HEFT 5
FACHNOTIZEN
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alles andere ist auf dieselbe Art wie oben in einen Schup-
penharnisch gehüllt, vom Halse bis zur Sohle.
Wenn wir das Bild betrachten, macht es uns den
Eindruck, als galoppierte das Pferd in einer Zirkusbahn,
ein gewandter Voltigeur springt auf das Roß, und macht
eine Pose nach vorne; aber wie springt der Mann auf
das Roß1)? Keine Gurte mit Handhabe, nicht die geringste
A'Iähne ist sichtbar; außer den Schutzwaffen, nämlich
Schuppenpanzer und Helm, hat der Reiter nichts bei sich.
Zur Beschreibung wird noch hinzugefügt, daß der Schup-
penpanzer zwischen den Beinen geteilt ist.
Wenn ein Pferd kriegsmäßig ausgerüstet wird, muß in
erster Linie die Bewegungsfreiheit seiner Gliedmaßen ga-
rantiert werden; die Panzerung darf sie nicht beeinträch-
tigen, das heißt, der Radius der Bewegung eines Gliedes
darf nicht beschränkt werden; die Oberschenkel, die
Sprunggelenke müssen sich frei bewegen können. Es
gibt Pferde, die pullety und sogenannte Sternengucker,
die bedingen auch Bewegungsfreiheit, der Kopf muß
ebenfalls vom Halse unabhängig sein; daß der Spalt so
wie beim Reiter auch beim Rosse frei bleiben muß, ist
selbstverständlich; wenn also alle diese Körperteile durch
ein metallenes Netz verdeckt würden, so würden ganze
Säcke von Eisen nötig sein, die das uns vorliegende
äthetische Bild sehr verunstalten.
Wenn es sich um Kettenpanzer handelte, so ginge dies
noch an, Schuppenpanzer jedoch anzuwenden ist undenk-
bar.
Vielleicht war dieser Schuppenpanzer an seiner unteren
Peripherie nur als überhängende Decke zu denken, und
ist es nur der Schönheitssinn des Künstlers, der sich durch
Begeisterung zur Unwahrheit verleiten ließ, und uns dieses
unlösbare Rätsel hinterließ. Wir lesen da selbst, daß die
Bewaffnung dieser Krieger aus Bogen, langen Lanzen,
Wurfspeeren, kurzen Schwertern und Wurfschlingen,
Streitäxten mit Metall beschlagenen Kolben, gekrümmten
Schwertern und Dolchen bestand. Aus dieser Mitteilung er-
scheint es klar, daß diese Völker alle Waffen gebrauchten,
aber ein reitender Bogenschütze konnte wohl keinen Wurf-
speer, noch eine Lanze führen.
Was mußte das Tier in einer solch engen Panzerung
leiden, nicht weniger aber der Reiter; der Schuppenpanzer
in diesem Maße angewendet machte aus dem leichten Reiter
einen schwer beweglichen, und die Handhabung dieses
Pferdegeschirres, sowie die Ausrüstung des Mannes mußte
im Felde unmögliche Zustände hervorrufen ■— die schwere
im Felde unmögliche Zustände hervorrufen, die schwere
eng anschließende Rüstung hierzu ohne jede Bedeckung
gegen die Sonnenstrahlen im südlichen Klima!
Jeder Kavallerist weiß, daß im Sonnenbrände schon ein
Gurtendruck seine Bedeutung hat.
Ich will mich weiter in keine Details einlassen: ich halte
diesen schuppenbepanzerten Reiter für eine Mythe. Wenn
es welche gab, so mußten sie ganz anders aussehen als
das ideale.Bild, das uns aus der Vorzeit hinterblieb; ich
glaube ein jeder Reitersmann wird mir recht geben.
Beiläufig aus derselben Zeit sind höchst interessante
Denkmäler bis auf unsere Zeit geblieben u. A. Skulpturen
der Sassaniden-Könige (siehe H. Weiß, Geschichte I. Bd.
*) Wohlgemerkt der Mann im Schuppenpanzer mit Bogen, Köcher und
Schwert bewaffnet.
S. 186). Wir sehen den König im scharfen Galopp denPfeil
nach vorne abschießend, das Pferd ist reich geschmückt,
trägt eine prunkhafte Schabracke, etwas wie ein Sattel-
kissen, das man auf dem Bilde nicht unterscheiden
kann, Vorder- und Hinterzeug mit gewaltigen flatternden
Quasten; mit dem herabhängenden Köcher an der rechten
Seite steht der König stramm im Steigbügel, der
Fuß ist bis auf den Rist im Bügel, die Fußspitze ganz nach
unten gekehrt, der Steigbügel jedoch scheint aus Leder zu
sein, etwas wie ein Band flattert daran als Zierde.
