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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Podlacha, Ladislaus: Abendländische Einflüsse in den Wandmalereien der griechisch-orientalischen Kirchen in der Bukowina, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0159

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277

1911. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST _ Nr. 9.

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dekorative, so darf man nicht vergessen, daß
es eine ganze Reihe von Szenen gibt, wo
dieses Prinzip nicht befolgt wird. Solche
Szenen können dann für selbständig gelten
und bekunden oft auch eine dramatische
Auffassung des dargestellten Ereignisses. So
sind beispielsweise die Engelfiguren auf dem
Gewölbe der Vorhalle in der Kirche zu Su-
czawitza (Abb. 11) und des Vorschiffes der
Kirche zu Woronetz nur dekorativ gedacht:
die ersteren tragen einen Pergamentstreifen mit
den Zeichen des Tierkreises, die letzteren eine
kreisförmige Umrahmung, in deren Mitte Maria
als Orantin mit dem Jesus-
kinde abgebildet ist. Die
Heiligenfiguren an der
Außenwand der Hauptapsis
(Abb. 1) und der beiden
Nebenapsiden (Abb. 2) wie
auch die Figuren in der
Laterne der Kuppel im
Kirchenraume sind nach der
formalen Seite hin wiederum
auf dem dekorativen Prinzip
komponiert. Man braucht
nur die symmetrische Ver-
teilung der Malereien zu ver-
folgen, und zwar mit Be-
rücksichtigung jener langen
und sich tief in die Mauer
der Apsis einschneidenden
Nischen, um diese Meinung
als gerechtfertigt anzuer-
kennen. Anders verhält es
sich mit den Gemälden an
den flachen Wänden des
Kirchenraumes. Zwar sieht
man hier Szenen, in denen
einzelne Personen ganz lose stehen und in die
Handlung nicht eingreifen, aber man sieht
auch Szenen, in denen der Maler rein dra-
matisch aufgefaßte Situationen zum Ausdruck
bringt. So in der Szene der Beweinung
Christi in der Kirche zu Woronetz und zu
Watra-Moldawitza. Dasselbe kann man in
noch höherem Maße von einem anderen
Bilde behaupten, nämlich von der Szene der
Anklage Christi bei Pilatus in den Kirchen
zu Woronetz und Watra - Moldawitza. Das
Thema reicht zwar noch in die ersten jahr-
hunderte der christlichen Kunst hinab, doch
in der Form, wie man ihm in den hier er-

Abb. 12. Suczawitza, Wurzel Jesse.
(Südliche Außenwand.)

Erfahrung nach in den abendländischen
Werken bearbeitet. Die Szene in der Kirche
zu Watra-Moldawitza stellt uns Pilatus dar,
wie er auf einem Thron sitzt und seine Hände
wäscht. Vor Pilatus steht Christus mit gebun-
denen Händen, ihn ruhig anschauend, und
von einigen Juden gehalten. Betrachtet man
die Gruppen im Bilde aufmerksamer, so be-
merkt man darin schon deutlich die Anfänge
einer dramatischen Auffassung der ganzen
Szene, die aus der Einheitlichkeit der Stim-
mung und der prägnanten Charakteristik her-
vorgeht. Trefflich wiedergegeben sind die
seelischen Vorgänge bei den
Pharisäern, und zwar nicht
nur durch eine starke Gesti-
kulation, sondern auch durch
das ausdrucksvolle Mienen-
spiel. Man beachte nur das
kalte und haßvolle Gesicht
desjenigen Juden, der den
Erlöser vor den Prokurator
führt, uml die starke Be-
wegung unter den in der
Nähe des Pilatus stehenden
und sitzenden Personen.
Ahnliches in der Szene zu
Woronetz. Die lebhafte
Bewegung unter den Juden
steht in einem schroffen
Gegensatze zu dem passiv
sich verhaltenden Christus
und bezeugt, daß der Maler
schon die bisher im Abend-
lande übliche Anwendung
der Kontrastwirkung, welche
im Dienste einer verständig
berechneten Dramatik steht,
schätzen gelernt hatte.

Endlich noch ein Beispiel, um zu zeigen,
wie die dramatische Anordnung manche Szenen
selbst dort zu beherrschen begann, wo man
ihr zu begegnen am wenigsten hoffen könnte.
Unter den byzantinischen Wandmalereien
gibt es ein Thema, welches gewöhnlich den
Namen „Wurzel Jesse" führt und als eine
Illustration des ersten Kapitels aus dem
Matthäusevangelium anzusehen ist. In dieser
Komposition sieht man Jesse auf einem Felsen
liegen und einen Baum aus seiner Brust empor-
wachsen. In die aus grünen Zweigen gebil-
deten runden oder ovalen Rahmen hat der

wähnten zwei Szenen begegnet, wird es meiner Maler einzelne Figuren oder gar Szenen ein-
 
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