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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Schnütgen, Alexander: Beim Schluß des zweiten Jahrzehnts
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0226

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357

1907- — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

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vielfach verraten, in Selbstbewußtsein und
offenkundiger Sucht nach Reklamen ohne
Unterlaß diejenigen der Rückständigkeit be-
zichtigen, für welche das Kunstgebiet keine
Kette neuer und willkürlicher Sprünge ist,
sondern eine ruhige, gesetzmäßige Weiterent-
wicklung aller Faktoren auf dem Jahrhunderte
hindurch bewährten Boden fester Grundsätze
und richtiger Motive. Manche Künstler und
Kunsthandwerker seufzen unter solchem Druck,
wenn sie sich ihm nicht zu entwinden ver-
mögen. Sie beanspruchen mit Recht, daß, was
ihnen an Neubildungen angesonnen wird, hin-
sichtlich des Entwurfs ihnen keine allzugroßen
Verstöße gegen ihre bewährten ästhetischen und
technischen Grundsätze wie praktischen Er-
fahrungen zumutet, hinter ihren früheren Lei-
stungen nicht allzuweit zurückbleibt. Und, um
so mehr sollte dieser durchaus berechtigte An-
spruch berücksichtigt werden, als aus dem Gegen-
teil nur dem elenden Fabrikbetrieb Nutzen
erblüht, der in der kirchlichen Sphäre immer
stärker sich entfaltet, trotz aller Warnungen.

Der Spielraum, den die früheren Jahr-
hunderte von dem Aufblühen der neuerdings
so beliebt gewordenen Germanischen Früh-
kunst bis zu den allerletzten Ausläufern der
Renaissance in dem Pantheon der Kunst-
formen und -Typen gelassen haben, ist so weit,
daß, wer für die Befriedigung der neuen Kunst-
bedürfnisse nicht auf alte Motive zurück-
greifen will, die Gesichts- und Richtpunkte
der Vergangenheit in hinreichender, wenigstens
den Rahmen bietender, Fülle findet.

Auf dieses feste Rahmengefüge kommt es
vor allem an, und auf dieses hat daher auch
unsere ZeUschrift vornehmlich hingewiesen, so
oft sie Vorschläge für die Gestaltung neuer
Kunstdenkmäler zumeist kirchlicher Art, zu
machen hatte, unter Beifügung von Abbil-
dungen aus den Mappen berufener Künstler,
nicht auf Pläne für Kirchen, deren Neu- und
Erweiterungsbauten, sich beschränkend, son-
dern namentlich zu deren vorschriftsmäßiger
und zeitgemäßer Ausstattung Beiträge liefernd
durch erläuterte Vorlagen zu Altären, Ge-
schränk, Figuren, Wand- und Glasmalereien,
Paramenten und liturgischem Gerät. Hierbei
galt in der Regel als Ziel, Muster zu bieten ge-
rade für solche Gegenstände, die in dem kirch-
lichen Bilderschatz vergebens gesucht werden, sei

es überhaupt, sei es zu bestimmten, durch die
veränderten Anordnungen oder Bedürfnisse ge-
forderten Zwecken. Für diese Zeichnungen wur-
den die Meister nicht nach der Schablone ausge-
wählt, sondern nach der Eigenart ihres Schaffens,
wie nach dem Schatze ihrer Erfahrungen. ■

Die Zeitschrift glaubt daher für sich in
Anspruch nehmen zu können, daß sie besonders
für den Kirchenbau und Kirchenschmuck mit
einer großen Auswahl brauchbarer Entwürfe
ihren Lesern an die Hand gegangen ist, so
daß sie gerade solchen Künstlern und Kunst-
handwerkern, denen mehr die Fähigkeit der
Ausführung, als der Erfindung beiwohnt, große
Dienste geleistet hat, ihnen nichts ansinnend,
was nicht in den Rahmen der Formen, wie
der Techniken durchaus hinein paßt, zu-
gleich den liturgischen Vorschriften, wie dem
Kanon der Bildersprache konform, als einem
von der Zeitschrift mit Vorliebe' gepflegten
sinnvollen Kapitel der Kunstgeschichte.

Was bei diesem unausgesetzten Streben,
der christlichen Kunst, ihre Ideale zu wahren
durch prinzipielle Erörterung und praktische
Anleitung, in den „Abhandlungen" nicht zur
Darlegung gelangte, kam in der „Bücher-
schau" zur Sprache, wo nicht nur ein Über-
blick über die neueste Kunstliteratur geboten
wurde, sondern auch die Gelegenheit, zu ein-
seitigen Auffassungen oder Vorschlägen kunst- .
geschichtlicher, ästhetischer oder praktischer
Art Stellung zu nehmen, nicht unbenutzt blieb.

Auf diesem Wege des Rates und der Tat
meint der Herausgeber, unterstützt von seinen
zumeist langjährigen, bewährten Mitarbeitern, in
der schwierigen Zeit des jetzigen Betriebes auf
dem Gebiete der christlichen Kunst sich nützlich
erwiesen zu haben, nachMaßgabeseines Könnens;
er glaubt daher, an die treuen Leser, an alle,
denen es um den Ernst des Kunstdenkens
und -Schaffens zu tun ist, des weiteren
appellieren zu dürfen. — Gemäß der ihm früher
wiederholt gegebenen Zusage, am Schlüsse des
zweiten Jahrzehnts anderen Händen die Redak-
tion übergeben zu können, hatte er für jetzt
die Entlassung erwartet. — Daß sie ihm nicht
gewährt wurde, soll ihn nicht mutlos machen,
vielmehr ihn begeistern zur Aufbietung ge-
steigerten Eifers, im Vertrauen auf die Zu-
kunft der christlichen Kunst und ihrer Ver-
treterin, unserer Zeitschrift. Schnütgen.
 
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