Dies ist wohl das älteste Bild des Steigbügels, das
aus der Vorzeit erhalten ist, von unschätzbarem Interesse
für den Reitersmann.
Von den Hunnen berichtet uns die Geschichte, daß sie
mit König Peroz (auch Firuz) in Berührung waren, und
von ihnen wird behauptet, daß sie schon den Steigbügel
Abb. 2.
gebrauchten; unbegreiflich ist es, daß die schwer gewapp-
neten Panzerreiter noch ohne Steigbügel abgebildet sind.
Das Werk „Die Kostümkunde“ enthält noch zahlreiche
Abbildungen von Kriegern. Alle erscheinen bewaffnet,
mit mächtigen Schwertern an der Linken, oder mit Bogen,
oder Lanzen; einzig und allein der Panzerreiter ist ganz
ohne Waffen, und streckt seine Hand nach vorn aus, als
wollte er etwas erlangen.
Wie bekannt, starb der große Attila im Jahre 453; das
Reich zerfiel, viele seiner Völker fluteten zurück nach
Osten, und sechs Jaber später finden wir die Hunnen als
Hilfsvölker des Königs Peroz (oder Firuz) bei Eroberung
des Sassaniden-Thrones.
Je mehr man über die Gestalt unseres Panzerreiters
nachgrübelt, um so schwerer erscheint die Erklärung; all die
erwähnten Abbildungen zeigen die Krieger im Waffen-
schmucke, keiner entbehrt des Schwertes, mancher ist in
voller Rüstung, mit Lanze oder Bogen und Pfeil samt
Köcher abgebildet; und die Gestalt, welche den typischesten
Krieger darstellen soll, entbehrt jeden kriegerischen Attri-
butes und streckt die Rechte flehend nach vorne.
So kriegerischen Sinnes die Völker Attilas waren, die
Hunnen, Avaren und wohl auch die Vorfahren, des Ungarn
und andere, die Eigentümlichkeit ihrer nationalen Tracht
FACHNOTIZEN
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alles andere ist auf dieselbe Art wie oben in einen Schup-
penharnisch gehüllt, vom Halse bis zur Sohle.
Wenn wir das Bild betrachten, macht es uns den
Eindruck, als galoppierte das Pferd in einer Zirkusbahn,
ein gewandter Voltigeur springt auf das Roß, und macht
eine Pose nach vorne; aber wie springt der Mann auf
das Roß1)? Keine Gurte mit Handhabe, nicht die geringste
A'Iähne ist sichtbar; außer den Schutzwaffen, nämlich
Schuppenpanzer und Helm, hat der Reiter nichts bei sich.
Zur Beschreibung wird noch hinzugefügt, daß der Schup-
penpanzer zwischen den Beinen geteilt ist.
Wenn ein Pferd kriegsmäßig ausgerüstet wird, muß in
erster Linie die Bewegungsfreiheit seiner Gliedmaßen ga-
rantiert werden; die Panzerung darf sie nicht beeinträch-
tigen, das heißt, der Radius der Bewegung eines Gliedes
darf nicht beschränkt werden; die Oberschenkel, die
Sprunggelenke müssen sich frei bewegen können. Es
gibt Pferde, die pullety und sogenannte Sternengucker,
die bedingen auch Bewegungsfreiheit, der Kopf muß
ebenfalls vom Halse unabhängig sein; daß der Spalt so
wie beim Reiter auch beim Rosse frei bleiben muß, ist
selbstverständlich; wenn also alle diese Körperteile durch
ein metallenes Netz verdeckt würden, so würden ganze
Säcke von Eisen nötig sein, die das uns vorliegende
äthetische Bild sehr verunstalten.
Wenn es sich um Kettenpanzer handelte, so ginge dies
noch an, Schuppenpanzer jedoch anzuwenden ist undenk-
bar.
