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Hess, Daniel
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet: Hessen und Rheinhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,2: Berlin: Dt. Verl. für Kunstwiss., 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52864#0076

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ADOLFSECK • KAPELLE

Bibliographie: Lotz, 1880, S. 1 (erwähnt die beiden Glasgemälde im Nordfenster des Schiffes und datiert sie »etwa
erste Hälfte des 16. Jh.«); Luthmer, 1914, S. 169 (folgt Lotz); Magnus Backes, in: Dehio, Hessen, 1966 und 1982,
S. 1 (beschränkt sich auf die Erwähnung der Anfang des 16. Jh. entstandenen Glasgemälde).
Gegenwärtiger Bestand: Im Chorachsenfenster befinden sich zwei Rechteckscheiben, ein nassauisches Wappen
und eine Darstellung der Hl. Sippe, beide aus der Zeit um 1500 (Fig. if., Abb. zf., 10-13, Farbtaf. I).
Geschichte des Baues und seiner Verglasung: Die kleine, einschiffige, flachgedeckte Kirche mit eingezogenem
3/8 Chor gilt als Stiftung des bislang kaum beachteten, politisch jedoch bedeutenden Grafen Engelbert von Nassau
(1448-1508) und wird gemeinhin um 1500 datiert1. Erste Veränderungen erfolgten 1680, als neben dem Gestühl wohl
auch die Empore eingebaut wurde; 1692 folgte die Kanzel und in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde der
Dachreiter errichtet. Laut einer Inschriftentafel im Chor wurde die Kapelle 1893 außen und innen in Stand gesetzt;
1959 und 1991 erfolgten weitere Renovierungsarbeiten.
Mit Ausnahme des Flickstücks in der Wappenscheibe, das wohl eine Reparatur des 17. Jahrhunderts dokumentiert,
gehen alle übrigen Ergänzungen auf die Maßnahmen von 1893 zurück. Anläßlich der Renovierung von 1959 wurden
die gesamten Kirchenfenster durch die Firma Robert Münch, Großumstadt, in Antikglas erneuert; die beiden mittelal-
terlichen Scheiben erhielten ein neues Bleinetz und wurden in der zweiten Zeile des Langhausfensters nord III unter-
gebracht2. 1995/96 konnte schließlich eine Sicherung der bis dahin ungeschützten Glasmalereien veranlaßt werden:
Die Scheiben wurden gereinigt, mit einem Messingrahmen stabilisiert und hinter einer Außenschutzscheibe wieder
eingesetzt; die Arbeiten führten die Derix Glasstudios, Taunusstein, durch. Auf Wunsch der Kirchengemeinde wur-
den die Glasgemälde von ihrem alten Standort im nördlichen Langhausfenster in das Chorachsenfenster übertragen.
Rekonstruktion, ikonographisches Programm: Die Stiftung der schmucklos bescheidenen Kapelle und ihrer
Ausstattung durch den am kaiserlichen Hof tätigen Engelbert von Nassau erklärt sich aus ihrem Zusammenhang mit
der Burg Adolfseck, die 1356 durch Adolf von Nassau als Schutz gegen die Grafschaft Katzenelnbogen errichtet wor-
den war. Welche strategische Rolle die Burg nach dem Katzenelnbogischen Erbfall an die Landgrafschaft Hessen 1479
noch spielte, sei dahingestellt, Engelbert jedenfalls erhielt die Burg von seiner Mutter als Leibgeding und erbaute die
Kapelle auf dem Felssporn direkt unterhalb der Burg3. Die beiden Glasgemälde sind der einzige Rest der ursprüng-
lichen Ausstattung. Da sie weder an ihrem alten noch an ihrem aktuellen Standort ein gesamtes Feld ausfüllen, stellen
sie wohl Reste einer für die Zeit um 1500 typischen partiellen Farbverglasung dar, die als farbiges Band über die Chor-
und möglicherweise auch über die Langhausfenster hinweglief. Daß die beiden Scheiben ursprünglich in einem Fen-
ster saßen, ist der unterschiedlichen Rahmung und Hintergründe, aber auch der abweichenden Proportionierung
wegen eher unwahrscheinlich.
Farbigkeit, Technik: Während die Farbigkeit der Wappenscheibe etwas plakativ auf die beiden Kontraste blau/gelb

1 Vgl. Christian Daniel Vogel, Beschreibung des Herzogtums Nas-
sau, Wiesbaden 1843 (Nachdruck 1982), S. 610. Engelbert von Nassau-
Idstein war 1475—1481 Propst von St. Bartholomäus in Frankfurt/Main,
Domherr zu Mainz und Köln, 1476 gar Kanzler Kaiser Friedrichs IIL;
1488 weilte er mit Maximilian in der Brügger Gefangenschaft; sein Grab-
stein befindet sich im Mainzer Dom. Nicht zu verwechseln ist er mit
Engelbert II. von Nassau-Dillenburg, dem 1504 verstorbenen hochran-
gigen Diplomaten Maximilians I. und Generalgouverneur der Nieder-
lande; vgl. jeweils A. W. E. Dek, Genealogie van het Vorstenhuis Nassau,
Zaltbommel 1970, S. 21, 69.
2 Die Akten im Landesamt für Denkmalpflege in Wiesbaden vom 6. 9.

1956 und 28. 3. 1959 beschränken sich auf die pauschale Angabe, daß fünf
gotische Fenster mit Echt-Antikglas neuherzustellen und die »Renais-
sancescheiben« im unteren Feld im Nordfenster des Schiffes einzupassen
seien.
3 Ob mit der Stiftung der Kapelle die Inszenierung der Burg als wichti-
ger Bestandteil nassauischer Historie einherging, muß offenbleiben. Im
Zeitalter der Selbstdarstellung der herrschenden Geschlechter ist dies
nicht völlig auszuschließen, zumal die Burg offenbar keine strategische
Bedeutung mehr hatte und Engelbert durch den engen Kontakt zu Fried-
rich IIL und Maximilian die habsburgische Selbstdarstellung aus erster
Hand kannte.
 
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