Metadaten

Hess, Daniel
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet: Hessen und Rheinhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,2: Berlin: Dt. Verl. für Kunstwiss., 1999

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.52864#0026

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG

Wie jeder Regionalband des deutschen Corpus Vitrearum steht auch dieser vor dem Problem einer adäquaten Bandtei-
lung, die zum einen der landesgeschichtlichen Situation im Bearbeitungszeitraum als auch den heutigen, erst nach
1945 geschaffenen politischen Grenzen des Bundeslandes Hessen Rechnung zu tragen hat. Da die Bearbeitung der in
Hessen und Rheinhessen erhaltenen mittelalterlichen Glasmalereien - rund 1600 Scheiben an 100 Standorten - nur in
drei Teilbänden zu leisten ist, bot sich folgende Bandteilung an: Im südlichen Teilband sollen die Glasgemälde südlich
der Mainlinie inklusive der in Rheinhessen in situ erhaltenen beziehungsweise in das Hessische Landesmuseum nach
Darmstadt abgewanderten Glasmalereien behandelt werden. Der mittlere, hier vorliegende Teilband erfaßt die auf
engem Raum konzentrierten Glasmalereien im Rhein-Main-Gebiet mit Frankfurt als Zentrum und erschließt neben
den an 26 Standorten erhaltenen sowie nachweislich von dort abgewanderten 396 Scheiben auch vierzig ehemalige
Standorte. Der nördliche Teilband wird schließlich den Glasmalereien in Marburg und den vielen, weitgestreuten klei-
neren Beständen im nördlichen Hessen gewidmet sein.
Der vorliegende Band behandelt somit die Kernlandschaft im Rhein-Main-Gebiet, wobei sich diese Bezeichnung
nicht auf den wirtschaftlich-industriellen Ballungsraum im weiteren Umkreis der Mainmetropole Frankfurt
beschränkt, sondern in landesgeschichtlicher Hinsicht auch Rheingau, Taunus und Wetterau miteinschließt. Die nörd-
lichen Grenzen folgen in etwa der bis in römische Zeit zurückreichenden Zweiteilung Hessens, wobei der südliche
Teil noch in das Römische Reich einbezogen war. Die geographischen Grenzen bilden im Süden die Flüsse Main und
Rhein, womit freilich das historische Zentrum Mainz ausgeschlossen bleibt. Im Norden sollten Wetzlar, Altenberg,
Limburg, Lieh und Grünberg ursprünglich miteinbezogen werden; aus arbeitstechnischen Gründen folgt die Nord-
grenze jedoch den aktuellen Kreisgrenzen von Hochtaunus-, Wetterau- und Main-Kinzig-Kreis, während das obere
Lahngebiet zum nördlichen Teilband geschlagen wird.
Historische Voraussetzungen und Zusammenhänge
Im Gegensatz zum südlichen Teil, in dem die ältesten Glasmalereien aus dem Kloster Lorsch noch in frühromanische
Zeit zurückreichen, setzt die Überlieferung im mittleren Teil erst im späten 12. Jahrhundert mit dem Flechtband-
fenster in Kloster Eberbach und den Resten eines Vita-Christi-Zyklus im Museum Wiesbaden ein. Die staufische Vor-
herrschaft hatte damals ihren Höhepunkt erreicht, indem sie den auf fränkische Zeit zurückgehenden Königsbesitz im
Rhein-Main-Gebiet nach vorübergehenden Auflösungserscheinungen und dem Emporkommen zahlreicher regionaler
Grafengeschlechter zu immer eigenständigeren Herrschaftsgebilden wieder festigen konnte. Auf Grund des Fehlens
einer herzoglichen Gewalt oder einer andersartigen übergeordneten Landesherrschaft war dieses Gebiet eines der
wenigen im Reich, die noch unmittelbar der Herrschaft des Königs unterworfen waren. Das Rückgrat der staufischen
Territorialpolitik bildete neben der wirtschaftlichen Förderung der Stadt Frankfurt die Gründung der Stadt Gelnhau-
sen und ihr Ausbau zu einem Stützpunkt im Jahre 1170 durch Kaiser Friedrich Barbarossa1. Ein weiterer Schritt zur
Ausweitung der Königsmacht lag im Aufbau der mit zahlreichen Burgmannen besetzten staufischen Reichsburg in
Friedberg sowie in der Gründung der Stadt Wetzlar. Daneben sind in dieser Zeit auch die klassischen Burg- und
Palastbauten entstanden, von denen lediglich diejenigen in Münzenberg, Gelnhausen und Büdingen genannt seien.
Neben den staufischen Königsstädten bildeten die Reichsministerialen als Kriegsleute und Amtsträger in der Verwal-
tung des Reichsgutes den zweiten Pfeiler königlicher Herrschaft, deren Ziel im Ausbau der Reichsländer und in der
Verdrängung der nach Unabhängigkeit strebenden Adelsgeschlechter lag. Mächtigster Gegenspieler war der Erz-
bischof von Mainz als vornehmster kirchlicher Würdenträger und einflußreichster Reichsfürst, zu dessen seit dem
1 Zur Geschichte von Gelnhausen vgl. Karl Schreiber, 800 Jahre Stadt castrum Geylnhusen novam villam fundantes: Stadtwerdung und Stadt-
Gelnhausen, in: ZVHGL 80, 1969, S. 13—36, Andre Bechtold, Apud förderung von Gelnhausen, in: HJL 46, 1996, S. 31-77.
 
Annotationen