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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Schnütgen, Alexander: Kupfervergoldetes Ciborium des XIV. Jahrh.
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Abhandlungen.

s:-v

Kupfervergoldetes Ciborium des
XIV. Jahrh.

: (Mit Abbildung Tafel VIII,
aus dem XVI. Kölner Jahres-
bericht Abbildung 12).

inem Tausche mit einem west-
| fälischen Kunstfreunde verdanke
ich dieses merkwürdige Ciborium,
5 das, 38 cm hoch, in der Kuppa
13 cm, im reichgezackten Fuß
17 cm Durchmesser hat. Ganz in
Kupfer ausgeführt und selbst in
V* seiner glänzenden äußeren, wie

inneren Feuervergoldung tadellos erhalten, hat
es als Schmuck nur das kleine auf schraffiertem
Grund ausgesparte Rundkreuz des Fußes,
sechs ornamentierte Niellopasten um den
kleinen flachen Nodus, dem unten und oben
ebenso viele Weinlaubblättchen aufgelötet sind,
sowie ein getriebenes, von einem Amethyst-
kügelein überragtes Knäufchen als Bekrönung.
— Trotz, vielleicht wegen dieses ungemein
einfachen Dekors macht dieses Gefäß, das
sich durch schlanke, fein abgewogene Ver-
hältnisse auszeichnet, einen höchst anmutigen,
vornehmen Eindruck. — Die weit ausladende
Kuppa, die sich aus zwei identischen flachen
Halbkugeln zusammensetzt, unter vollständigem
Verzicht auf allen Schmuck, bloß mit dem
sie scheidenden starken Profil, auf so hohen
dünnen Ständer zu stellen, mag als ein kühner
Wurf erscheinen; daß er so ausnehmlich ge-
lang, ist besonders dem schlanken runden Schaft
mit dem fein gegliederten zierlichen Nodus und
dem durch schmalen sechsseitigen Ring eingelei-
teten flachen, aber breiten Fuß zu danken, so daß
ästhetische und praktische Anordnungen
hier in vollendeter- Harmonie das Ganze be-
herrschen. — Zweckmäßig ist der breite Fuß,
der die Standfestigkeit gewährleistet, zweck-
mäßig der kleine, die Handlichkeit bewirkende
Knauf, zweckmäßig die breite flache Kuppa,
die aus dem erst mit dem XIV. Jahrh., als
der Wiedereinführungsperiode der häufigeren
Laienkommunion, größere Dimensionen an-
nehmenden Ciborium die Austeilung erleichtert.
— Hier vereinigen sich also Eigenschaften,
die von modernen Kritikern den liturgischen
Gefäßen des Mittelalters so gerne abgesprochen

werden. An Einfachheit, Formenschönheit,
Zweckdienlichkeit läßt dieses Ciborium nichts,
aber auch gar nichts zu wünschen übrig, und
daß es den Gesetzen der Metalltechnik, wie
sie im Treiben, Gravieren, Verzieren, Montieren
zum Ausdruck kommen, in bester Weise ent-
spricht, wird jeder Kenner zugeben müssen,
wenn er auch zur Erreichung dieser Ziele, im
Zuge der Zeit, an den modernen Erfindungsgeist
mehr oder weniger stürmisch appelliert haben
mag. — Wie jämmerlich nehmen sich diesem
Mustergefäß gegenüber die über die Klempner-
leistungen nicht wesentlich hinausreichenden
Ciborien, Kelche, Rauchfässer, Leuchter usw.
aus, die neuerdings in den kirchlichen Gebrauch
eingeführt werden sollen, unter allerlei falschen
Vorspiegelungen, diebei ihren Opfern eine reich-
liche Dosis von Unkenntnis und Geschmack-
losigkeit voraussetzen. — Unerschöpflich war
namentlich das Mittelalter an Formen für
seine sämtlichen Gebrauchs- und Ausstat-
tungsgegenstände, die besonders für die kirch-
lichen Bedürfnisse mit vollem Recht zu typi-
schen, ihren Bestimmungen und Gebrauchs-
verhältnissen durchaus angepaßten Gestaltungen
führten, ohne in diesem Rahmen der Erfindungs-
kraft Schranken zu setzen. An seinen Produkten
entfalten sich die größte Einfachheit, aber
auch der höchste Reichtum, je nach den An-
sprüchen der Besteller, und eine bis jetzt,
trotz aller Fortschritte, noch nicht wieder er-
reichte Mannigfaltigkeit durchaus angemessener
stilgemäßen Techniken zeigte sich allen be-
züglichen Aufgaben gewachsen. — Das gilt
vornehmlich von dem XIV. Jahrh., welches
besonders auch in Westfalen auf dem Gebiete
der Goldschmiedekunst glänzend sich betätigt
hat, weniger als solches anerkannt, weil die
Zahl der im Original noch erhaltenen Objekte
im Verhältnis zu den auf Gemälden und
Miniaturen dargestellten, verhältnismäßig gering
ist. — Daß die vorliegende Rarität vor Schluß
des XIV. Jahrh. in Westfalen entstanden
ist, beweist zumeist der charakteristische Fuß
mit seinem architektonisch behandelten Ring,
zu dem mehrere liturgische Gefäße, die aus
westfälischen Kirchen der Münsterschen Aus-
stellung 1879, wie der Düsseldorfer 1902 an-
vertraut waren, als unmittelbare Analogien sich
darbieten. Schnütgen.
 
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