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L I T E R A T U R
BAND 1
In dieser Arbeit zeigt sich die Gründlichkeit der Unter-
suchungen Buttins, die dank seinen fleißigen historischen
Forschungen in der Aufklärung schwieriger Fragen und
Entzifferung scheinbar unlösbarer Rätsel gipfelt, im besten
Lichte.
In der Gemäldeausstellung der Marschälle und Conne-
tables von Frankreich, die i. J. 1922 in den Sälen des Pa-
lais der Ehrenlegion stattfand, befand sich auch das Por-
trait eines schlanken Mannes im Harnisch, das in der
linken oberen Ecke die deutsche Inschrift: „Der Connesta-
bel in Franckreich“ trägt. Dieses Bild aus dem Besitze des
Museums zu Versailles ist dort, vermutlich im Hinblick
auf die Inschrift, als „der deutschen Schule angehörig und
den Connetable Anne de Montmorency darstellend“ be-
zeichnet.
Buttin weist nun zunächst nach, daß diese Zuteilung
schon deshalb nicht richtig sein kann, weil die Form des
abgebildeten Harnisches ziemlich genau dem Jahre 1570
entspricht, während Anne de Montmorency bereits 1567
in der Schlacht bei Saint-Denis tödlich verwundet wurde.
Selbst wenn man aber auch die Zeit des Harnisches auf
1565, als äußerste Grenze, zurückdatieren wollte, so würde
dem doch der Umstand entgegenstehen, daß Anne deMont-
morency in diesem Jahre bereits 72 Jahre zählte, während
das Portrait die Züge eines 35 bis 40 jährigen Mannes er-
kennen läßt. Hierzu kommt ferner die völlige Unähnlich-
keit des Letzteren mit dem berühmten Emailbild des Anne
de Montmorency von Leonard Limosin im Louvre-Museum,
sowie der erhebliche Unterschied zwischen der schlanken
Figur des Portraits und der breitschultrigen des Anne de
Montmorency, wie dies auch die äußeren Proportionen sei-
nes aus der Ambraser Sammlung i. J. 1806 nach Paris über-
führten Harnisches, sowie seiner anderen, in der Schlacht
bei St. Quentin (1557) getragenen und jetzt in der Samm-
lung des Grafen Pembroke befindlichen Rüstung beweisen.
Ebenso kann auch sein zweiter Sohn, Henri I., auf den
erst i. J. 1593 die Würde eines Connetable überging, wegen
der absoluten Verschiedenheit der Gesichtszüge mit dem
fraglichen Portrait nicht in Betracht kommen.
Alle diese Zweifel in der Persönlichkeit des Dargestell-
ten werden von Buttin durchaus glaubwürdig behoben.
Er weist darauf hin, wie Erzherzog Ferdinand von Tirol
um 1575 bei Anlegung seiner berühmten Ambraser Waffen-
sammlung gleichzeitig mit den als Geschenk erbetenen
Harnischen berühmter Persönlichkeiten auch deren Por-
traits zu erlangen suchte, um sie für das von ihm ge-
plante „Armamentarium heroicum“ zu verwerten, das die Ab-
bildungen der in seiner Sammlung befindlichen Harnische
nebst den Biographien ihrer Eigner enthalten sollte. Mit
der Ausführung dieses Werkes wurde sein Geheimschreiber
Jacob Schrenckh von Notzingen betraut, während die mög-
lichst getreuen Abbildungen der übersandten Harnischeund
ihrer portraitähnlichen Träger von der Hand des talentier-
ten Malers Giovanni Battista Fontana stammen.
Zu den auf Befehl Napoleons I., i. J. 1806 aus Ambras
nach Paris überführten französischen Harnischen nebst da-
zugehörigen Portraits gehörte aber aller Wahrscheinlich-
keit nach auch das hier in Rede stehende Bild des Museums
zu Versailles, das unter den im Werke des Schrenckh von
Notzingen dargestellten drei Mitgliedern der Familie
Montmorency nach dem nachgewiesenen Ausscheiden des
Connetable Anne und seines zweiten Sohnes Henri I., nur
dessen älteren Sohn Francois darstellen kann, mit dessen
Gesichtszügen es völlig übereinstimmt. Mit dieser Fest-
stellung scheint zwar die deutsche Bezeichnung als „Con-
nestable in Franckreich“ im Widerspruch zu stehen, da
Francois nach dem Tode seines Vaters i. J. 1567 zwar zum
Marschall, aber infolge seiner Verwicklung in politische
Intriguen auch später nicht zum Connetable ernannt wor-
den ist. Nach der nicht von der Hand zu weisenden Ver-
mutung Buttins dürfte sich jedoch jene irrtümliche Be-
zeichnung dadurch erklären, daß, als i. J. 1593 die Nach-
richt von der Ernennung des Henri I. de Montmorency
zum Connetable von Frankreich nach Ambras gelangte, der
mit der Richtigstellung der Portraittitel von dem Erzher-
zog beauftragte Schrenckh von Notzingen diesen neuen
Titel irrtümlicherweise auf das Portrait des Francois von
Montmorency setzte, während die den Abbildungen der
beiden Brüder in dem Armamentarium heroicum beigege-
benen und bereits abgeschlossenen Biographien der Würde
eines Connetable überhaupt keine Erwähnung tun.
