nisse künsttich verbessert werden; mit Hilfe von
Radiotelephonen wird es zu erreichen sein, dass
die Wände im wahren Sinne des Wortes zu reden
beginnen. Wenn es nötig sein solíte, müssen Mauern,
Decken und Fussböden lichtdurchlässig werden.
Elektrische Wellen sollen durch die Glaskorridore
wandern, Motoren in Bewegung setzen und alle
erforderlichen Mechanismen betätigen."
Noch mehr: jetzt wird der gigantische Versuch
bewerksstelligt, das gesamte Leben des revolu-
tionären Russland zu maschinisieren, jetzt wird
endlich der ,,Traum der Technik" verwirklicht,
wird die Maschine zum neuen Gott erhoben, wird
der Dynamo auf den Altar gestellt, werden für
neue ..Maschinen-Kirchen" ,,Maschinen-Ikonen"
gemalt, wird die Mechanik an sich, die Konstruk-
tion und Funktion an sich, die maschinelle
Bewegung, der maschinisierte Rhytmus an sich
angebetet, wird die Maschinen-Religion ins Leben
gerufen. Krinsky huldigt in seinem Zeichnungen
und Graphiken dem ,,Mechanisierten Arbeits-
menschen", Dobnjinski plant ein kommunisti-
sches Massenfest auf dem Moskauer Chodinsky-
Feld, gewidmet dem ,,sichtbaren Gott der Maschi-
ne" — Robespierres ,,Fest der Vernunft" auf dem
Pariser Mars-Feld wiederholt sich, nur in weit
gewaltigerem und tiefer greifendem Ausmass.
Den innersten Tempelbezirk dieser neuen Reli-
gion jedoch stellt Meyerholds ,,Staatliche höhere
Regiewerkstätte" dar (der Begriff des ..Theaters"
ist veraltet), die er zusammen mit Derschawin
im Jahre 1921 gründet. Hier ersetzt eine, wie es
wörtlich heisst: ,,konstruktivistische Biomecha-
nik die degenerierte und demoralisierte bürgerliche
Schauspielkunst", hier wird die Szene durch
ratternde Motoren, rotierende Zylinder, lose hän-
gende Ebenen, bewegliche Holzgitter und tat-
linistische Collagen in Riesenformaten, die Heart-
helds oder Rauschenbergs Photomontagen und
Tinguelys ,,Mobiles" übersteigert vorwegnehmen,
in ,.Dynamik versetzt", wird diese dynamische
Szene erst noch durch turnende ,.Biomechaniker"
und Akrobaten-Schauspieler beherrscht, um zu-
letzt in der Groteske und Burleske, in Buffonerie
und im Exzentrik-Akt sich aufzulösen.
Die ,,Theateralisierung des Theaters", die Tai-
roff fordert, wird endlich Wirklichkeit, nachdem
Meyerhold sie 1913 bereits in seinem kühnen
Aufsatz ,,t)ber das Theater" eingeleitet, 1921
Annenkoff in seinem Manifest ,,Das zu Ende
gedachte Theater" und Tairoff zusammen mit
Meyerhold und Eisenstein 1922 sie in ihrer
,,Biomechanik für Schauspieler" verlangten und
Wachtangoff, der genialste aller, sie jetzt durch-
spielt. Die 1923 publizierte Lithographien-Folge
,,Das elektrodynamische Theater" Lissitzkys setzt
nur den Schlusstein einer ,,Entfesselung", wie sie
die gesamte Theatergeschichte seit zweieinhalb -
tausend Jahren noch nie gekannt. Es ist ein Auf-
stand der Abstrakten der Bühne, der sogar den
der Maler, Plastiker und Architekten in den
Schatten stellt; und wenn Stanislawsky, der
Unpolitischste dieser Theater-Rebellen schreibt:
,,Ganz unerwartet sah ich mich im Endergebnis
auf der gesellschaftlichen Linie — von der In-
tuition über Wirklichkeitswiedergabe und Symbol
zur Politik", so zeigt dies die enge Verknüpfung
gesellschaftlicher und künstlerischer Tendenzen.
