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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 44.1928-1929

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Wolf, Georg Jacob: Hugo von Habermann
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https://doi.org/10.11588/diglit.14159#0294

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HUGO VON HABERMANN f

Das Hinscheiden Hugo Freiherrn von Haber- boren, studierte er zuerst Rechtswissenschaft,
mannsreißt in die Reihen der Münchner Kunst- aber der tief eingewurzelte, vordem verschüttet
lerschaft eine unausfüllbare Lücke. Dies gilt gelegene künstlerische Trieb brach durch und
nicht allein, woran man vor allem denkt und regierte fortan sein Denken, Schaffen und Le-
was selbstverständlich ist, für den Künstler, son- ben. Bei Piloty an der Münchner Akademie holte
dern fast noch mehr für den Organisator, für er sich die technischen Kenntnisse und begab
die kunstpolitische Persönlichkeit, für den Füh- sich auch in thematischer Hinsicht zunächst
rer seiner Gruppe, die im Münchner Kunst- unter Pilotys Führung. Aber dies währte nicht
leben eine beherrschende Stellung einnimmt. lange. Schon aus der Mitte der 1870er Jahre
Habermann war, als es in München vor beinahe gibt es von Habermann Gemälde, beson-
vierzig Jahren zur „Secession" kam, in der ders Bildnisse, die ihn wellentief von Piloty
vordersten Phalanx der Modernen, der Slür- getrennt zeigen. Selten ist ein Künstler so
mer und Dränger, und dank seiner künslle- konsequent im Ausleben seiner Individualität
rischen Leistung, aber auch seiner hohen, cha- seinen Entwicklungsweg gegangen wie Haber-
raktervollen Eigenschaften, die ihn absolut zum mann. Es war der Weg, der ihn zum Meisler
Führer bestimmten, trat er sogleich in die Vor- einer immer mehr aufgelockerten Malerei
standschaft ein und war — nach Piglhein, dem machte, der ihn zur apartesten Palettenkunst
Frühvollendeten, nach Dill, der München mit führte. Einst lagen Bilder wie „Das Sorgen-
Karlsruhe vertauschte, und nach Frilz von kind" (Berlin, Nalionalgalerie) und das Bildnis
Uhde — fast zwei Jahrzehnte hindurch der seiner Mutter, lagen auch Männerbildnisse auf
erste Präsident der Münchner „Secession". seinem Weg, immer mehr aber hat er sich in
Dies waren die schwersten, an künstlerischen der späteren Zeit spezialisiert und schließlich
Krisen reichsten Jahre seit dem Bestehen der hat ein fast bizarrer Frauentypus, der in un-
„Secession", die, dank der üblichen Entwicklung zähligen Varianten wiederkehrt, sein ganzes
gerade Münchner Künstlergruppen, innerhalb Spätwerk beherrscht. YS enn er in seiner durch
dieses Zeitraums deutliche Zeichen der Zer- die Malerei bei Gasglühlicht in der Farbgebung
splitterungzeigte. Daßesnurzudem einenAder- bestimmten Malweise einmal ein anderes Thema
laß, der „Neuen Secession", kam und daß diese anzuschlagen versuchte, wenn er etwa ein deko-
Gruppe heute mit der „alten" Secession auf ratives Motiv aufgriff, so wirkte es mehr wie
einem durchaus freundschaftlichen Fuß steht, eine Flucht. Aber sein Hauptthema hielt ihn
ist in erster Linie das Verdienst Flugo von und immer wieder wandelte er es ab in Nuancen,
Habermanns, dessen konziliante, weltmännische die von der Auffassung im barocken Sinn bis
und dabei sichere und zielbewußte Art immer nahe an den Expressionismus streiften. Dieses
wieder Brücken zu schlagen wußte. Vor allem inneren Reichtums wegen, des Reichtums in
auch als Lehrer an der Aka- Auffassung und Form, wurden
demie der bildenden Künste, - Habermanns Bilder nie ein-
hat sich Habermann unaus- seitig oder gar eintönig. Es
löschliche, nie zu vergessende " fe&^äftelP^ kommt nicht darauf an, daß
Verdienste erworben. man viele Saiten auf einem
Diese vielseitige Wirksamkeil tHF ^^lllii;- Instrument hat, wenn man es
wäre nicht möglich gewesen. -£!3H Dur meisterhaft zu spielen ver-
wenn Habermann nicht der ' steht. Und dies konnte keiner

große Künstler und pracht- H so wie Habermann, der als
volle Mensch gewesen wäre, als ^^'^^^^'^BH Künstler mit beinahe achtzig
den ihn seine Zeitgenossen • Jahren noch ebenso interes-
schätzen und verehren durften. sant, anziehend und selbstän-
Vor beinahe achtzig Jahren in dig wirkte wie als junger Re-
der kleinen bayerischen Stadt -• volutionär mit dreißig.
Dillingen als Offizierssohn ge- / ¥ / Georg Jacob Wolf

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