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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Braun, Joseph: Mittelalterliche Maschenarbeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0157

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1907. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

246

Unter solchen Umständen dürften die
nachfolgenden Zeilen, die sich mit einigen
mittelalterlichen Maschenarbeiten beschäftigen
sollen, nicht ganz ohne Wert sein. Es handelt
sich um Pontifikalhandschuhe und ein Pontifikal-
strumpfpaar, auf die ich bei meinen Studien
zur liturgischen Gewandung stieß. Die Ab-
bildungen, womit ich meine Ausführungen be-
gleite, wurden von mir an Ort und Stelle auf-
genommen. Ich beginne mit dem Pontifikal-
strumpfpaar. Es wird zu Delsberg im Schweizer
Jura aufbewahrt und gilt als Reliquie des
hl. Abtes Germanus von Moutier-Grandval
(t ca. 677). Nach Delsberg kam es,6) als
Moutier - Grandval
1805 zerstört wurde.
Die Zueignung des
Strumpfpaares an
den hl. Germanus ist
ein Anachronismus,
da zu Lebzeiten des
Heiligen die Äbte
sich noch nicht der
Pontifikalien erfreu-
ten. Wahrscheinlich
ist sie indessen dar-
auf zurückzuführen,
daß mitjenen Strüm-
pfen im XI. oderXII.
Jahrh. der Leib des
Heiligen geschmückt
wurde. Denn dieser
Zeit dürften dieselben
in Wirklichkeit an-
gehören. Die eigen-
artige Maschentech-
nik, welche bei ihnen zur Anwendung ge-
kommen ist, läßt sich nämlich für das XL oder
XII. Jahrh. noch durch einige andere Bei-
spiele belegen. Außerdem aber rinden sich
zusammen mit den fraglichen Pontifikal-
strümpfen noch drei Sandalen, von welchen
eine sogar noch in das XL Jahrh. hinauf-
reichen mag, die beiden andern aber der
zweiten Hälfte des XII. Jahrh. angehören
werden. Ein zweites Paar pontifikaler Caligä
im Schatz der Pfarrkirche zu Delsberg, das
aus orientalischem, reichgemustertem weißem
Damast gemacht ist, dürfte etwas jünger sein,
immerhin jedoch schwerlich über die Frühe
des XIII. Jahrh. hinabreichen.

6) E.A. Stückelberg, »Geschichte der Reliquien
in der Schweiz« (Zürich 1902) S. 278.

Abb. 2. Detail des Pontifikalstrumpfes (vierfach vergrößert).

Von den beiden Pontifikalstrümpfen, die
uns hier beschäftigen, ist einer um ein Stück
verkürzt, der andere dagegen völlig intakt.
Es ist 70 cm lang, um den Rand herum mit
einem schmalen Besatz umsäumt und nach
Brauch mit linnenen Bändern zum Anbinden
versehen. Als Material zur Herstellung der
Strümpfe ist ein feiner Linnenfaden verwendet
worden. Leider fand ich bei meinem Besuch
zu Delsberg keinen der Herrn Geistlichen zu
Hause und mußte demnach deren Heimkehr
abwarten, um die Strümpfe besichtigen zu
können. Eine Untersuchung der Technik, in
welcher dieselben hergestellt sind, wurde mir

infolgedessen leider
unmöglich. Ich muß-
te zufrieden sein,
daß ich noch hart
vor der Abreise eine
Aufnahme eines der
Strümpfe machen
konnte. Übrigens
wäre auch wohl bei
längerer Zeit eine
Untersuchung der
Technik schwerlich
tunlich gewesen,
denn eine solche
hätte sich nicht vor-
nehmen lassen, ohne
Auftrennen einer
wenn auch kleinen
Partie, das aber wäre
mir angesichts des
Reliquiencharakters,
den man den Strüm-
pfen zuschreibt, wohl nicht gestattet worden.
Um jedoch eine Idee der Technik zugeben, füge
ich eine Abbildung bei, welche das Maschen-
werk in ca. vierfacher Vergrößerung darstellt.
Vielleicht sogar, daß sie einem findigen Sinne
zur Feststellung der Technik genügt, in welcher
die Strümpfehergestelltwurden. Jedenfalls kann
sie mit Nutzen vorkommendenfalls bei Grabfun-
den oder sonstigen Gelegenheiten zum Vergleich
hinsichtlich der Technik dienen. Bemerkt sei
noch, daß der obere Teil der Strümpfe überall
dieselbe Weite hat. Wenn gegenwärtig einige
Stellen breiter zu sein scheinen als andere
wie die Wadenpartie und der Einschlupf, so
ist das lediglich die Folge von einer Auswei-
tung des Strumpfes, nicht von Abnahme oder
Vermehrung der Maschenzahl. Eine Ver-
 
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