Ja, noch mehr: Auch die Dichtkunst wird
mechanisiert, sogar, wie der neue Begriff lautet:
,,chemisiert"; es wird ein ,,Laboratorium für
synthetische Wortchemie" gegründet, das Wort
wird verselbständigt, zum ,,Wort an sich" erhoben,
gleich Maliarmes ,,poesie pure", nur in extremis.
Das Wort bekommt eine ,.selbständige Kraft",
deren abstrakte Form an keinen Inhalt mehr
gebunden ist, sogar diesen wie Scherschenjewitsch
und Chlebnikoff, die Führer der ,,Ego-Futuristen"
erklären, völlig entbehren kann. Das Ziel der
,,formalen Schule", das bereits 1913 Krutschonych
und 1911 Schklowsky in ihren Manifesten pro-
pagierten, das 1915 der ,,Moskauer linguistische
Zirkel" und 1916 die Petersburger ,,Gesellschaft
zum Studium der Theorie der dichterischen
Sprache" verkündeten: die Ausmerzung jeglichen
Inhaltes zugunsten der reinen Form, dieses Ziel
scheint jetzt endlich erreicht zu sein. Was jedoch
in diesen Tagen übrig bleibt, das ist die ,,Biokos-
mische Poetik", die Swiatogor 1921 veröffentlicht.
— Wie das Wort ,.mechanisiert" wird, so die
Musik und so das Ballett, das nichts anderes mehr
sein soll als, um zu zitieren: ,,eine reine Rhytmik
an sich, eine Kinematik des lebenden Organismus,
eine getanzte Analyse des menschlichen Mecha-
nismus . . ., eine Demonstration für zweckmässige
Organisation der menschlichen Maschine".
Und wie der ,,Tatlinismus" als Maschinenkunst
einen geradezu luziferischen Umfang annimmt,
so der Suprematismus Malewitsch's, der ganze
Schulen, sogar Kinderschulen nicht nur heran-
160
Radiotelephonen wird es zu erreichen sein, dass
die Wände im wahren Sinne des Wortes zu reden
beginnen. Wenn es nötig sein solíte, müssen Mauern,
Decken und Fussböden lichtdurchlässig werden.
Elektrische Wellen sollen durch die Glaskorridore
wandern, Motoren in Bewegung setzen und alle
erforderlichen Mechanismen betätigen."
Noch mehr: jetzt wird der gigantische Versuch
bewerksstelligt, das gesamte Leben des revolu-
tionären Russland zu maschinisieren, jetzt wird
endlich der ,,Traum der Technik" verwirklicht,
wird die Maschine zum neuen Gott erhoben, wird
der Dynamo auf den Altar gestellt, werden für
neue ..Maschinen-Kirchen" ,,Maschinen-Ikonen"
gemalt, wird die Mechanik an sich, die Konstruk-
tion und Funktion an sich, die maschinelle
Bewegung, der maschinisierte Rhytmus an sich
angebetet, wird die Maschinen-Religion ins Leben
gerufen. Krinsky huldigt in seinem Zeichnungen
und Graphiken dem ,,Mechanisierten Arbeits-
menschen", Dobnjinski plant ein kommunisti-
sches Massenfest auf dem Moskauer Chodinsky-
Feld, gewidmet dem ,,sichtbaren Gott der Maschi-
ne" — Robespierres ,,Fest der Vernunft" auf dem
Pariser Mars-Feld wiederholt sich, nur in weit
gewaltigerem und tiefer greifendem Ausmass.
