Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 44.1928-1929

DOI Artikel:
Weiss, Konrad: Ausstellung ungarischer Kunst in Nürnberg
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14159#0355

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
AUSSTELLUNG UNGARISCHER KUNST IN NÜRNBERG

Die alte deutsche Reichsstadt Nürnberg hat seit
dem letzten Jahre die Blicke der künstlerischen
Welt in ungewöhnlichem Maße auf sich gezogen.
Auf die Dürer-Feier folgte aus der großen Ge-
schichte der Stadt heraus die durch die Wieder-
kehr ebenfalls des 4oo. Todestages veranlaßte
Parallele der P.-Vischer-Feier. Auf die deut-
sche Kunstausstellung, welche die Dürer-Aus-
stellung begleitete, folgte in diesem Jahre die
Ausstellung neuzeitlicher ungarischer Kunst in
Nürnberg, welche wiederum sämtliche Räume
der Norishalle am Marientorgraben füllte. Sie
war die Folge eines zur gegenseitigen Ehrung
angeknüpften Kulluraustauschs zwischenBuda-
pest und Nürnberg, im Gedächtnis der ungari-
schen Abstammung von Dürers Vater, gefördert
und besorgt von Oberbürgermeister Dr.Luppe
und dem neuen Direktor der Nürnberger städti-
schen Kunstsammlungen, Professor Fr. Trau-
gott Schulz. Ein mit Bildern ausgestatteter und
mit biographischen Angaben sorgfältig versehe-
ner Katalog ist ein bleibender Niederschlag der
Ausstellung.

Den Besucher dürfte trotz der sehr ausgiebigen
Darbietung aus dem zeitgenössischen ungari-
schen Kunstschaffen doch zunächst am meisten
der retrospektive Teil interessiert haben, den der
Budapester Generaldirektor Dr. Alexius Petro-
vics besorgt hatte und der in einer Flucht der
Säle das Rückgrat der Ausstellung bildete. Was
hier gezeigt wurde, war nicht nur ein Beleg da-
für, daß die ungarische Kunst im Laufe des letz-
ten Jahrhunderts in einer Parallele zur euro-
päischen Kunst vor sich gegangen war, daß sie
mit den wichtigsten westlichen Kunstzentren wie
Wien, London, Rom, Florenz und neben Paris
immerfort wieder München in lebendigster Füh-
lung gewesen war, sondern daß sie auch mit
Malern wie Munkacsy einen führenden und
unzertrennlichen Bestandteil der europäischen
Kunst bildete. Dieser Nachweis, mit sichtbarer
Liebe gemacht, gab, trotz der Beschränkung
auf weniges, auch von den Hauptpersönlich-
keiten selbei' noch ein frisches Eigenbild ihres
Charakters.

Die meisten Bilder brachten hier eine besondere
Note hinzu, im Anfang etwa Brockys zärtliche
Aktmalerei und die Landschaften von Lötz, da-

zu Marko und Barabas, dann die Historie mit
Madarasz und mit Szekely und Benczür im
Pilotystile. Der zweite Saal brachte mit den
Landschaften von Ferency und mit einer ver-
schiedenseitigen Kollektion von dem vor bald
zwei Jahren verstorbenen J. Rippl-Rönai eine
stark von Frankreich beeinflußleKunst. Die lieb-
haberische Anschauung mußte sich aber beson-
ders auf die emailige und skizzenhafte Pleinair-
Stimmung von Paul Merse von Szinvei und auf
die dramatisch gekräftigte, sachliche Malerei
Michael von Mnnkäcsys konzentrieren, welche
abgesehen vom Historischen ein eigentümliches
ungarisches Kunstelement zu bieten schienen.
Landschaften von Paal seien noch genannt. Zur
retrospektiven Ausstellung hatte der bekannte
Münchner Sammler Marceil von Nemes vieles
beigesteuert.

Die Ausstellung aus dem Schaffen der Leben-
den, die alle übrigen Räume füllte, war sehr
groß; zu groß, wenn man statt der durchschnitt-
lichen Orientierung ein konzentriertes, künstle-
risches Lngartum wünschte. Die offizielle Re-
präsentation wurde durch die Bildnisse des
internationalen Porträtisten F. Laszlo, Bildnisse
des Reichsverwesers Horthy und des Grafen
Bethlen getragen, sowie durch ein Porträt des
Dichters Maurus Jökai von Reti und ähnliche
Schöpfungen des repräsentativen Willens auch
in der Plastik. Es genügt im übrigen auf einige,
meist größere Kollektionen hinzuweisen, die in
sehr verschiedener Richtung Eigenart hatten,
so von Csök und Pecsi, Koszta und Perlmutter,
von Frank, von Fenyes, von Vaszary und Ma-
gyar-Mannheimer; in der neuen Kunst, die auch
ausgiebig vertreten war,etwa Fenyö und Walles-
hausen. Das bedeutet aber mehr Richtungen
als Maßstäbe. Die malerischen Ziele zeigten
den Anschluß an die Spannungen und Tei-
lungen, die wir auch anderwärts gewöhnt sind.
Gern aber mochte ein starker ethnographischer
Einschlag vom Dekorativen bis zum volkstüm-
lich Gewachsenen auffallen, wie man ihn etwa
auch in Ausstellungen von Tiroler oder von
Schweizer Kunst beobachtet. Er gab dieser
Ausstellung neben der kräftigen Eleganz des
Ungartums im Historischen noch ein bestimm-
tes landsmännisches Gesicht. k. w.

320
 
Annotationen