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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 44.1928-1929

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Baum, Julius: Neue Kunst in Kleinstadtmuseen
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Delius, Rudolf von: Alte und Neue Sachlichkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.14159#0074

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Caspar ein ernstes und groß gesehenes Boden-
seebild, von Unold die Ruderer. Ihnen reiht
sich der in Stuttgart geborene Julius Heß an.
Besonders soll die Kunst des eigentlichen Ober-
schwabens, von der Alb bis zum Bodensee, in
der Sammlung gepflegt werden. Von Ulmer
Meistern sind bezeichnende Werke der Maler
Albert Unseld, Ludwig Moos,Karl Schäfer (Abb.
geg. S. 60), Wolfgang Zeller zu finden. Nicht
vergessen werden darf eine schöne französische
Landschaft, Douamenez (1912) des Ulmers
Edwin ScharfF, der heute als Bildhauer sich des
größten Ruhmes unter seinen Landsleuten
erfreut. Von Karl Stirner besitztdie Sammlung
ein anmutiges Zirkusbild (x\bb.S. 58). Die jüngste
Kunst des Bodensees ist durch einen Boots-
hafen des Bregenzers Rudolf Wacker vertreten
(Abb. S. 61). Aus dem Gebiete der schweize-
rischen Malerei konnte eine kraftvolle Land-
schaft von Adolf Stäbli erworben werden. Die
jüngste Züricher Kunst wird durch ein phanta-
stisches Zürichseebild von Karl Hügin nicht
schlecht gekennzeichnet. ^ on Bildwerken der
alemannischen Künstler sind bisher wenigstens
eine Knieende von Jakob Wilhelm Fehrle
und ein stehender Akt von Haller Eigentum
des Museums. Die Erwerbung der Amazone
des früh verstorbenen Baslers Karl Burck-
hardt wird angestrebt. Da Bedacht darauf
genommen wurde, von allen diesen Künstlern
möglichst gute Leistungen zu erwerben, so
tritt talsächlich der Fall ein, daß das ört-
liche Schaffen sich von den Y\ erken der all-

gemein anerkannten Meister nicht allzu stark
entfernt.

Im übrigen bleibt in Ulm dem Kupferstich-
kabinett vorbehaiten, zunächst die Lücken aus-
zufüllen, die in der Gemäldegalerie bestehen.
Hier wird planmäßig daran gearbeitet, alle nam-
haften Künstler der Gegenwart durch be-
deutende graphische Schöpfungen vertreten zu
lassen; die jedes Jahr im Sommer stattfindenden
Ausstellungen der Bestände an jüngster Graphik
zeigen, daß die Ulmer Sammlung auf diesem
Gebiete hinter keinem größeren Museum zu-
rückstehen muß.

Der W iderhall der Bestrebungen in einer Stadl,
in der für alte Kunst viel Verständnis herrscht,
für diejedoch bis vor wenigen Jahren die Kunst
der Gegenwart überhaupt nicht vorhanden war,
ist naturgemäß zunächst nicht allzu stark.
Immerhin zeigt sichschon heute dieaufgewandte
Mühe als nicht umsonst geleistet. Der Ein-
heimische, wie auch der Fremde, sucht in Ulm
nicht nur mehr die alte Kunst
Was in UJm versucht wurde, gilt für alle Städte
in der gleichen Größe. Sind es alte Residenzen
wie Weimar, oder ist die Bevölkerung beweg-
licher wie in den rheinischen Orten, so wird
die Museumsleitung leichtere Arbeit haben.
Gerade, daß in einer Stadt mit einer so stark
betonten, das Neue zunächst ablehnenden Über-
lieferung, wie Ulm, ein modernes Museum
geschaffen werden konnte, sollte anderswo ein
Ansporn sein, Ähnliches zu unternehmen.

Julius Baum

ALTE UND NEUE SACHLICHKEIT

Gewiß, unser Leben ist überaus sachlich ge-
worden, und so fordert man zur Ubereinstim-
mung auch von der Kunst „Sachlichkeil". Nun
gut: Ehrlichkeit ist immer die Hauptsache;
wer nüchtern ist, soll auch nur ja nüchtern
malen. Doch diese Apostel ahnen wohl nicht,
daß die Aslhelik der klassischen Zeit ebenfalls
auf das Sachliche drang. Hegel, der Gipfel des
neueren Denkens, schärft immer wieder ein,
daß der große Künstler „die Sache selbst" re-
den lassen müsse, daß er seine Subjektivität
zurückstellen solle. Aber welcher Unterschied !
Der Klassiker weiß, daß die „Sache selbst" ein
Geistorganismus ist und er verlangt vom Künst-

ler, daß er die Wesensstruktur in ihrer ein-
fachen Lichtschärfe herausliebe, daß er jenes
„diamantene Netz" funkeln lasse, in das die
Welt hineingebaut ist, wie Hegel so schön sagt
Es entsteht dann auch ein Stil höchster Ein-
fachheit, es ist gleichsam der Geist nackt und
bloß, schlicht aber wesentlich; eine leichte hei-
tere Vornehmheit, etwas unbeschwert Feines,
das selig in sich ruht Dieser Stil ist auch sach-
lich, aber gewissermaßen von innen her.
Die heutige Sachlichkeit beginnt beim Außen
und läßt allen Schmuck und Prunk weg — bis
das Gerippe da ist. Aber diese Knochen der
Dinge sind tot,maschinenhaft eine Abstraktion,

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