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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 44.1928-1929

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Roessler, Arthur: Sehen, Schauen und Anschauung
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https://doi.org/10.11588/diglit.14159#0018

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WILHELM SCHMID. LANDSCHAFT BEI PARIS

SEHEN, SCHAUEN UND ANSCHAUUNG

Des Menschen leibliches Auge ist von Natur sehen und unterscheiden. Aber auch dann noch

aus so mangelhaft, daß es, wie durch wissen- gibt es zwischen Sehen und Sehen unzählige

schaftliche Untersuchungen einwandfrei fest- Abstufungen, Steigerungen je nach der phy-

gestellt wurde, den Unterschied der Raumtiefen sischen Befähigung des Auges und ihrer Aus-

und Weiten, somit also die Entfernungen und hildung.

die talsächliche Verschiedenheit der Größen- Beträchtlicher und bedeutender sind sodann

Wirkungen der Objekte, beziehungsweise deren die Unterschiede zwischen Sehen und Schauen,

wirkliche Größenunterschiede, aus eigener Fä- Am bedeutendsten sind die Unterschiede zwi-

higkeit nicht zu erkennen vermag. Was nah, sehen Sehen und Anschauung, dem ins Geistige

was fern, was groß, was klein ist, und wie nah reichenden Sehen. Auch diesem gesteigerten

oder fern, wie groß oder klein, das lernt das Sehen eignet nicht bloß eine Form, ein Grad,

Menschenauge erst nach und nach sehen. Zu- eine Stärke, sondern viele Formen, Grade und

erst durch die Erfahrung, die der Tastsinn ver- Stärken. Denn das durchgeistigte Auge des

mittelt, später durch die körperliche Bewegung Menschen gelangt gleichwohl nicht sofort zu

im Raum. Noch später lernt das Auge Farben einer Höhe, Tiefe und Weite gleichmäßig um-

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