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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 44.1928-1929

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Hentze, C.: Zwei Beispiele der Khmer-Kunst
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Eberhard, H. S.: Die befruchtende Not
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https://doi.org/10.11588/diglit.14159#0353

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ZWEI BEISPIELE DER KHM ERKUNST*)

Für HinLerindien ist Kambodja und seine
Khmerkunst besonders reich an erhaltenen
Kunstdenkmälern. Gewiß zeichnen sich manche
Völker vor anderen durch eine besondere plasti-
sche Begabung aus. Das trifft vor allem für die
Khmer zu. Die starke Vereinfachung der äuße-
renForm geht zusammenmit einer überraschen-
den Sensibilität der Oberfläche. Die beiden ab-
gebildeten Köpfe stammen aus der klassischen
Zeit. Abb. S. 319 (Musee Guimet, Paris) stellt

*) Hiczu die beiden Abbildungen auf S. 519 und geg. S. 520,
entnommen dem ~\Yerke „Asiatische Kunst. Ausstellung
Köln 1926", bearbeitet von Alfred Salmony, mit Anmer-
kungen von Paul Pelliot.

denKopf eines Devatta vor aus West-Kambodja
(Anghor-Thom), g.—16. Jahrhundert. Abb.
geg. S. 320 (Musee lndochinois, Paris) ist eine
Detailaufnahme des silzenden Buddhas unter
der vielköpfigen Nagaschlange. Mittel-Kam-
bodja (aus dem Prah-Khan-Tempel), Anfang
des l]. Jahrhunderts. Die ungeheure Belebtheit
der Modellierung und die Flächeiireduklion
schaffen einen j^-chologischen Ausdruck von
höchster Vollendung. Die Darstellung illustriert
die Sage von dem Nagakönig Mucilinda, der
seine Köpfe wie ein Dach schützend ausbreitet
über dem Buddha, versunken in Meditationen
über seine Mission. c. Hentze

DIE BEFRUCHTENDE NOT

Noch immer ist die allgemeine Ansicht so: daß
der Künstler, was seine persönliche wirtschaft-
liche Situation betrifft, kämpfen und ringen solle,
denn nur so, aus der schweren Not heraus, ent-
falte sich seine Schaffenskraft zu den schönsten
und reichsten Gipfelleistungen, während er
andererseits, in Wohlleben geselzt, behäbiger
Unbedeutendheit oder gar Unfruchtbarkeit ver-
fallen würde. Der Gedanke ist Allgemeinplatz
geworden, gebärdet sich wie aprioristische Wahr-
heit. Seinen Gehalt einmal ganz anders und all-
gemein auszusprechen ist nötig, um wieder kri-
tische Distanz zu ihm zu bekommen. Er lautet
dann etwa so: der durch allerlei Xöte und Wider-
wärtigkeiten geistig und körperlich zermürbte
und aufgeriebene Mensch erst ist zu einer großen,
kraftvollen Tat wahrhaft zubereitet. Oder: ein
Ziel erreicht sich am besten auf möglichst an-
strengenden Umwegen.

Die Sätze führen sich selbst ad absurdum. Der
Gedanke von der Not als einem Freund des Künst-
lers kleidet überhaupt nur die Gedankenlosen
und Sentimentalen. Der Denker weiß, daß jede
Entwicklung — und jede Arbeit ist Entwick-
lung — nach einem ehernen Naturprinzip sich
in der Linie des geringsten Widerstandes bewegen
muß, wenn anders die vorhandene Kraft zur
Überwindung des Widerstandes und zum Ge-
lingen des Werkes selbst richtig ausgenutzt
werden soll. Es dreht sich hier um dasselbe, was
wir anders lapidar die ..Konzentration der Kräfte"
nennen, ein selbstverständliches Postulat für jede
ernsthafte Arbeit.

Seltsam — nur bei dem künstlerischen Schaffen
wollen wir plötzlich dies ewig gültige Naturge-

setz der Entwicklung nach dem Prinzip des klein-
sten Kraftmaßes dementieren. Warum? Die Not
ist auch dem Künstler nur immer Feind, sie frißt
an seiner Zeit und Kraft, sie will ihn wegdrängen
von den schöpferischen Quellen seines Inneren.
Und wie leicht vermöchte sie das. wäre Schaffen
dem wahren Künstler Erwerb und nicht innerer
Zwang. So aber ist ihm Not nicht weiter Pro-
blem, er vergißt sie immer wieder über seinem
Schaffen. So war auch der, dessen an Hemmun-
gen und AYiderwärtigkeiten so reiches Leben oft
das Exempel abgeben soll für die Theorie von der
„befruchtenden Not" : Mozart, das ewiglächelnde,
schwärmerische, verliebte Kind des Rokoko.
Bliebe noch zu erörtern, ob Wohlstand wirklich
die Schaffenskraft des Künstlers umgarnt und
stillegt. Das markanteste Argument liefert jener
Maler, der die Millionärstochter heiratete und
seitdem keinen Pinsel mehr anrührte. Es muß
aber mit Nachdruck auf den Unterschied hinge-
wiesen werden zwischen dem bloßen Maler und
dem Künstler, zwischen Können und Kunst,
zwischen dem Handwerker und dem schaffenden
geistigen Menschen. Es muß gesagt werden, daß
ein großes Kunstproletariat existiert, das, auf
Akademien und Hochschulen gezüchtet, in den
technischen Voraussetzungen zwar leidlich gut
abgerichtet, doch ohne schöpferische Kraft, ohne
inneren Zwang zu seinem Tun, ohne eigenes
Ziel-Wissen ist und dem die Bezeichnung
..Künstler'" keineswegs zukommt. Hier veranlaßt
allerdings der Wohlstand satten Müßiggang und
die Not die schmerzlose Abwanderung in das
Ubi bene. Dem wahren Künstler aber ist beides
nur äußeres Schicksal. h. s. Eberhard

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