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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 44.1928-1929

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Neugass, Fritz: André Derain
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Wolf, Georg Jacob: Kommunale Kunst-Förderung
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https://doi.org/10.11588/diglit.14159#0206

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dieser ganzen Zeit berührt. Die innere Er-
regung verebbte langsam und wurde durch
äußere Erlebnisse zurückgedrängt. Er hatte
nun lange Zeit Gelegenheit, die Erinnerungen
einzuschmelzen und umzuformen zu einem
eigenen, persönlichen Stil.

Als Mensch ist er völlig einsam und verschlos-
sen, hat fast keine Freunde und widmet sich in
seinen freien Stunden ganz der Musik. Niemals
hat er im Salon ausgestellt und hält lange Zeit
seine letzten Werke geheim. Es ist dies bei
ihm kein Snobbismus, sondern eher ein Schutz
für seine tiefe Natürlichkeit. Jetzt, wo er nach
heißem Ringen Ruhe und Frieden gefunden hat,
sucht er sie zu bewahren und vermeidet neue
Erschütterungen. 1918 ändert Derain seinen
Stil. Eine tiefe Frömmigkeit spricht aus seinen
Werken, ein Glanz leuchtet aus seinen Bildern,

die von der Klarheit seines Innern zeugen. Eine
neue, zart empfindsame Modellierung ist in ihm
erwacht; er sucht die Komposition zu verbergen
und das Lehrhafte zu vermeiden. Seine Bilder
sind lyrische Gedichte, musikalische Sympho-
nien und lebendige Schöpfungen eines tiefen und
wissenden Menschen. Er ist unerbittlich gegen
sich selbst und gegen seine Kunst. Bei einem
Fländler fand er einst zwei seiner Ateliersludien,
die ihm mißfielen. „Ich möchte diese Schwei-
nereien zurückkaufen" und tauschte sie gegen
bessere Blätter ein. Auch heute noch ist sein Ta-
lent überaus vielseitig. Die Erinnerungen sind
nicht völlig verblichen; die zarten Töne seiner
Landschaften, der klassisch ruhige Blick seiner
Porträts, die stille Vcrsunkenheit seiner Akte
sind Harmonien, die aus allen Zeilen in seinem
Werk zusammenklingen. Dr. Fritz Neugaß, Paris

KOMMUNALE KU

InNürnberg, das einst die Führerin Deutschlands
in allen Dingen der Kunst war, aber mit dem
Verlust der Reichsstadleigenscbaft auch seine
Stellung als Kunststadt verlor und fortan im
Schatten der aufstrebenden Kunstbedeutung
Münchens zu stehen hatte, macht sich immer
mehr der starke Wille, die verlorene Kunst-
geltung zurückzuerobern, bemerkbar. Nach
den Ausstellungen dieses Jahres, der Dürer-
Ausstellung im Germanischen Museum und
der Ausstellung deutscher Malerei in der Noris-
halle, tritt Nürnberg als eine der ersten deut-
schen Städte mit dem Entschluß hervor, die
städtische Kunslgalerie künftighin auch an den
Nachmittagen und Abenden, an letzteren bei
einer Beleuchtung, die das Tageslicht durchaus
gleichwertig ersetzt, aufzutun. Als Grund dieser
Maßnahme bezeichnet man den Wunsch,
„Volkskreise für den Museumsbesuch zu ge-
winnen, die ihm bisher ganz fern standen". Dies
deckt sich mit einer Äußerung des Nürnberger
Oberbürgermeisters Dr. Luppe, die er bei
seinem Rückblick auf das Nürnberger Dürer-
Jahr tat, nämlich daß es der Zweck der Veran-
staltungen des Dürer-Jahres gewesen sei, die
Öffentlichkeit in engere Beziehung zur Kunst
zu setzen. Die gleiche Kunslgesinnung tat Luppe
auf der großen Tagung des bayerischen Städte-

NST-FÖRDERUNG

bundes in Nürnberg am 30. Nov. 1928 kund. Er
sprach über die Kunstförderung durch die Städte
und führte dabei u. a. aus, daß die deutschen
Städte heutedie Verpflichtungen zur Kunst über-
nommen hätten, die früher von der Kirche, den
Fürsten und Mäzenen erfüllt wurden. Die Städte
allein seien in der Lage, diese früheren Faktoren
zu ersetzen. Ankauf von Kunstwerken, Stipen-
dien, Veranstaltung von Ausstellungen auf städ-
tische Kosten, Anlage und Vergrößerung städ-
tischerKunstsammlungen,Schmuck desStraßen-
bildes durch Fresken und Denkmäler sei Pflicht
der Stadt. Dadurch werde die Kunst auch in-
direkt gefördert, denn es werde das Interesse an
ihr geweckt und es würden bemittelte Leute zur
Kunstförderung angefeuert. Namentlich aber
werde dadurch dem Bildungshunger und dem
Kunstbedürfnis minderbemittelter Kreise, das
größer sei, als man vermute, Genüge getan
und damit das Volk in seinem kulturellen
Niveau gehoben und ihm durch Sättigung seiner
seelischen und künstlerischen Triebe eine
Veredelung über Alltag und Berufsarbeit hinaus
gegeben. Diese Gedanken, die nach der Ver-
sicherung Luppes sich nicht in Worten, son-
dern in Taten auswirken sollen, sind die eines
wahrhaft praktisch-sozial gerichteten Kunst-
freundes, w.

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