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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Schnütgen, Alexander: Beim Schluß des zweiten Jahrzehnts
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0224

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Beim Schlufs des zweiten Jahrzehnts

drängen sich für den Herausgeber dieser Zeit-
schrift in den Vordergrund die Empfindungen
des Dankes gegen alle, die ihm zu seiner
Arbeit Förderung haben angedeihen lassen:
Die treuen Mitarbeiter und Abonnenten, der
opferwillige Verleger und sein Stab, die Hoch-
würdigsten Herren Bischöfe, namentlich Nord-
deutschlands, die sie mit ihren Empfehlungen
begleitet und das Abonnement auf Kosten
der Kirchenkasse zur Bereicherung der Pfarr-
bibliothek gestattet bezw. empfohlen haben.
Hätten von diesem Privilegium die Herren
Pfarrer mehr Gebrauch gemacht, so wären die
Bestrebungen, besonders den norddeutschen
Sprengein mit Vorbildern aus deren glorreicher
Kunstvergangenheit entgegenzukommen, von
stärkerem Erfolg gekrönt worden.

Diese Bestrebungen fanden ihren Ausdruck
zunächst in zahlreichen Beschreibungen und
Erklärungen alter Kunstdenkmäler, an die mit
Vorliebe Unterweisungen praktischer Art ge-
knüpft wurden. Wenn hierbei auf der einen
Seite der überkommene Bilderschatz durch neu
eingeführte Muster erheblich vermehrt wurde,
die zum Teil in die gangbaren Handbücher der
Kunstgeschichte Aufnahme gefunden haben,
dann fehlte es anderseits nicht an bedeutsamen
Betonungen der Winke, die sich daraus für
neue Schöpfungen ergaben, nach Maßgabe
der von der Gegenwart gestellten Aufgaben.

Hierbei wurde keine Epoche der kunst-
geschichtlichen Entwickelung, keine Stilart
ausgeschlossen. Wie der Erhaltung ihrer
sämtlichen Denkmäler, ihrem Schutze gegen
Beseitigung, Entstellung oder Erneuerung aufs
wärmste das Wort geredet wurde, in stetigem
Kampfe gegen die in der jüngsten Zeit immer
stärker beanstandete „Stileinheit und Stilreinheit",
so war die gesamte Beschreibung von der Ver-
tiefung in die Formschönheiten und tech-
nischen Vorzüge der alten Werke beherrscht,
als einer Schule, aus deren Grundsätzen und
Lehren stets neues Leben hervorsprießen
könne, vornehmlich auf dem kirchlichen Ge-
biete, dem die Zeitschrift in erster Linie ihre
Dienste weihen sollte und wollte.

Dieser Weg, der von den ernsten Forschern
und Kennern der Kunstvergangenheit immer
noch als der rationelle und traditionelle Ver-

such zu neuen Schöpfungen geschätzt wird,
ist wenigstens so lange nicht als veraltet zu
betrachten, als der (hier, X. 357, im Schluß-
wort bereits anerkannte) „gesunde Entwicke-
lungsprozeß" noch nicht einen gewissen Ab-
schluß gefunden. — Daß dieser Abschluß
schon vorliege, oder auch nur unmittelbar be-
vorstehe, wird von den ruhigen Beobachtern
und maßvollen Kritikern nicht behauptet, die
trotz ihrer Vorliebe für Neugeburten, das
Stadium „der tastenden Versuche" wenigstens
in der Allgemeinheit noch nicht als überwunden
betrachten. Wenn für die prinzipielle Be-
rechtigung eines neuen Stiles, vielmehr neuer
Gestaltungen, die übrigens aus der Vernunft
allein nicht konstruiert, nur der Gesamtent-
wickelung des Kulturlebens entnommen wer-
den können, von den verschiedensten Seiten
die Lanzen eingelegt werden, so dürften diese
Vorstöße als gegen offene Türen gerichtet zu
bezeichnen sein, da wohl von keiner Seite da-
gegen Einspruch erhoben wurde. Eher könnte
die leicht hingeworfene Behauptung, daß jede
Zeit ihren eigenen Kunststil haben müsse, zum
Widerspruch reizen, nachdem noch vor stark
einem Jahrzehnt von sehr hervorragenden Kunst-
schriftstellern in langen Auseinandersetzungen
klar gemacht wurde, daß der überwiegende
Industriebetrieb unserer Zeit mit seinen mate-
riellen Spitzen und technischen Zielen eher
als den ideellen Kunstbestrebungen hinderlich
betrachtet und behandelt werden müsse.

Inzwischen hat die Industrie auch für die
aus dem Zwecke ihrer Denkmäler sich er-
gebende künstlerische Eigenart ihre Ingenieure
inspiriert, und wenn diese für die Fabriken,
Bahnhöfe, Ausstellungshallen, Warenhäuser
usw. als die Hauptprodukte dieser Inspiration
neue, zugleich dem Material angepaßte, im-
ponierende Gestaltungen geschaffen haben, so
wird dieser Fortschritt gewiß auch als ein
Triumph auf dem Kunstgebiet anerkannt
werden müssen.

Ja noch mehr! Die Begriffe der vom Material
gestellten Anforderungen und hinsichtlich der
aus ihm sich ergebenden Konstruktionen,
wie der durch die praktischen Bedürfnisse ge-
forderten Weiträumigkeit, Gruppenbildung usw.,
auch die energische Betonung derausderinneren
 
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