Die schon durch diese Schlußfolgerungen überaus wahr-
scheinlich gemachte Identität des Versailler Portraits mit
Francois de Montmorency wird aber durch einen weiteren
scharfsinnigen Nachweis Buttins zur absoluten Gewißheit.
Der Harnisch des auf dem Portrait dargestellten Fran-
cois de Montmorency ist nämlich, wie dies auch bei ande-
ren s. Zt. mitübersandten Portraits häufig der Fall, nicht
identisch mit dem von ihm nach Ambras geschickten und
i. J. 1806 nach Paris zurückgebrachten, welch letzterer da-
gegen der Abbildung im Armamentarium genau entspricht.
Dieser bis jetzt noch nicht wiedergefundene Harnisch des
Portraits, der Form nach französischen Ursprungs, zeigt
in dem Dekor der ihn bedeckenden breiten goldtauschirten
Zierstreifen ein Schleifenmuster, in welchem sich auf allen
Hauptteilen ein seltsames, kabbalistisch anmutendes Mo-
nogramm wiederholt, und zwar zwei nach Art des Sigels
Salomos mit einander verflochtene gleichseitige Drei-
ecke, die somit einen sechseckigen Stern bilden. Mit die-
sem Stern erscheint ferner in gleicher Größe verflochten
ein O, senkrecht geteilt durch ein langes I, dessen Mitte
ein kleineres S umschränkt. Dem Scharfsinn Buttins ist es
gelungen, auch dieses Rätsel' zu entziffern, indem er auf
den häufigen Gebrauch des 16. Jahrh. hinweist, in Mono-
grammen das unsymmetrische und schwer zu verflech-
tende lateinische große F durch das große griechische <t>
zu ersetzen, dessen äußerlich gefällige Form sich einer
Verflechtung vollkommen symmetrisch einfügen läßt. Im
vorliegenden Falle stellt also das O, geteilt durch das I,
ein griechisches <t> vor, als Ersatz für das lateinische F.
Zeigt doch auch der Wahlspruch des großen Connetable
Anne de Montmorency, der sich nicht weniger als viermal
auf der Umrahmung seines oben genannten Emailbildes
wiederholt, das griechische Wort AirXavüic („Unentwegt“).
Indem somit das <t> als Ersatz des F die Initiale des Na-
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In dieser Arbeit zeigt sich die Gründlichkeit der Unter-
suchungen Buttins, die dank seinen fleißigen historischen
Forschungen in der Aufklärung schwieriger Fragen und
Entzifferung scheinbar unlösbarer Rätsel gipfelt, im besten
Lichte.
In der Gemäldeausstellung der Marschälle und Conne-
tables von Frankreich, die i. J. 1922 in den Sälen des Pa-
lais der Ehrenlegion stattfand, befand sich auch das Por-
trait eines schlanken Mannes im Harnisch, das in der
linken oberen Ecke die deutsche Inschrift: „Der Connesta-
bel in Franckreich“ trägt. Dieses Bild aus dem Besitze des
Museums zu Versailles ist dort, vermutlich im Hinblick
auf die Inschrift, als „der deutschen Schule angehörig und
den Connetable Anne de Montmorency darstellend“ be-
zeichnet.
Buttin weist nun zunächst nach, daß diese Zuteilung
schon deshalb nicht richtig sein kann, weil die Form des
abgebildeten Harnisches ziemlich genau dem Jahre 1570
entspricht, während Anne de Montmorency bereits 1567
in der Schlacht bei Saint-Denis tödlich verwundet wurde.
Selbst wenn man aber auch die Zeit des Harnisches auf
1565, als äußerste Grenze, zurückdatieren wollte, so würde
dem doch der Umstand entgegenstehen, daß Anne deMont-
morency in diesem Jahre bereits 72 Jahre zählte, während
das Portrait die Züge eines 35 bis 40 jährigen Mannes er-
kennen läßt. Hierzu kommt ferner die völlige Unähnlich-
keit des Letzteren mit dem berühmten Emailbild des Anne
de Montmorency von Leonard Limosin im Louvre-Museum,
sowie der erhebliche Unterschied zwischen der schlanken
Figur des Portraits und der breitschultrigen des Anne de
Montmorency, wie dies auch die äußeren Proportionen sei-
nes aus der Ambraser Sammlung i. J. 1806 nach Paris über-
führten Harnisches, sowie seiner anderen, in der Schlacht
bei St. Quentin (1557) getragenen und jetzt in der Samm-
lung des Grafen Pembroke befindlichen Rüstung beweisen.
Ebenso kann auch sein zweiter Sohn, Henri I., auf den
erst i. J. 1593 die Würde eines Connetable überging, wegen
der absoluten Verschiedenheit der Gesichtszüge mit dem
fraglichen Portrait nicht in Betracht kommen.