Den innersten Tempelbezirk dieser neuen Reli-
gion jedoch stellt Meyerholds ,,Staatliche höhere
Regiewerkstätte" dar (der Begriff des ..Theaters"
ist veraltet), die er zusammen mit Derschawin
im Jahre 1921 gründet. Hier ersetzt eine, wie es
wörtlich heisst: ,,konstruktivistische Biomecha-
nik die degenerierte und demoralisierte bürgerliche
Schauspielkunst", hier wird die Szene durch
ratternde Motoren, rotierende Zylinder, lose hän-
gende Ebenen, bewegliche Holzgitter und tat-
linistische Collagen in Riesenformaten, die Heart-
helds oder Rauschenbergs Photomontagen und
Tinguelys ,,Mobiles" übersteigert vorwegnehmen,
in ,.Dynamik versetzt", wird diese dynamische
Szene erst noch durch turnende ,.Biomechaniker"
und Akrobaten-Schauspieler beherrscht, um zu-
letzt in der Groteske und Burleske, in Buffonerie
und im Exzentrik-Akt sich aufzulösen.
Die ,,Theateralisierung des Theaters", die Tai-
roff fordert, wird endlich Wirklichkeit, nachdem
Meyerhold sie 1913 bereits in seinem kühnen
Aufsatz ,,t)ber das Theater" eingeleitet, 1921
Annenkoff in seinem Manifest ,,Das zu Ende
gedachte Theater" und Tairoff zusammen mit
Meyerhold und Eisenstein 1922 sie in ihrer
,,Biomechanik für Schauspieler" verlangten und
Wachtangoff, der genialste aller, sie jetzt durch-
spielt. Die 1923 publizierte Lithographien-Folge
,,Das elektrodynamische Theater" Lissitzkys setzt
nur den Schlusstein einer ,,Entfesselung", wie sie
die gesamte Theatergeschichte seit zweieinhalb -
tausend Jahren noch nie gekannt. Es ist ein Auf-
stand der Abstrakten der Bühne, der sogar den
der Maler, Plastiker und Architekten in den
Schatten stellt; und wenn Stanislawsky, der
Unpolitischste dieser Theater-Rebellen schreibt:
,,Ganz unerwartet sah ich mich im Endergebnis
auf der gesellschaftlichen Linie — von der In-
tuition über Wirklichkeitswiedergabe und Symbol
zur Politik", so zeigt dies die enge Verknüpfung
gesellschaftlicher und künstlerischer Tendenzen.
Ja, noch mehr: Auch die Dichtkunst wird
mechanisiert, sogar, wie der neue Begriff lautet:
,,chemisiert"; es wird ein ,,Laboratorium für
synthetische Wortchemie" gegründet, das Wort
wird verselbständigt, zum ,,Wort an sich" erhoben,
gleich Maliarmes ,,poesie pure", nur in extremis.
Das Wort bekommt eine ,.selbständige Kraft",
deren abstrakte Form an keinen Inhalt mehr
gebunden ist, sogar diesen wie Scherschenjewitsch
und Chlebnikoff, die Führer der ,,Ego-Futuristen"
erklären, völlig entbehren kann. Das Ziel der
,,formalen Schule", das bereits 1913 Krutschonych
und 1911 Schklowsky in ihren Manifesten pro-
pagierten, das 1915 der ,,Moskauer linguistische
Zirkel" und 1916 die Petersburger ,,Gesellschaft
zum Studium der Theorie der dichterischen
Sprache" verkündeten: die Ausmerzung jeglichen
Inhaltes zugunsten der reinen Form, dieses Ziel
scheint jetzt endlich erreicht zu sein. Was jedoch
in diesen Tagen übrig bleibt, das ist die ,,Biokos-
mische Poetik", die Swiatogor 1921 veröffentlicht.
— Wie das Wort ,.mechanisiert" wird, so die
Musik und so das Ballett, das nichts anderes mehr
sein soll als, um zu zitieren: ,,eine reine Rhytmik
an sich, eine Kinematik des lebenden Organismus,
eine getanzte Analyse des menschlichen Mecha-
nismus . . ., eine Demonstration für zweckmässige
Organisation der menschlichen Maschine".
Und wie der ,,Tatlinismus" als Maschinenkunst
einen geradezu luziferischen Umfang annimmt,
so der Suprematismus Malewitsch's, der ganze
Schulen, sogar Kinderschulen nicht nur heran-
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