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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 44.1928-1929

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Wolf, Georg Jacob: Franz von Stuck
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https://doi.org/10.11588/diglit.14159#0067

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FRANZ VON STUCK f

Franz von Stucks Hinscheiden, unerwartet aus
dem reichen Arbeitstag des Meisters heraus er-
folgt, schließt ein harmonisches und zugleich
gigantisches Leben und Schaffen mit schriller
Dissonanz ab. Eine Lücke klafft, und noch wagt
man nicht einmal daran zu denken, wer einst den
Meister ersetzen soll in den äußeren Bekundungen
seiner Wirksamkeit: als Lehrer der Akademie,
als führende Kraft der „Secession", als eine stets
weise beratende und willig gehörte kunstpolitische
Kapazität. Kann Stuck, den man sich aus dem
kulturellen Gesamtbild Münchens nicht fortden-
ken kann, überhaupt ersetzt werden? Gibt es
für ihn als persönliche Ganzheit oder gibt es auch
nur für bestimmte Funktionen der Gesamtlei-
stung Stucks einen Nachfolger? Man sagt, kein
Menschenkind sei unersetzbar. Ob aber der Er-
satz immer so sein kann, daß in ihm und durch
ihn das Wesen des Verlorenen weiterlebt oder
wiederaufersteht? Ich kann mir einen Nachfolger
Stucks nicht denken, es sei denn, es trete ein ganz
anders Gearteter, der nur gewisse Charakterzüge
mit Stuck gemein hat: seine Energie, seine Wil-
lensstärke, sein heldenmütiges Bejahertum, seine
Lebenskunst, an seine Stelle und er versuche erst
gar nicht, ihm im Lebens- und Schaffensausdruck

zu gleichen. Stuck war ein Einmaliger — und
darum trägt unser Verlust das Kennzeichen des
Unwiederbringlichen.

Stuck war zuteil geworden, was nur den Glücks-
kindern, den Auserwählten des Schicksals als
Geschenk in die Wiege gelegt wird, nicht zu er-
ringen durch Fleiß und Mühe und Können, aber
auch der ewig unverlierbare Schatz ihres Herzens:
Persönlichkeit. Seine Persönlichkeit war da vom
ersten Schritt an, den er in die Öffentlichkeit tat,
gerade so wie die Eigenart seines Strichs und
seiner Pinselführung den cantus firmus, die
Grundmelodie seines Schaffens von der ersten
Zeichnung bis zum letzten Pinselhieb bildet und
von Anbeginn da war. Daraus erklärt es sich,
daß bei Stuck das Sein, die Macht der Beharrung,
allzeit stärker war als das Werden, die Kraft der
Bewegung. Stucks starke Persönlichkeit schlug
überall vor, wie in jeder Bekundung seines per-
sönlichen, privaten Lebens, so auch in jedem Do-
kument seiner Kunst. Sie war bei weitem mäch-
tiger als die Entwicklungsmomente, denn Franz
Stuck war trotz seiner Jugend schon als ein Fer-
tiger in die deutsche Kunst eingetreten und hatte
seitdem wenig Wandlungen erlebt. Was sich in
der Entwicklung der deutschen Kunst innerhalb

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