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Curtius, Ernst [Hrsg.]; Adler, Friedrich [Hrsg.]
Olympia: die Ergebnisse der von dem Deutschen Reich veranstalteten Ausgrabung (Textband 2): Die Baudenkmäler — Berlin, 1892

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https://doi.org/10.11588/diglit.774#0143
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Eingangsthor zum Gymnasion (Tafel LXXVI und LXXVII).

I25

Basen hat sich nur eine gefunden, auf deren Zugehörigkeit
aus den Massen geschlossen wurde. Sie erscheinen allzu
niedrig und gedrückt, entbehren ferner der quadratischen
Fussplatte. Die Höhe der Säulen liess sich bei der Un-
gleichheit der gefundenen Säulentrommeln und deren
mangelhafter Erhaltung nicht sicher bestimmen, auch
boten die, wie wir gesehen, nicht unerheblich ver-
schiedenen Höhenmasse der Quadern nur insofern einen
Anhalt, als das Hinzufügen oder Fortlassen auch nur
einer solchen Quader das Verhältnis zum unteren Durch-
messer beeinssusst. Mit Rücksicht auf die gleich näher zu
erörternde Datierung des Bauwerks ist von den schlanken
Verhältnissen der späteren römischen Kunsl (von über 10
unteren Durchmessern) abgesehen und eine Höhe von
etwas mehr als gl/4 unteren Durchmessern :) angenommen,
welche gleichzeitig etwa der Zahl von 17 Quaderschichten
entspricht.
Das Gebälk erscheint hauptsächlich infolge der ge-
ringen, fast ängsllichen Ausladung sowie der rohen
und unschönen Ausbildung des Hauptgesimses, das von

der fein abgewogenen Gliederung dieses Bauteils in der
klassisch römischen Kunst stark abweicht, kleinlich und
dürftig. Namentlich fallen die verhältnismässige Kleinheit
des Zahnschnitts, vor allem aber die schwächlichen Unter-
glieder auf, während das krönende Gesimsstück, bestehend
aus einem kymationförmigen Gliede mit abschliessender
Hohlkehle, etwas schwer und lastend erscheint. Das
Kranzgesims hat keine Traufrinne, sondern ist an der
Oberfläche, der Dachneigung entsprechend, schräg ge-
schnitten und in eigentümlicher Weise bearbeitet. Es
zeigt nämlich wenig erhobene, nur durch schmale
Zwischenräume getrennte Flächen, welche an der Traufe
halbrund abgeschlossen sind und, obwohl in den Breiten-
massen recht ungleich — die Breitenunterschiede von
zwei nebeneinander liegenden Flächen betragen auf einem
Geisonblocke z. B. 10 cm — den Ziegelbahnen der Dach-
deckung entsprochen zu haben scheinen (Figur 21). Dass
der Bau keine Traufrinne aus Terracotta oder Stein be-
sessen hat, ist bereits erwähnt. Es fehlt daher an jedem
Anhaltspunkte für die Ergänzung der Dacheindeckung.


Abbildung 20.
Blattwerk des Kapitells

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Abbildung 21.
Aufsicht auf einen Geilonblock.

In dem Querschnitte Tafel LXXVII, i ist ein Dach aus
ssachgerundeten Hohlziegeln mit halbrunden Deckziegeln
in Lehmbettung angenommen. Die rechteckigen Ein-
arbeitungen am oberen Rande des Simablocks dienten
mutmasslich zur Befestigung von Löwenmasken, die
vielleicht aus anderem Material (Bronze?) bestanden, auch
nicht als Wasserspeier, sondern nur zum Schmucke ge-
dient haben. Die Umrissspuren, welche den Rundungen
derartiger Köpfe einigermassen entsprechen, lassen sich
noch an der Putzssäche des Geison erkennen.
Ein stark verstümmeltes Geisonstück, das in den
Massen und in der Gliederfolge mit dem Tafel LXXVI, i
gezeichneten identisch ist, zeigt noch Reste von Bemalung
und zwar Spuren von Blau, Rot und Schwarzblau auf
den Kymatien. Die Farbspuren sind durch eine spätere
rohe Überputzung vor dem Verwittern geschützt gewesen
und darum erhalten geblieben. — Das Vorhandensein eines
Giebels über den Schmalfronten folgern wir aus dem
Funde von dreieckigen Tympanonblöcken, welche eine
Giebelneigung von rund i : 7 berechnen lassen.

l) Ganz ähnliche Verhältnisse finden sich am Pantheon
in Rom, am olympilchen Zeustempel in Athen und am so-
genannten Vestatempel in Tivoli.

Epistyl und Fries sind von ziemlich übereinstim-
mender, im übrigen aber feinerer Profilierung als das
Geison. Auffallend ist die Fascienteilung des Epistyls,
da, wie beim Theater von Epidaurus, die Breite der
Streifen nach oben zu abnimmt. Das gleiche Verhältnis
zwischen den Fascien zeigen auch die Tafel LXXVI, 3
dargestellten Innenarchitrave, ein Beweis mehr für ihre
Zugehörigkeit zu dem Bau. — Der plastische Schmuck
des Frieses, obwohl an den wenigen aufgefundenen
Stücken stark zerstört und verwittert, liess sich doch
noch wiederherstellen. Rosetten von derbem Relief,
ähnlich denen am Abakus der Kapitelle, wechseln auf
beiden Seiten mit Stierschädeln von mässiger Relief-
erhebung; die Verbindung bilden dünne, langgezogene
Gehänge, welche aneinander gereihten Wollknäueln
gleichen. Bemerkenswert und für die geringe Sorgfalt
der Ausführung bezeichnend sind die schon berührten Ver-
schiedenheiten in den Einzelmassen der Bauglieder. Es
zeigt sich dies nicht nur bei dem Kranzgesimse, den Wand-
quadern und der Steindecke, sondern selbstbeisonst sorg-
fältiger gearbeiteten Teilen, wie Gebälk und Kapitellen.
Für die Zeitstellung des Bauwerks besitzen wir keine
anderen Anhaltspunkte als die Bauformen einerseits und
das Verhältnis zu den Nachbarbauten — der Palästra
 
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