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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Steffens, Arnold: Altarkonsekrationssiegel des XII. Jahrh. in der Pfarrkirche zu Niederzier
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0103

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155

1907. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST —, Nr. 5.

156

Altarkonsekrationssiegel des XII. Jahrh. in der Pfarrkirche zu Niederzier.
ls im November 1906 infolge einer

Erweiterung der Pfarrkirche zur
hl. Cäcilia in Niederzier im Kreise
Düren der marmorene Hochaltar,
welcher im Jahre 1825 der Kirche von der
dortigen Gräfin Josina von Hochsteden ge-
schenkt wurde und aus der Kurfürstlichen
Kapelle zu Bonn herstammt, niedergelegt
wurde, um als Seitenaltar in dem Erweiterungs-
baue wieder aufgerichtet zu werden, fanden
sich unter der oberen marmorenen Deckplatte
des Altartisches noch zwei andere übereinander-
geschichtete Decksteine aus Sandstein und im
Unterbau ein wohlerhaltenes Reliquiengrab,
mit einer einfachen viereckigen Bleikapsel, auf
deren Vorderseite die Aufschrift: Reliqrtie \
SCV virgi \ nu (Reliquiae sanctarum virginum)
eingeritzt ist. In der Kapsel befanden sich in
Leinwand gehüllt sieben vortrefflich erhaltene
kleinere Gebeine oder Gebeinteile eines mensch-
lichen Körpers (ein Brustwirbel, ein Hals-
wirbel, eine kleine Rippe, zwei Hand- oder
Fußknochen und zwei Schädelteile) nebst vier
Weihrauchkörnern. Geschlossen war die Kapsel
durch einen starken abgewalmten Deckel
aus Eichenholz. Das Ganze war kreuzweise
umspannt vom einem Bändchen aus Lein-
wand, auf welchem überhalb des Holzdeckels
ein mächtiges, kreisrundes Siegel aus weißem
Wachs aufgefügt war.

Das Siegel ist vollständig erhalten. Der
Durchmesser beträgt 7,5 cm. Die Umschrift,
welche durch keine Linie von der Bildfläche
getrennt ist, lautet: HE" PHILIPPVS- DI-
GRA ■ OSENBRVGGENSIS- EPS. Das Bild
stellt den Bischof dar im vollen Pontifikal-
ornate, jedoch unbedeckten Hauptes, auf
einem Throne sitzend. Die liturgischen Ge-
wände: Pontifikalschuhe, sorgfältig gefaltete
Albe, Tunicellen, mit Gabelkreuz versehene
Kasel sind sehr gut zu erkennen. In der
Rechten hält der Bischof den Stab, dessen
schmucklose Krümme nach innen gekehrt ist
in der Linken ein geöffnetes Buch ohne Auf-
schrift. Abbildung eines Bruchstückes dieses
Siegels befindet sich in dem Werke: „Die
Westfälischen Siegel des Mittelalters" (Münster
1882) 1. Heft, 2. Abteilung, Tafel XVIII, 6,
woselbst es als 2. Stempel des Siegels genannten
Bischofs, der 1150, 1163 und sonst vorkomme,
aufgeführt wird.

Philipp, Bischof von Osnabrück und Graf
von Katzenelnbogen, regierte von 1141—1173.
Daß er im Kölner Erzbistum Pontifikalfunk-
tionen vorgenommen, ist auch schon ander-
weitig bekannt. Er weihte nämlich am 1. No-
vember eines nicht näher bestimmten Jahres
einen Altar in der Unterkirche von St. Gereon
in Köln. Da die in der Niederzierer Reli-
quienkapsel enthaltenen Gebeine laut Auf-
schrift solche der Gefährtinnen der hl. Ursula
sind, deren Ausgrabung auf dem Ursulani-
schen Marterfelde durch den Deutzer Abt Ger-
lach im Jahre 1155 in größerem Maßstabe ins
Werk gesetzt wurde, so ist die Konsekration
der Pfarrkirche zu Niederzier erst nach diesem
Jahre anzusetzen. Wahrscheinlich fand die-
selbe am 30. August 1165 statt, denn am
Sonntag nach dem 29. August wird von jeher
in Niederzier die Kirmes gefeiert, und am
2. Oktober 1165 finden wir genannten Bischof
von Osnabrück in Köln, woselbst er Reinold
von Dassel die Bischofsweihe erteilte, der so-
mit bis dahin keine Pontifikalhandlungen hatte
vornehmen können. Daß der Osnabrücker
1188, als er der Weihe des Erzbischofs Philipp
von Heinsberg in Köln beiwohnte, die Konse-
kration in Niederzier vollzogen haben soll,
ist nicht wahrscheinlich. Aus der Mitte des
XII. Jahrh. stammt auch der bei dem Er-
weiterungsbau in der Fundamentierung eines
im Jahre 1772 errichteten Missionskreuzes dort
aufgefundene romanische Taufstein, der in
abwechselnder Folge ein Kreuz und gedop-
pelte Fenster als Musterung aufweist und mit
vier Menschenköpfen verziert ist. Die im
XII. Jahrh. eingeweihte Pfarrkirche war jedoch
nicht die erste in Niederzier. Denn bereits
zu Anfang des XII. Jahrh. begegnen wir einem
Pfarrer von Niederzier namens Giselbert. *)
Der Ort, welcher römischen Ursprungs ist, wird
erwähnt in einer von Erzbischof Hermann I.
von Köln am 11. August 922 erlassenen
Urkunde2) als villa vel marca Cyrina.

Köln. Arnold Steffens.

1) Annales Rodenses ad annum 1122. „Giselbertus
abbas II electus. Iste pastor fuit Cyrenensis parochie et
decanus illius cleri, qui solet Juliaci gralia capitulari
confluere, secularis admodum et litteralis imbutus
scientie et personalis sufficiens eminentie."

2) »Annalen dts hist. Vereins« 26. und 27. Heft
S. 338.
 
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