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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Wulff, Oskar: Der Madonnenmeister
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0149

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229

1907. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

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zugten Farbenkombinationen. In der Haupt-
gruppe findet sich beim Kinde das Gelb des
Untergewandes mit Rosa des Mantels ver-
einigt. Das Blau der Madonna ist etwas heller
gehalten als in den uns schon bekannten
Werken des Anonymus. Ergeben sich also
manche koloristische Übereinstimmungen mit
ihnen, so bestehen vollends nach dieser Seite
keine Gegensätze. Wohl aber wird man
einwenden, daß die Individualisierung der
Köpfe und zum Teil auch die Artikulation der
Handbewegungen eine noch feinere ist und
entschieden auf die Tradition der Lorenzetti-
schule hinweist. Und mit Ausnahme des
Hieronymus wird man für die Heiligentypen,
vor allem für den her-
ben, aber edlen Kopf
des Täufers und für das
lockenumrahmte Antlitz
der Katharina, in jenem
Kreise nähere Ver-
wandte wiederfinden als
in Florenz. Ja, mit der
Madonna selbst steht
es nicht anders. Das
breite, vom leichtge-
wellten Blondhaar ein-
gefaßte Oval mit der
feinen, lang gezogenen
Nase und dem kleinen
Munde, die schmal-
geschnittenen Augen mit
halbverschleiertem Blick
erinnern an keinen Flo-
rentiner Madonnentypus,
wohl aber an Ambrogio

Lorenzettis Madonnenideal, das freilich ganz ins
Weiche umgebildet erscheint, wie etwa bei A.
Vanni und ähnlichen Nachzüglern. Weshalb soll
also unser Meister eine Person mit dem Autor
dieses sienesischen Halbfigurenbildes sein ?
Es ist nicht zu bestreiten, daß der Madonnen-
typus bei einer gewissen allgemeinen Ähnlich-
keit der Züge und des Blickes etwas weniger
Bestimmtes und Eigenartiges hat als die Ma-
donnen des Triptychons von Antella oder der
Uffizientafel, — besonders wenn der farbige
Eindruck des gleichartigen Inkarnats mit den
lieblich geröteten Wangen fortfällt, der bei
Betrachtung des Originals zuerst die Beziehung
verrät. Man wird vielleicht nicht einmal zu-
geben wollen, daß das etwas flaue Kinderköpf-
chen in der Vollansicht dem des letzgenannten

Abb. 5. Lünettenfreske in S. Croce (Florenz)

Werkes (s. Abb. 2) sehr nahe kommt, oder wird
darin nur eine zufällige Übereinstimmung sehen,
wie auch darin, daß Maria die gleiche schmale
Hand hat wie dort und daß sich ein folge-
richtiger Fortschritt in deren Durchbildung
innerhalb dieser drei Bilder verfolgen läßt.
Das Fassen des Mäntelchens, in dem die Füße
des Kindes in Empoli völlig versteckt bleiben,
ist freilich nicht so klar, und in der Funktion
seiner Händchen begegnen uns ganz andere
Motive, — das Spiel mit dem Vogel kommt
auch aus Siena —, kurz man kommt nicht
über die Zweifel fort.

Wir besitzen nun aber zum Glück noch
ein Bindeglied, das zwischen dem Bilde in
Empoli und den anderen
Arbeiten des Anonymus
die Brücke schlägt, und
dieses wichtigste Beweis-
stück befindet sich in
Florenz. Es ist wieder-
um eine Madonna in
Halbfigur, aber ohne alle
Nebengestalten, zugleich
die einzige von ihm nach-
weisbare Freske (s. Abb. o).
Sie schmückt eine goti-
sche Lünette mit dunkel-
grüner Rahmenborte, die
heute im Refektorium
von S. Croce bewahrt
wird (Nr. 27) und (nach
Angabe des Custoden)
von einem Portal an der
Nordseite des Klosters
(oder der Kirche?) her-
stammen soll. Die Farben sind, wie zu er-
warten, stumpfer als in den Tafelbildern,
— der Meister war auch kein rechter Fresko-
maier. Der Mantel hat noch ziemlich leb-
haftes Blau mit blaßgrünem Futter, das Kind
trägt nur ein rosa Ärmelkleidchen, dessen
Goldborten ein ähnliches Zickzackmuster zeigen
wie an Marias Mantel in Antella. Während
Maria noch Zug um Zug dem Madonnentypus
von Empoli gleicht, hat der Kopf des Knaben
in seiner Dreiviertelwendung schon die kräf-
tigere Bildung der Tafeln von S. Ansano und
der Akademie gewonnen und entspricht auch
in seinen Zügen vor allem ganz dem Säugling
der letzteren. Daß die Haare gröber gebildet
sind, liegt einzig an der verschiedenen Technik.
Die Stellung seiner Hände findet ihre Parallele

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