Metadaten

Hess, Daniel
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet: Hessen und Rheinhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,2: Berlin: Dt. Verl. für Kunstwiss., 1999

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.52864#0306

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
OESTRICH • PFARRKIRCHE ST. MARTIN

301

Unzähligen zeitgenössischen Darstellungen entsprechend
gehörte die Figur ursprünglich zu einer Kreuzigung mit dem
Kruzifix in der mittleren, Maria in der linken und Johannes in
der rechten Fensterbahn. Gleichartige Darstellungen in drei
separierten Rundbogenarkaden sind in der ein bis zwei Genera-
tionen älteren Glasmalerei vereinzelt überliefert (s. etwa CVMA
Deutschland I, 2, 1986, Abb. 39, 340t.). Als ursprünglicher
Standort kommt von den ursprünglichen Maßen als auch von der

Ikonographie her nur das Achsenfenster in Frage, dessen Schei-
benbestand 1709/17 nach nord III transferiert wurde.
Farbigkeit: Maria trägt über einem blauen Untergewand einen
weißen Mantel und weißen Schleier, Nimbus gelb. Architektur-
rahmen weiß mit roten Basen und dunkelgelben Kapitellen;
rosabrauner Kastenraum mit roter Rückwand und grünen Rau-
tenfenstern, dunkelgelber Holzdecke und gelbem Boden. Blauer
Rankengrund.
CVMA A 11059^, Großdia A 21 jf.

OESTRICH • PFARRKIRCHE ST. MARTIN

Bibliographie: Zaun, Rheingau, 1879, S. 173 (Erwähnung der beiden Wappenscheiben in zwei Fenstern der Kirche);
Luthmer, 1902, S. 23if. (überliefert als Standort die Sakristei und datiert die Rundscheiben in das 16. Jahrhundert);
Otto Renkhoff, Die Ortssiegel und Ortswappen des Rheingaus, in: NA 61, 1950, S. 139 (berichtet, daß die beiden
Rundscheiben im Krieg beschädigt wurden und in einem Raum der Kirche verwahrt seien); Karl Müller/Gerhard
Geisler, Oestrich im Rheingau, Oestrich 1972, S. 7, 15 (Erwähnung und Abbildung der beiden Rundscheiben in der
Marienkapelle).
Gegenwärtiger Bestand: In der Marienkapelle (Fenster nord V) sind zwei Rundscheiben mit dem von Engeln
gehaltenen Wappen Oestrichs und dem Hl. Martin zu Pferde erhalten (Fig. 210E, Abb. 261E).
Geschichte des Baues und seiner Verglasung: Während der Turm der Martinskirche als einziger Rest eines Vor-
gängerbaus aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts erhalten geblieben ist, wurde die dreischiffige Hallenkirche mit
dem sterngewölbten Chor nach einer Inschrift über dem Südportal 1508 errichtet. 1635 von den Schweden einge-
äschert, wurde sie 1648 mit einer flachen Holzdecke notdürftig repariert und neu verglast; eine weitere Instandset-
zung ist für das Jahr 1755 überliefert. 1893/94 erfolgte schließlich eine umfassende Wiederherstellung, in deren Rah-
men die Kirche eine neue Verglasung erhielt. Im Zweiten Weltkrieg wurde diese Verglasung durch eine Luftmine
zerstört, die beiden in der Sakristei befindlichen Rundscheiben beschädigt1. Deren Reparatur und Übertragung in die
Marienkapelle erfolgte offenbar im Rahmen der Instandsetzungen von 1960/61. Die Kirche wurde 1971 mit Aus-
nahme der auf der Westempore bewahrten Glasmalereireste aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert und einer Verkün-
digung aus dem zweiten oder dritten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts neu verglast. Im Rahmen der jüngsten Renovie-
rung von 1995 versah man die Fenster der Marienkapelle mit einer außenbelüfteten Schutzverglasung.
Zur Frage des ursprünglichen Standorts: Angesichts der umfänglichen Zerstörungen von 1635 wäre es verwun-
derlich, wenn die beiden Rundscheiben bis in unser Jahrhundert weitgehend unbeschädigt an ihrem ursprünglichen
Standort in der Sakristei überdauert hätten. Auch wenn eine Datierung in die Zeit des Kirchenneubaus von 1508 sehr
gut zum Stilbild paßt und damit die Lokalisierung in die Martinskirche nahelegt, ist nicht auszuschließen, daß die
Scheiben aus einem öffentlichen Profangebäude, etwa aus dem in das 14. Jahrhundert zurückgehenden, 1684 erneuer-
ten Rathaus stammen und damals oder erst anläßlich der Kircheninstandsetzung von 1755 in die Sakristei übertragen
worden sind.

1 Zur Baugeschichte und den Reparaturen vgl. neben Luthmer, 1902, S. 171-175, sowie Karl Müller/Gerhard Geisler (s. Bibi.), 1972,
S. 230L, und Herchenröder, 1965, S. 290!., auch Zaun, Rheingau 1879, S. 3L, 13.
 
Annotationen