Alle diese Zweifel in der Persönlichkeit des Dargestell-
ten werden von Buttin durchaus glaubwürdig behoben.
Er weist darauf hin, wie Erzherzog Ferdinand von Tirol
um 1575 bei Anlegung seiner berühmten Ambraser Waffen-
sammlung gleichzeitig mit den als Geschenk erbetenen
Harnischen berühmter Persönlichkeiten auch deren Por-
traits zu erlangen suchte, um sie für das von ihm ge-
plante „Armamentarium heroicum“ zu verwerten, das die Ab-
bildungen der in seiner Sammlung befindlichen Harnische
nebst den Biographien ihrer Eigner enthalten sollte. Mit
der Ausführung dieses Werkes wurde sein Geheimschreiber
Jacob Schrenckh von Notzingen betraut, während die mög-
lichst getreuen Abbildungen der übersandten Harnischeund
ihrer portraitähnlichen Träger von der Hand des talentier-
ten Malers Giovanni Battista Fontana stammen.
Zu den auf Befehl Napoleons I., i. J. 1806 aus Ambras
nach Paris überführten französischen Harnischen nebst da-
zugehörigen Portraits gehörte aber aller Wahrscheinlich-
keit nach auch das hier in Rede stehende Bild des Museums
zu Versailles, das unter den im Werke des Schrenckh von
Notzingen dargestellten drei Mitgliedern der Familie
Montmorency nach dem nachgewiesenen Ausscheiden des
Connetable Anne und seines zweiten Sohnes Henri I., nur
dessen älteren Sohn Francois darstellen kann, mit dessen
Gesichtszügen es völlig übereinstimmt. Mit dieser Fest-
stellung scheint zwar die deutsche Bezeichnung als „Con-
nestable in Franckreich“ im Widerspruch zu stehen, da
Francois nach dem Tode seines Vaters i. J. 1567 zwar zum
Marschall, aber infolge seiner Verwicklung in politische
Intriguen auch später nicht zum Connetable ernannt wor-
den ist. Nach der nicht von der Hand zu weisenden Ver-
mutung Buttins dürfte sich jedoch jene irrtümliche Be-
zeichnung dadurch erklären, daß, als i. J. 1593 die Nach-
richt von der Ernennung des Henri I. de Montmorency
zum Connetable von Frankreich nach Ambras gelangte, der
mit der Richtigstellung der Portraittitel von dem Erzher-
zog beauftragte Schrenckh von Notzingen diesen neuen
Titel irrtümlicherweise auf das Portrait des Francois von
Montmorency setzte, während die den Abbildungen der
beiden Brüder in dem Armamentarium heroicum beigege-
benen und bereits abgeschlossenen Biographien der Würde
eines Connetable überhaupt keine Erwähnung tun.
Die schon durch diese Schlußfolgerungen überaus wahr-
scheinlich gemachte Identität des Versailler Portraits mit
Francois de Montmorency wird aber durch einen weiteren
scharfsinnigen Nachweis Buttins zur absoluten Gewißheit.
Der Harnisch des auf dem Portrait dargestellten Fran-
cois de Montmorency ist nämlich, wie dies auch bei ande-
ren s. Zt. mitübersandten Portraits häufig der Fall, nicht
identisch mit dem von ihm nach Ambras geschickten und
i. J. 1806 nach Paris zurückgebrachten, welch letzterer da-
gegen der Abbildung im Armamentarium genau entspricht.
Dieser bis jetzt noch nicht wiedergefundene Harnisch des
Portraits, der Form nach französischen Ursprungs, zeigt
in dem Dekor der ihn bedeckenden breiten goldtauschirten
Zierstreifen ein Schleifenmuster, in welchem sich auf allen
Hauptteilen ein seltsames, kabbalistisch anmutendes Mo-
nogramm wiederholt, und zwar zwei nach Art des Sigels
Salomos mit einander verflochtene gleichseitige Drei-
ecke, die somit einen sechseckigen Stern bilden. Mit die-
sem Stern erscheint ferner in gleicher Größe verflochten
ein O, senkrecht geteilt durch ein langes I, dessen Mitte
ein kleineres S umschränkt. Dem Scharfsinn Buttins ist es
gelungen, auch dieses Rätsel' zu entziffern, indem er auf
den häufigen Gebrauch des 16. Jahrh. hinweist, in Mono-
grammen das unsymmetrische und schwer zu verflech-
tende lateinische große F durch das große griechische <t>
zu ersetzen, dessen äußerlich gefällige Form sich einer
Verflechtung vollkommen symmetrisch einfügen läßt. Im
vorliegenden Falle stellt also das O, geteilt durch das I,
ein griechisches <t> vor, als Ersatz für das lateinische F.
Zeigt doch auch der Wahlspruch des großen Connetable
Anne de Montmorency, der sich nicht weniger als viermal
auf der Umrahmung seines oben genannten Emailbildes
wiederholt, das griechische Wort AirXavüic („Unentwegt“).
Indem somit das <t> als Ersatz des F die Initiale des Na-