Vielleicht war dieser Schuppenpanzer an seiner unteren
Peripherie nur als überhängende Decke zu denken, und
ist es nur der Schönheitssinn des Künstlers, der sich durch
Begeisterung zur Unwahrheit verleiten ließ, und uns dieses
unlösbare Rätsel hinterließ. Wir lesen da selbst, daß die
Bewaffnung dieser Krieger aus Bogen, langen Lanzen,
Wurfspeeren, kurzen Schwertern und Wurfschlingen,
Streitäxten mit Metall beschlagenen Kolben, gekrümmten
Schwertern und Dolchen bestand. Aus dieser Mitteilung er-
scheint es klar, daß diese Völker alle Waffen gebrauchten,
aber ein reitender Bogenschütze konnte wohl keinen Wurf-
speer, noch eine Lanze führen.
Was mußte das Tier in einer solch engen Panzerung
leiden, nicht weniger aber der Reiter; der Schuppenpanzer
in diesem Maße angewendet machte aus dem leichten Reiter
einen schwer beweglichen, und die Handhabung dieses
Pferdegeschirres, sowie die Ausrüstung des Mannes mußte
im Felde unmögliche Zustände hervorrufen ■— die schwere
im Felde unmögliche Zustände hervorrufen, die schwere
eng anschließende Rüstung hierzu ohne jede Bedeckung
gegen die Sonnenstrahlen im südlichen Klima!
Jeder Kavallerist weiß, daß im Sonnenbrände schon ein
Gurtendruck seine Bedeutung hat.
Ich will mich weiter in keine Details einlassen: ich halte
diesen schuppenbepanzerten Reiter für eine Mythe. Wenn
es welche gab, so mußten sie ganz anders aussehen als
das ideale.Bild, das uns aus der Vorzeit hinterblieb; ich
glaube ein jeder Reitersmann wird mir recht geben.
Beiläufig aus derselben Zeit sind höchst interessante
Denkmäler bis auf unsere Zeit geblieben u. A. Skulpturen
der Sassaniden-Könige (siehe H. Weiß, Geschichte I. Bd.
*) Wohlgemerkt der Mann im Schuppenpanzer mit Bogen, Köcher und
Schwert bewaffnet.
S. 186). Wir sehen den König im scharfen Galopp denPfeil
nach vorne abschießend, das Pferd ist reich geschmückt,
trägt eine prunkhafte Schabracke, etwas wie ein Sattel-
kissen, das man auf dem Bilde nicht unterscheiden
kann, Vorder- und Hinterzeug mit gewaltigen flatternden
Quasten; mit dem herabhängenden Köcher an der rechten
Seite steht der König stramm im Steigbügel, der
Fuß ist bis auf den Rist im Bügel, die Fußspitze ganz nach
unten gekehrt, der Steigbügel jedoch scheint aus Leder zu
sein, etwas wie ein Band flattert daran als Zierde.
Dies ist wohl das älteste Bild des Steigbügels, das
aus der Vorzeit erhalten ist, von unschätzbarem Interesse
für den Reitersmann.
Von den Hunnen berichtet uns die Geschichte, daß sie
mit König Peroz (auch Firuz) in Berührung waren, und
von ihnen wird behauptet, daß sie schon den Steigbügel
Abb. 2.
gebrauchten; unbegreiflich ist es, daß die schwer gewapp-
neten Panzerreiter noch ohne Steigbügel abgebildet sind.
Das Werk „Die Kostümkunde“ enthält noch zahlreiche
Abbildungen von Kriegern. Alle erscheinen bewaffnet,
mit mächtigen Schwertern an der Linken, oder mit Bogen,
oder Lanzen; einzig und allein der Panzerreiter ist ganz
ohne Waffen, und streckt seine Hand nach vorn aus, als
wollte er etwas erlangen.
Wie bekannt, starb der große Attila im Jahre 453; das
Reich zerfiel, viele seiner Völker fluteten zurück nach
Osten, und sechs Jaber später finden wir die Hunnen als
Hilfsvölker des Königs Peroz (oder Firuz) bei Eroberung
des Sassaniden-Thrones.
Je mehr man über die Gestalt unseres Panzerreiters
nachgrübelt, um so schwerer erscheint die Erklärung; all die
erwähnten Abbildungen zeigen die Krieger im Waffen-
schmucke, keiner entbehrt des Schwertes, mancher ist in
voller Rüstung, mit Lanze oder Bogen und Pfeil samt
Köcher abgebildet; und die Gestalt, welche den typischesten
Krieger darstellen soll, entbehrt jeden kriegerischen Attri-
butes und streckt die Rechte flehend nach vorne.
So kriegerischen Sinnes die Völker Attilas waren, die
Hunnen, Avaren und wohl auch die Vorfahren, des Ungarn
und andere, die Eigentümlichkeit ihrer nationalen Tracht