Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 44.1928-1929

DOI Artikel:
Wolf, Georg Jacob: Franz von Stuck
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.14159#0068

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
der mehr als vier Jahrzehnte seit dem ersten Auf-
treten Stucks vollzog, hat ihn selbst wenig be-
rührt; es hat nichts Wesentliches in seinem eige-
nen Schaffen zu ändern vermocht. Stuck machte
rasch auftauchende und ebenso rasch abflauende
künstlerische Moden nicht mit, stand aber auch
Bewegungen der Kunst ablehnend gegenüber, die
nicht nur die Oberfläche erregten, sondern aus
der Tiefe kamen, und mit der völligen Neurich-
tung und Änderung des Lebensgefühls, mit dem
neu geordneten Kulturkomplex dieser Zeit zu-
sammenhängen. Man hat Stuck wegen dieses
mangelnden Eingehens auf Ideen und Bestre-
bungen des zeitgenössischen Kunstschaffens in
seinem späteren Schaffen zuweilen als aus der
lebendigen Entwicklung ausgeschaltet betrachtet.
Man vergaß darüber, daß es das Los aller ist, die
als ausgesprochene, starke Persönlichkeiten schon
in jungen Jahren mit großen Erfolgen in die
Entwicklung eintreten, spätere Entwicklungs-
phasen nicht mehr aufzuzeigen. Bei Stuck war dies
in ganz besonderem Grade der Fall. Erstaunlich
wie sein steiler Emporgang waren auch seine
frühesten, jungen Siege, die zusammenfielen mit
dem Aufstieg der Münchner Secession, die Stuck
mitbegründete, der er mehr als 55 Jahre hindurch
in Treue anhing und diente im Ausschuß und bei
der Jury und zuletzt als ihr stellvertretender
Präsident. Stuck hat einen Triumph wie den die-
ser früheren Erfolge später nicht mehr erlebt:
dies lag in der Natur seiner künstlerischen Per-
sönlichkeit; es wurde weit durch andere Werte
aufgewogen.

Wie Rembrandt war Franz Stuck ein Müllers-
sohn ; in Tettenweis in Niederbayern wurde er
am 23. Februar 1865 geboren. Ob vielleicht ein
versprengter Tropfen altrömischen Blutes aus der
Zeit der Römerherrschaft Vindeliciens in ihm
wieder virulent wurde, wer weiß es? Jedenfalls
ist in der Erscheinung und im Wesen Stucks viel
Romanisches gewesen, und er scheint unter seinen
Landsleuten stets die „rara avis ' gewesen zu sein.
Die Kunstgewerbeschule und Akademie in Mün-
chendurchlief er, ohne viel Zugewinnen, aber auch
ohne Schaden zu nehmen. Erbewies von Anbeginn
starken dekorativen Sinn, eine originelle Art, die
Dinge zu sehen und zu gestalten, und einen ganz
persönlichen Strich bei seinen Zeichnungen.
Denn als Graphiker begann er, er zeichnete und
illustrierte und benützte wie mancher andere in
jenen Tagen die „Fliegenden Blätter'" als Sprung-
brett. Innerlich aber zog es ihn von jeher zur
Malerei. Ein sinnenfreudiger Mensch wie er
bedurfte der Farbe. Er malte hell und durch-
sonnt, die Schatten farbig, alles Dargestellte in
das höchste Licht getaucht. Dazu mußte man die
Palette anders aufsetzen, als es damals in München
gebräuchlich war — Stuck tat es und siegte. Auf

der Internationalen Kunstausstellung München
1889 erschien sein „Wächter des Paradieses" : ein
Sturm des Beifalls, eine Flut der Entrüstung
brach los — Stuck hatte damit gesiegt! Im künst-
lerischen München schwebte sein Name fortan
auf aller Lippen, und jahrein, jahraus erschienen
Gemälde, die dazu angetan waren, diesen Ruhm
zu vertiefen, zu festigen, weiter in die Welt hin-
auszutragen. In der Tat wurde Stuck, neben dem
damals noch lebenden und in der Vollkraft des
Schaffens stehenden Franz Lenbach, der be-
rühmteste Münchner Künstler, ein Jung-Meister
von internationalem Ruf. Sein „Krieg*' und seine
„Sünde", die „Innocentia"", die „Spielenden
Faune", „Sphinx", ..Forellenweiher", „Ver-
treibung ausdemParadies", „KreuzigungChristi"
sind Stationen auf dem Weg zur Höhe, den äußer-
lich die Berufung in das Professorenkollegium
der Münchner Akademie, als er das dreißigste Jahr
kaum überschritten hatte, die Verleihung des
Adelsprädikats und der stolze Bau seines Hauses
und seiner Werkstatt auf der Bogenhausener
Höhe markieren. Stucks Aufstieg ist wie ein
glückhafter Roman : aus dem Tettenweiser Mül-
lerjungen wird der gefeierte Münchner Malerfürst,
der wie einer der großen Meister der Renaissance
mit den Fürsten von Geblüt und mit allen Großen
der Erde in enger Beziehung steht und mit ihnen
als mit seinesgleichen umgeht. Sein schimmern-
des Haus, der ihm allein angemessene Rahmen
für seine Lebenshaltung und sein künstlerisches
Schaffen, ist das Symbol dieser Persönlichkeit:
gleich dem Lenbach-Haus müßte es künftigen
Generationen als Stuck-Museum, in das alle er-
reichbaren starken Werke des Meisters zurück-
kehren sollten, erhalten bleiben. Es ist ja auch
seinem Entwurf nach ein Stück Stuckischer
Schöpfung und Stuckischer Kunst. Denn Stucks
ungebärdig in die Form drängendem Kunstwillen
genügten Leinwand und Badierplatte nicht, er
betätigte sich auch als Bildhauer (prächtig ist
seine „Amazone" auf dem Roß, ist sein kugel-
stemmender „Athlet"), als Architekt und als der
geschmackvollste, phantasiereichste Dekorateur
seines Hauses und schönster Künstlerfeste.
Stucks Geltung blieb in den Kreisen, die für die
Bildung des öffentlichen Urteils maßgebend sind,
unerschüttert, auch als er bei der allgemeinen
Entwicklung der Kunst nicht mehr mitmar-
schierte. Der Zauber seiner starken Persönlich-
keit hielt seine Zeitgenossen im Bann. Weil mit
ihm eine ganz große und einmalige Persönlichkeit
aus dem deutschen, aus dem europäischen Kunst-
leben ausschied, darum ist der Verlust so schmerz-
haft — weit schmerzhafter, als wenn ein tüch-
tiger Soldat aus dem Heer der nach dem Regle-
ment der gegenwärtigen Kunstordnung Exer-
zierenden von uns gegangen wäre. Georg jacobWolf

8

57
 
Annotationen