestigenden
Schnur. Diese Rückseite zeigt auf dem ge-
rauhten Grund der 4 Pässe die 4 ausgesparten
Majuskeln: I. N. R. /., die keiner Erklärung
bedürfen; dazwischen auf einem Spruchband
die eingravierte Minuskelschrift: A°. d° M° C°.
C° C° C° XCIX0 tepore Johannis Rusike pastoris.
— Diesen Pastor (von Herford?) habe ich
anderweitig nicht aufzufinden vermocht, zu
diesem Gefäß aber einige entfernte Analogien
schon vor vielen Jahren angetroffen, nämlich
die beiden kastenartigen Metall- bezw. Leder-
kreuze der Spätgotik im Schatze der St.
Johanniskirche in Lüneburg, deren Vorderseite
mit dem Bilde des Gekreuzigten geschmückt
ist, deren Rückseite sich öffnet und je 4 recht-
eckige Vertiefungen zeigt. An einem der-
; selben ist noch der ursprüngliche Lederriemen
zum Tragen erhalten, sowie im Innern das
I Krankenölgefäß (Organ für christl. Kunst X,
| 198 und 199, 208 bis 210). Schnütgen.
 
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